Sport | Analyse

Der FC Südtirol hat einen Lauf

Statistisch gesehen spielt der FCS bisher unter seinen Möglichkeiten. Mit dem heutigen Sieg gegen Reggiana (2:0) scheint sich die Regression zur Mitte aber eingestellt zu haben. Mit etwas Glück und effizienter Chancenverwertung hat der FCS einen Lauf gestartet
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Foto: Ufficio Stampa FCS - Foto Bordoni
  • Für den FC Südtirol ging es nach dem Sieg im direkten Abstiegsduelle bei Frosinone heute zuhause wieder darum, zu punkten. Am besten sogar: gewinnen. Denn es ging heute gegen Reggiana, das sich im Tabellenmittelfeld aufhält. Dort gehört der FCS rein statistisch eigentlich auch hin, hat aber aufgrund verschiedener Gründe bisher unterperformed. 

    Mit diesen „advanced stats“ im modernen Fußball ist es zudem immer so eine Sache: Natürlich sagen sie etwas aus, natürlich lassen sich damit verschiedene Entwicklungen und Ereignisse erklären. So zum Beispiel, wenn eine Mannschaft, wie der FC Südtirol, unter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Und noch mehr: Die Regression zur Mitte gilt auch im Fußball. Ausreißer nach oben oder unten (etwa deutliche underperformance) gleichen sich im Laufe einer Saison wieder aus. Früher oder später sollte sich Südtirol demnach wieder seiner statistischen Leistung nähern und anpassen, oder anders: der statistischen Leistung entsprechend spielen und punkten. Jetzt, inmitten der Rückrunde, sollte dieser Zeitraum eigentlich einsetzen. 

    Jetzt gilt es also zu punkten und zu gewinnen, zumal gegen Tabellennachbarn und Teams aus dem Mittelfeld.

  • Südtirol deckt Mann und stellt Überzahl her

    Der FC Südtirol unter Fabrizio Castori ist bekannt für seine manndeckende Defensivarbeit. Jeder FCS-Spieler hat einen direkten Gegenspieler, den er (je nach Position) weitestgehend übers gesamte Spielfeld verfolgt. So war das auch heute: 5-3-2 wurde den Gästen weitestgehend der Ball überlassen, die beiden Angreifer (Odogwu und Merkaj) stellten dabei die Innenverteidiger Reggianas zu, im Mittelfeld gab es ebenfalls klare Zuordnung – mit einer Ausnahme jedoch: Wenn sich Reggianas Sechser, Tobías Reinhart, im Spielaufbau zurückfallen ließ, wurde er meistens nicht verfolgt. So hatte Reinhart zwar viel Zeit am Ball, aber in einer überwiegend ungefährlichen (aus Südtiroler Sicht) Zone. Positiver Nebeneffekt: Südtirol hatte dadurch einen Mann mehr in der gefährlichen Zone vor der eigenen Abwehr.

  • Über- und Unterzahl Reggiana: Die Gäste waren meistens in ungefährlichen Zonen in Überzahl, dafür in den wichtigen Zonen in Unterzahl. Foto: SALTO
  • Reggiana war aber nicht völlig chancenlos, Reinhart nicht völlig aus dem Spiel genommen. Die Gäste versuchten, Südtirols Manndeckungen zu bespielen, indem zum Beispiel die Angreifer viel bewegten: Zurückfallen zwischen den Linien, in die Tiefen starten, den Gegner binden oder aber vor Probleme stellen, indem man sich zwischen zwei Gegenspielern positionierte.

  • Reggiana greift über links an: Der freie Spieler im Zehnerraum wird nicht eingebunden. Foto: SALTO
  • Nicht selten gelang es den Gästen, nach einer kurzen Ballzirkulation über die eigene linke Seite nach vorne zu kommen. Dann wurde das diagonale Zuspiel auf den zweiten Pfosten versucht – und in der Tat kamen die Gäste dadurch zu mehreren guten Tormöglichkeiten (etwa in der 28. und 31. Minute). Südtirol hatte dabei etwas Glück; eben jenes Glück, das bis dato in dieser Saison vielleicht etwas gefehlt hat – „es gleicht sich alles aus“ – oder Regression zur Mitte eben.

  • Südtirol sehr effizient

    Die Angriffsbemühungen Südtirols waren so angelegt, auch mit Ball Überzahlsituationen herzustellen und auszuspielen. Das ging mit der Grundformation los und hörte bei den Aufrückbewegungen des zentralen Mittefeld (Pyyhtiä!) auf. Reggiana presste meistens im 4-4-2 und war so bereits in der ersten Linie (gegen Südtirols 3er-Kette) in Unterzahl. Wurden dann die Flügelläufer Südtirols, Davi und Molina, angespielt, so setzten diese Überzahl fort und konnten den offenen Raum, den sie vor sich fanden, attackieren.

  • Südtirol über links: Reggiana presst in Unterzahl, dadurch wird Davi auf links frei und kann den Raum attackieren (gelb) Foto: SALTO
  • Mit Pyyhtiä verfügt FCS-Trainer Castori seit dem Wintertransferfenster zudem über einen sehr lauf- und physisch starken Mittelfeldspieler, der zwischen den zwei Strafräumen hin und her pendeln kann (“box-to-box”). Es war sodann ein Angriff, eingeleitet über links und abgeschlossen durch den nachgerückten Pyyhtiä, der zum frühen 1:0 führte. Ein Eckball und Kopfball von Pietrangeli kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit führten dann zum 2:0. Recht viel mehr Möglichkeiten hatte Südtirol auch nicht. Die Hausherren mussten auch nicht mehr machen. 3-4 Möglichkeiten, daraus 2 Tore erzielt – das war hoch effizient. Eine neue Facette, die der FC Südtirol gerade zum richtigen Zeitpunkt zeigt.