Mario Draghi
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Politica | Überraschungscoup

Mario Draghi erhält Auftrag

Der Staatspräsident hat nach Ficos Scheitern Mario Draghi in den Quirinalspalast bestellt.

Regierungskrise oder Orgie der Verantwortungslosigkeit? Die Staats-und Regierungschefs der EU blicken nur noch kopfschüttelnd auf Rom – Schauplatz einer angesichts der Covid-Pandemie unverständlichen Regierungskrise.

Sichtlich enttäuscht teilte Kammerpräsident Roberto Fico Staatschef Mattarella am Dienstagabend sein Scheitern mit. Es sei ihm nicht gelungen, im Tauziehen der Parteien eine Einigung über eine neue Regierung zu erzielen. Nun zieht der fast 80-jährige Staatschef seine letzte Trumpfkarte: Er bestellte den langjährigen Gouverneur der europäischen Zentralbank Mario Draghi für heute um 12 Uhr in den Quirinalspalast. Der Überraschungscoup lässt viele Fragen offen: Unter welchen Bedingungen ist der 73-Jährige bereit, eine Regierung zu bilden? Soll sein Kabinett aus Experten oder Parteienvertretern bestehen? Ist es als Übergangsregierung gedacht?

Mattarellas Formulierung eines governo di alto profilo lässt auf eine Regierungsmannschaft aus Experten schliessen. Erste Namen werden bereits gehandelt: Carlo Cottarelli als Finanzminister, Enrico Giovannini als Arbeitsminister, Paola Severino als Justizministerin, Elisabetta Belloni als Aussenministerin – pure Spekulationen. Die Parteien reagieren verdutzt: "Non diremo no, ma certo non siamo contenti", gesteht PD-Chef Zingaretti. Die Lega verhält sich abwartend: "Vogliamo prima capire il programma." Der bisherige Regierungschef Giuseppe Conte bereut indessen seinen Rücktritt: "Forse non dovevo dimettermi."  Mit Conte stürzt einer der populärsten Regierungschefs der letzten Jahrzehnte, dessen Umfragewerte bei 55 Prozent lagen.  Ob er nun an die Universität zurückkehrt oder sich  einen politischen Freiraum schaffen kann, bleibt offen.

Der Staatspräsident begründete seine überraschende Entscheidung ausführlich: "Ho il dovere di sottolineare come un lungo periodo di campagna elettorale coinciderebbe con un momento cruciale per e le sorti dell´Italia. I prossimi mesi sono quelli in cui si può sconfiggere il virus oppure rischiare di essere travolti."

Alessandro Di Battista von der Fünf-Sterne-Bewegung, die gestern erneut zwei  Senatoren verloren hat, brandmarkte Draghi als apostolo dell'elite." Matteo Renzi, dem die Hauptschuld an der Regierungskrise zugeschoben wird, reagierte ebenso positiv wie Berlusconis Forza Italia. Politisch kommen auf Italien nun spannende Tage zu. Mit Draghi zieht -wenn er den Auftrag annimmt - eine starke Persönlichkeit in den Chigi-Palast ein. Einer mit viel internationaler Erfahrung, der immer die Nähe zur Politik gesucht hat. Und vor allem einer, der seine Karriere bereits hinter sich hat und keine neuen Lorbeeren benötigt. Und der keinerlei  Interesse am täglichen Hickhack zeigt, das Italiens Politik seit Jahren kennzeichnet.

Offen bleibt die Frage, wie die Fünfsterne-Bewegung als Regierungspartei auf die Beauftragung Draghis reagiert, der von Di Battista als "apostolo delle elite" abgelehnt wurde.