Die Erosion am Land
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Die PowerPoint-Präsentation hat 40 Seiten und wurde am vergangenen Montag am Parteisitz in der Brennerstraße gleich dreimal gezeigt. Zuerst beschäftige sich die Parteileitung mit der Wahlanalyse, dann wurde das Dokument mit den 35 Kandidatinnen und Kandidaten besprochen und am Ende kam das Paper auch noch auf der Sitzung der SVP-Parteileitung zur Sprache.
In der professionell aufbereiten Wahlanalyse kommt vieles zur Sprache, was man seit 10 Tagen weiß. Vordergründig geht es um die Verluste der SVP und die Gründe, warum die Wählerinnern und Wähler der Regierungspartei am 22. Oktober 2023 den Rücken gekehrt haben. Enthalten ist aber auch eine Wählerstromanalyse, in der auch das Wählerpotenzial der politischen Konkurrenz durchleuchtet wird. Zudem tastet man auch eine Zukunftsfrage ab: Die Direktwahl des Landeshauptmannes.
Demnach basiert diese Wahlanalyse nicht nur auf der Aufarbeitung der nackten Zahlen und Daten der Landtageswahlen, sondern es fließen auch Erkenntnisse einer Nachwahlbefragung ein. -
Ein blaues Auge
Der erste Teil der SVP-Wahlanalyse beschäftigt sich mit den herben Verlusten bei der Landtagswahl. Dabei werden noch einmal die amtlichen Wahlergebnisse, die Gewinne und Verluste sowie die Mandatsstärke aller Parteien wiedergegeben. Interessant dabei ist auch eine Aufschlüsslung der Wahlergebnisse nach Geschlecht. Demnach setzen sich die SVP-Wählerschaft aus 37 Prozent der Männer und aus 34 Prozent der Frauen zusammen. Die Südtiroler Freiheit wurde hingegen von 12% der Männer und 9% der Frauen gewählt, das Team K von 10% der Männern und 12% der Frauen. Das Geschlechterverhältnis bei den Grünen: Männer 8% und Frauen 9%, jene der Fratelli D’Italia: 7% Männer und 5% Frauen. Nur die Liste JWA wurde jeweils von 6% der Frauen und der Männer gewählt.
Wie es sich gehört, beginnt Die SVP-Analyse mit der einzig guten Nachricht für die Südtiroler Regierungspartei: Den Gemeinden mit Zugewinnen. Die Reihung: Pfatten mit einem Plus von 10,6 Prozentpunkten, Kurtinig + 7,81, Franzensfeste +1,07, Leifers +0,61, Branzoll +0,5 und Salurn +0,48. Dann folgen vier Gemeinden mit geringen Verlusten: Corvara - 0,15, Bozen -0,18, Brixen -0,4 und Natz-Schabs -0,94 Prozentpunkte.Die VerlusteWirklich deprimierend für die Volkspartei ist die Aufstellung der Gemeinden mit den größten Verlusten. Ulten -25,53 Prozentpunkte, Moos im Passeier - 22,52, Schnals -22,35, Schluderns -22,20, Martell -21,56, Hafling -21,32, Taufers-Münstertal -20,91, Mühlwald -20,35, Sexten -20,27, Wengen -20,18 und Sarntal -20,13.
In einer eigenen Folie werden die urbanen Großgemeinden und Städte zusammengefasst. Auch dort ist das Ergebnis durchwachsen: Bruneck -7,26, Lana - 6,79, Meran -5,46, Kaltern -4,46, Eppan -4,22, Sterzing -1,29, Brixen -0,40, Bozen -0,18 und Leifers mit dem einzigen Plus von 0,61.In der Wahlanalyse werden aus diesen Daten zwei zentrale Rückschlüsse gezogen. Der erste lautet: „Erosion von SVP-Hochburgen in ländlichen Gemeinden“. Dazu heißt es im Dokument: „In Gemeinden, die peripher und ländlich geprägt sind und bei den Wahlen 2018 Hochburgen der Südtiroler Volkspartei waren, hat die SVP prozentuell hohe Verluste zu verzeichnen.“
Die zweite Erkenntnis: „Urbangeprägte Großgemeinden bzw. Städte blieben relativ stabil“. Auch hier steht zu lesen: „ In Südtirols Städten bzw. urban geprägten (Groß-)Gemeinden, die unter anderem auch im Einzugsgebiet von Städten liegen, konnte die Südtiroler Volkspartei ihr Ergebnis halten.“Die BezirkeWie sehr der SVP-Kosmos immer noch im sogenannten Bezirksdenken verfangen ist, zeigt sich an einer genauen Analyse der Verluste auf Bezirksebene. Dort werden die Zahlen auch aufgeschlüsselt. Demnach hat die SVP im Bezirk Bozen Stadt und Land 3,71 Prozentpunkte verloren. Ohne die Städte Bozen und Leifers sind es aber 9 Prozentpunkte. Im Bezirk Brixen sind es - 5,54, ohne die Stadt Brixen aber -7,93. Dasselbe Bild bietet sich im Burggrafenamt. Dort steht ein durchschnittlicher Verlust im Bezirk von -10,17 Prozentpunkten zu Buche. Ohne die Stadt Meran und die Großgemeinde Lana ist ein Verlust von -14,10 Prozentpunkten.
