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Alte Wurzeln - Neuer Saft

Das Teatro Cristallo feiert 20 Jahre Wiedereröffnung. Direktorin Gaia Carroli über den Wandel vom Quartierstreffpunkt zum regionalen Kulturzentrum, die Herausforderungen und die Zukunftspläne mit Theaterresidenzen.
Teatro Cristallo
Foto: Seehauserfoto
  • Das Teatro Cristallo in Bozen feiert sein 20-jähriges Bestehen seit der Wiedereröffnung. Das Haus im Viertel Europa-Neustift hat in dieser Zeit eine bemerkenswerte Metamorphose durchlaufen. Im Gespräch mit Direktorin Gaia Carroli wirft SALTO einen Blick auf die bewegte Geschichte, die ambitionierte Gegenwart und die Pläne für die Zukunft. 

    Die Ursprünge des Cristallo reichen bis in die 1950er-Jahre zurück. Das Gebäude der Pfarrei Regina Pacis wurde mit einem ungewöhnlichen Fokus errichtet. Anstatt sofort die Kirche zu bauen, priorisierte man das Theater.„Die Kirche beschloss nach dem Krieg, zuerst das Theater und dann das Gotteshaus zu bauen“, erklärt Carroli. „Sie dachte, dass in dem historischen Zeitraum mehr Zusammenhalt für die Bevölkerung nötig sei als eine weitere Kirche.“

     

    2005 startete das Cristallo in seine zweite Ära.

  • Gaia Carroli, Direktorin des Teatro Cristallo in Bozen: Foto: Seehauserfoto

    Nachdem das Theater 30 Jahre lang – obwohl intern für Proben genutzt – für das Publikum geschlossen blieb, führte eine Sozialstudie in den 90er-Jahren zur Wiederbelebung. Die lokale Gemeinschaft sprach sich gegen eine kommerzielle Nutzung aus und forderte die Wiedereröffnung des Theaters. 2005 startete das Cristallo in seine zweite Ära als Kulturzentrum für die angrenzenden Viertel Europa-Neustift und Don Bosco.

    Vor etwa zehn Jahren legte das Theater seine ursprüngliche Rolle als reiner Ankerpunkt des Viertels ab. Mit der Einführung einer eigenen, kuratierten Prosa-Saison im Jahr 2015, in Zusammenarbeit mit dem Theater Stabile Bozen, übernahm das Cristallo die künstlerische Verantwortung. „Unsere Rolle im Territorium hat sich verändert, weil wir diejenigen geworden sind, die entscheiden, welche Künstler in einer Prosa-Saison auftreten können, mit Themen, von denen wir wollen, dass sie das Publikum sensibilisieren“, betont Carroli.Heute bietet das Haus ein vielschichtiges Programm – von Kindertheater über Amateurtheater bis hin zur Sparte Corpi Eretici  – und ist damit zu einem „attraktiven Kulturzentrum für die gesamte Stadt, die gesamte Provinz und auch außerhalb der Provinz“ avanciert.

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  • Erfolgreiche Feierlichkeiten zum Jubiläum

    Die beeindruckende Entwicklung des Hauses wurde heute Vormittag, mit der Eröffnung einer feierlichen Jubiläumsausstellung gewürdigt. Bei der Eröffggnung, begleitet von der Vorführung eines Videos über die Geschichte des Cristallo, stand auch ein besonderes Stück im Mittelpunkt: das erste Plakat des Teatro Cristallo, gestaltet von Bruno Marchetti. Die Ausstellung, die die Geschichte aus Kultur, Gemeinschaft und Leidenschaft nachzeichnet, kann noch den gesamten Dezember über zu den Öffnungszeiten der Theaterkasse und des Cafés besichtigt werden.

     

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  • Trotz der guten öffentlichen Förderung in der Provinz, die die Kultur als „sehr wichtige" Instanz unterstützt, bleibt die Finanzierung eine Herausforderung, insbesondere bei außerordentlichen Sanierungsarbeiten an der historischen Bausubstanz. Daher spielt das Fundraising bei lokalen Unternehmen und Hauptsponsoren eine wichtige Rolle, die gleichzeitig die Verbundenheit mit der Umgebung Bozens stärkt.

     

    Die Theaterresidenz wird uns definitiv tief in ein künstlerisches Netzwerk einbinden und uns so wertvolle, substanzielle Kontakte verschaffen.

     

    Die größte Ambition für die Zukunft sieht Direktorin Carroli in der Vertiefung der künstlerischen Arbeit, vor allem durch den Ausbau der Theaterresidenzen. Seit 2022 ist das Cristallo Teil des regionalen Residenzzentrums Passo Nord.„Die Theaterresidenz wird uns definitiv tief in ein künstlerisches Netzwerk einbinden und uns so wertvolle, substanzielle Kontakte verschaffen.", resümiert Carroli. „Es ist ein Bereich, den wir weiterentwickeln möchten, weil es uns die Möglichkeit gibt, wirklich mit den Künstlern in Beziehung zu treten – eine wichtigere Beziehung, als sie bei einem kurzen Gastspiel möglich ist.“