Ein Tag, der ganz im Zeichen der Corona-Pandemie stand, neigt sich dem Ende zu. In Rom hat Ministerpräsident Giuseppe Conte das Parlament darüber informiert, welche weiteren Maßnahmen er treffen will, um die zweite Infektionswelle zu brechen. In Italien wird ein Ampelsystem auf regionaler Ebene eingeführt. Je nachdem, wie das Infektionsgeschehen in den einzelnen Regionen verläuft, werden sie in drei verschiedene Risikozonen eingestuft: “mäßig” (grün), “hoch/sehr hoch für weniger als drei aufeinanderfolgende Wochen” (orange), “hoch/sehr hoch für mehr als drei aufeinanderfolgende Wochen” (rot). Die Einstufung nimmt das Gesundheitsministerium wöchentlich vor und je nachdem, welche Farbe die Ampel anzeigt, greifen auf regionaler Ebene automatisch mehr oder weniger strenge Regelungen. Diese sehen unter anderem ein Ein- und Ausreiseverbot für die stark vom Coronavirus betroffenen Regionen vor.

Der Staat wird also nur Rahmenbedingungen festlegen, die Regionen sind aufgefordert, anhand der jeweiligen epidemiologischen Situation weitere Maßnahmen zu setzen. Arno Kompatscher ist damit zufrieden. Anders als zahlreiche andere Präsidenten der Regionen, die für das gesamte Staatsgebiet einheitliche Regelungen gefordert hatten. “Mit der Entscheidung der Regierung, die in ein neues Dekret des Ministerpräsidenten einfließen wird, das am Mittwoch in Kraft tritt, geht eine große Verantwortung für die lokalen Verwaltungen einher – eine Verantwortung, die wir aufgrund unserer Autonomie gewöhnt sind, zu übernehmen”, betont der Landeshauptmann. Die am Wochenende angekündigten weiter verschärften Regelungen für Südtirol hat er am Montag in der Landesregierung, mit der SVP-Fraktion und allen Landtagsabgeordneten besprochen und am späten Nachmittag gemeinsam mit Gesundheitslandesrat Thomas Widmann präsentiert.

“Der Sanitätsbetrieb, Alters- und Pflegeheime sind was Schutzausrüstung, Testkapazitäten, Krankenhaus- und Intensivbetten, Betreuungsteams, Sicherheitsprotokolle und die klinische Organisation insgesamt betrifft, besser gerüstet als im Frühjahr”, meint Kompatscher eingangs. Und auch wenn man “relativ gut durch den Sommer gekommen” sei, so zeige sich jetzt dennoch ein Infektionsgeschehen, “das es notwendig macht, noch weiter einzugreifen”. Nach der Dringlichkeitsverordnung vom 25. und jener vom 30. Oktober, wird Kompatscher am Dienstag eine weitere unterzeichnen. Sie tritt am Mittwoch, 4. November, um 00.00 Uhr in Kraft und gilt südtirolweit bis einschließlich 22. November.

Folgende Maßnahmen sind enthalten:

