Società | Online-Portale

"Vorschlag mit Beigeschmack"

Grundsätzlich ist Paul Köllensperger gegen anonyme Kommentare im Internet. Dabei setzt er jedoch auf die Einsicht der Online-Portale und nicht auf "Medienzügelung".

Sie wollte über “moderne Diskussionskultur” diskutieren. Mit ihrer Ankündigung, jenen Medien, die anonyme Kommentare zulassen, Fördergelder streichen zu wollen, hat sich Informatiklandesrätin Waltraud Deeg aber einiges an Kritik eingehandelt. Ihre Aussagen hatten den Anschein erweckt, als wolle sie sich und ihre Politikerkollegen vor anonymer Online-Hetze bewahren. Dabei werden auch Privatpersonen, Unternehmer und andere Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, Opfer von Beleidigungen im Netz. Wäre es also wirklich so schlimm, wenn Kommentare künftig nur mehr unter dem Klarnamen gepostet werden dürfen? Die Ankündigung hat für einen Aufschrei in der Südtiroler Internetcommunity hervorgerufen. salto.bz hat bei Paul Köllensperger nachgefragt. Der Landtagsabgeordnete des Movimento 5Stelle ist selbst seit über zehn Jahren im Internetsektor tätig. Was hält er von der Klarnamen-Regelung?

Herr Köllensperger, könnte man grundsätzlich nicht dafür sein, User auf Online-Portalen dazu verpflichtet, ihre Kommentare unter Klarnamen zu posten? Auch weil Beleidigungen jeden treffen können.
Theoretisch ja. Ich bin der Meinung, wenn jemand anonyme Kommentare verfasst, soll er auch sein Gesicht dafür herhalten. In dem Sinn ist die Initiative sicherlich zu unterstützen.

Das klingt nach einem Aber?
Ja. Denn wenn man jetzt das Mediengesetz hernimmt, um Portale dazu zu zwingen, keine anonymen Kommentare zuzulassen, dann ist das der falsche Ansatz. Das hat einen Beigeschmack von Medienzügelung und bringt eine Reihe von Problemen mit sich.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel, wer entscheidet wo die Hetze anfängt und wo sie aufhört? Also was als Hetzkommentar bezeichnet werden kann und was nicht. Wie gesagt, ich bin dafür, dass es künftig eine bessere Regelung gibt. Aber dafür soll nicht der Umweg über das Medienförderungsgesetz genommen werden. Das wirft eine schiefe Optik auf das Ganze. Als ob man gewisse Medien und Portalbetreiber benachteiligen wollte.

Die schlimmste Hetze findet sowieso in den Social Media statt.

Wie könnte die Sache Ihrer Meinung nach gehandhabt werden? Auch vom technischen Standpunkt her?
Die Medien müssen in die Pflicht gezogen werden. Sinnvoll ist sicher – wie es auch salto.bz macht –, dass der Portalbetreiber Kommentare kontrolliert und sich der User bevor er etwas posten kann, registrieren muss. Da sind einige Südtiroler Portale sicher schon einen Schritt weiter. Über die Registrierung der IP-Adresse kann dann zusätzlich der Verfasser von Kommentaren ausgeforscht werden.

Die IP-Adresse verrät doch nur, von welchem Gerät aus der Kommentar gepostet wurde?
Genau. Über die IP-Adresse kann der Computer, das Handy oder Tablet, von dem aus Kommentare gepostet wurden, ausfindig gemacht werden. Relativ einfach ist die Sache, wenn es sich zum Beispiel um einen PC in einer Privatwohnung handelt. Da schränkt sich der Kreis der möglichen Verfasser schnell ein. Schwieriger wird es dann schon, wenn es sich um irgendeinen, auch öffentlich zugänglichen PC handelt.

Wenn jemand anonyme Kommentare verfasst, soll er auch sein Gesicht dafür herhalten.