• Ausgangssperre zwischen 20 und 5 Uhr, ausgenommen sind Bewegungen aus Arbeitszwecken, aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder sonstigen dringlichen Erfordernissen (Bsp.: die Pflege von Angehörigen) – auf jeden Fall ist zwischen 20 und 5 Uhr eine Eigenerklärung mitzuführen
• Bars, Restaurants, Eisdielen und Konditoreien bleiben geschlossen; Abholservice ist bis 20 Uhr erlaubt; Zustellservice bis 22 Uhr
• Mensadienste bleiben gewährleistet
• Geschäfte des Detailhandels müssen schließen; mit Ausnahme von Apotheken, Para-Apotheken, Trafiken, des Lebensmittelsektors und des Handels mit Gütern des täglichen Bedarfs (letztere beide müssen am Sonntag schließen)
• das produzierende Gewerbe bleibt tätig, unter strenger Beachtung der Sicherheitsprotokolle
• Hotels dürfen keine Touristen mehr aufnehmen; Nächtigungen sind nur mehr aus Arbeitsgründen erlaubt; die Versorgung der Hausgäste bleibt gewährt, Schwimmbäder, Wellnessanlagen und andere hoteleigene Einrichtungen sind geschlossen
• Kleinkinderbetreuung, Kindergarten- und Schulbetrieb bleiben aufrecht, aber sämtliche Oberschulen und die Universität stellen ab kommender Woche auf 100 Prozent Fernunterricht um; Ausnahmen gibt es für Berufsschulen, Menschen mit Beeinträchtigungen oder in besonderen sozialen Situationen
• die Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel wird auf 50 Prozent reduziert; die Dienste werden voll angeboten, aber Busse, Züge und Seilbahnen werden weniger Passagiere befördern; daher der dringende Aufruf, öffentliche Verkehrsmittel nur für schulische, berufliche Zwecke oder dringliche Erfordernisse zu nutzen, nicht für Freizeitzwecke
• jegliche Form von privaten oder öffentlichen Veranstaltungen, bei denen Menschen zusammenkommen, sind untersagt; erlaubt bleiben Veranstaltungen per Video-Übertragung
• Mannschafts-, Kontakt- und Hallensport bleiben untersagt; außer für den Profisport
• Individualsport im Freien (Joggen, Laufen, Fahrradfahren etc.) bleibt erlaubt
• Skigebiete bleiben offen (“Skifahren fällt unter Idividualsport”, sagt Kompatscher), mit der Einschränkung, dass Seilbahnen und Kabinenlifte nur mehr zu 50 Prozent ausgelastet werden dürfen
• keine Proben für Musikkapellen und Chöre, mit Ausnahme des Profibereichs
• Sitzungen und Versammlungen müssen bzw. sollen in Form von Videokonferenzen abgehalten werden oder, falls sie in Präsenz durchgeführt werden müssen, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden
• es gilt die Empfehlung, wo immer möglich auf smart working zu setzen, auch im Privatsektor
• die Maskenpflicht bleibt aufrecht, ebenso die dringende Empfehlung, auf Abstand und Handhygiene zu achten

Warum es nötig war, die Corona-Maßnahmen erneut zu verschärfen, erklärt Landesrat Widmann so: “Wenn wir weiter zuwarten und das Infektionsgeschehen laufen lassen, gelangt das Gesundheitswesen in 14 Tagen an seine Kapazitätsgrenze.” Für Südtirol steht die Corona-Ampel derzeit auf orange. Und der Druck auf die Krankenhäuser nimmt zu: 223 Covid-19-Patienten befinden sich aktuell auf den Normalstationen, weitere 70 sind in Privatkliniken untergebracht, 23 liegen auf den Intensivstationen (+6 im Vergleich zum Vortag). Die Zahl der aktuell positiv auf das Coronavirus Getesteten beläuft sich auf 6.060 (+437 in den vergangenen 24 Stunden).

“Aufgrund des extremen Anstiegs an Corona-Infektionen werden bis auf Weiteres nur mehr dringende, unaufschiebbare oder prioritäre Leistungen durchgeführt, alle aufschiebbaren und programmierbaren Visiten und instrumentaldiagnostischen Leistungen werden ausgesetzt.” Das teilt der Sanitätsbetrieb mit, während die Medienkonferenz von Komaptscher und Widmann noch läuft. Auch alle Vorsorgeleistungen, Screening-Programme und Impfungen – ausgenommen Grippeimpfungen – sowie alle nicht-dringenden und tagesklinischen stationären Aufnahmen sind ausgesetzt. Sämtliche Notfallleistungen sowie alle dringenden und prioritären Visiten werden weiterhin garantiert. Auch dringende Eingriffe wie z.B. im onkologischen Bereich werden durchgeführt. 

“Um diesem Infektionsgeschehen Herr zu werden, geht es nicht ohne weitere Einschränkungen durch Verordnungen”, meint der Landeshauptmann. Das Hauptziel der Maßnahmen, die ab Mittwoch greifen werden, ist, soziale Kontakte weiter zu minimieren bzw. zu verhindern. “Denn leider ist es so, dass sich nicht immer alle der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst waren, viele haben es auf die zu leichte Schulter genommen.” Kompatscher ruft auch dazu auf, “mit Zivilcourage die Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, darauf aufmerksam zu machen”.

“Mit diesen Maßnahmen ist es möglich, die Welle zu brechen und wir hoffen, sie in drei Wochen auslaufen lassen zu können”, gibt sich Kompatscher zuversichtlich. “Aber wir sind jetzt alle aufgefordert, die Sache ernst zu nehmen. Andernfalls könnten drei Woche nicht genügen und die Maßnahmen müssen verlängert werden.”