Sollten Online-Portale also die IP-Adressen von Kommentaren veröffentlichen?
Die Portale könnten ihre User im Vornherein informieren, dass ihre IP-Adresse mitgeloggt wird und sie für den Inhalt ihrer Kommentare verantwortlich sind. Zudem sollte, wie gesagt, eine Registrierung für alle User Pflicht werden. Bei einigen Südtiroler Portalen reicht es ja, auf “Kommentar verfassen” zu klicken, ohne Angabe von Namen oder E-Mail-Adresse. Über das IP-Adressen-Logging können aber auch zum Beispiel jene Personen ganz schnell ausgeforscht werden, die mit mehreren anonymen Accounts gleichzeitig beleidigende Kommentare posten. Denn es gibt durchaus solche Menschen, auch auf den Südtiroler Online-Portalen. Und doch, unterm Strich ist es ja so, das die schlimmste Hetze in den Social Media stattfindet, wo man teilweise wirklich geschmacklose Kommentare liest. Darauf können wir allerdings keinen Einfluss nehmen, da sind wir machtlos.

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Profile picture for user Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Mer, 09/02/2015 - 12:55

"wenn jemand anonyme Kommentare verfasst, soll er auch sein Gesicht dafür herhalten"
hä?! Das scheint mir ein wenig unlogisch.
Durch das Speichern der IP-Adresse kann im Falle von Straftaten oder Beleidigungen der Kommentator sowieso ausgemacht werden. Wieso soll ein rechtlich nicht relevanter Kommentar dann nicht anonym bleiben dürfen?
Es soll jetzt keiner kommen der zu erwidern meint, Leute die nichts zu verstecken haben sollen ruhig öffentlich ihren Namen zu ihrer Meinung geben. Das ist Schwachsinn.
Würden wir es für richtig finden, wenn jeder der bei einer Demo seine Meinung kundtut vorerst seinen Ausweis bei der Polizei vorzeigen muss?
Würden wir es für richtig finden, wenn wir das Wahlgeheimnis abschaffen würden? Nein!
Ich verstehe sowieso nicht wie das ganze technisch funktionieren soll. Wie kontrolliert man den ob der angegebene Name wahr ist? Muss jeder mit Ausweis bei den Redaktionen vorbeischauen um in Anwesenheit eines Notar sich beglaubigen lassen, dass er er ist und unter seinen Namen kommentieren will?

Mer, 09/02/2015 - 12:55 Collegamento permanente
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Stephan Griehl Gio, 09/03/2015 - 09:33

"wenn jemand anonyme Kommentare verfasst, soll er auch sein Gesicht dafür herhalten" - der Lacher am Morgen, cool.

Das Problem liegt nicht zwingend an der Anonymität, sondern auch am Klientel. Schauen Sie doch mal auf Seiten wie zeit.de oder spiegel.de. Das sind riesige Nachrichtenportale mit tausenden Lesern. Herrscht da Klarnamenpflicht? Nein. Dort werden unangebrachte oder themenfremde Einträge in den Kommentaren von der Redaktion einfach entfernt.

Auf lokalen Nachrichtenseiten ist das Niveau der Artikel zum Teil eh schon im Keller. Da braucht man sich nicht wundern, wenn sich dort die entsprechende Leserschaft tummelt und ihren geistigen Abfall ablässt.

Im Internet hat die Klarnamenpflicht eine weitere Dimension, die nirgends sonst in diesem Ausmaß existiert. Menschen ändern sich und können sich durchaus von ihren selbst einmal hinterlassenen Meinungen und Aussagen distanzieren. Im Internet geht das nicht. Sämtliche Äußerungen, die ich (mit Klarnamen) jemals irgendwo hinterlassen habe, sind für IMMER abrufbar.

Klarnamenpflicht zerstört meiner Meinung nach die Diskussionskultur im Internet. Dort, wo sich vermehrt nur Trolle tummeln und Idioten ihren Rassismus in die Welt posaunen oder Hetze verbreiten, dort muss entweder fleißig moderiert (gelöscht) werden oder die Kommentarfunktion komplett abgeschaltet werden. An den anderen Orten entsteht eine für alle Seiten gewinnbringende und konstruktive Diskussion.

Gio, 09/03/2015 - 09:33 Collegamento permanente