Im Pustertal hat man 11,76 Prozentpunkte verloren - ohne Bruneck ist es ein Minus von 12,35. Im Wipptal hat man durchschnittlich 5,09 Prozentpunkte verloren, im Unterland -5,11 und im Vinschgau sind es sogar -15,50.
Auch bei der Briefwahl hat die Regierungspartei SVP 8,85 Prozentpunkt im Vergleich zur Landtagswahl 2018 verloren.Die WählerströmeBesonders interessant ist die Wählerstromanalyse der SVP. Demnach könnte die Volkspartei nur 76,8% ihrer Stimmen aus den Landtagswahlen 2018 halten. 6,2 Prozent der damaligen Wähler sind zur Liste von Jürgen Wirth Anderlan abgewandert, 5,8% zur Liste Widmann, 4,5% Prozent zu Sven Knolls STF, 1,9% zu den Grünen, 1,4 Prozent zu den Freiheitlichen, 1 Prozent zu Vita und 0,9 Prozent zum Team K.
Detailliert aufgeschlüsselt wird in dem SVP-Dokument aber auch die Wanderungsbilanz der anderen Partei. Man beginnt dabei mit Koalitionspartner Lega. Die Lega konnte demnach nur ein Viertel (25,7%) der Stimmen aus der Landtagswahl 2018 halten. 20 Prozent der Wähler und Wählerinnen sind diesmal zu FdI abgewandert. 7,55% zu La Civica, 6,8% zu den Grünen, 3 Prozent zum PD und immerhin 2% zur Volkspartei.
Das Team K hat 62,7 seiner Stimmen von 2018 halten können. Interessant aber ist, an wen die Köllensperger-Partei am meisten verloren hat: mit 16,2 Prozent an die impfkritische Liste „Vita“. Es folgen STF (4,3%) JWA (4,25%) und Grüne (3,6%); 2,4 Prozent der Team K-Wähler sind diesmal zur SVP zurückgekehrt.
Nur 50,6 Prozent der Wähler der Südtiroler Freiheit haben vor fünf Jahren bereits diese Partei gewählt. Demnach haben Sven Knoll & Co. ihre Stimmen mehr oder weniger verdoppelt. 17,3 Prozent der Neuwähler kommen von der SVP, 17,1 Prozent von den Freiheitlichen.
Äußerst erfolgreich im SVP-Wählerteich hat Jürgen Wirth Anderlan gefischt. Seine Wählerinnen und Wähler kommen zu 36,1 Prozent aus der SVP und 17,5 Prozent vom Team K. Außerdem schaffte es die Liste JWA, 16,7 Prozent der Nichtwähler für sich zu gewinnen.
Der Mann, der seine Stimmen aber fast ausschließlich bei den SVP-Unterstützern geholt hat, ist Thomas Widmann. 70 Prozent der Wähler und Wählerinnen der Liste Widmann stammen von ehemaligen SVP-Unterstützern. 10,5 Prozent hat Widmann dem Team K abgenommen und 6,8% der Nichtwähler gingen in diesem Jahr für seine Liste zur Wahl.Das kleinste ÜbelAufgeschlüsselt werden auch die Gründe, warum sich die Wähler für die Regierungspartei entschieden habe. 63 Prozent der SVP-Wählerinnen und Wähler geben als Hauptgrund an: "Die SVP ist die Partei der Autonomie“. Für 56 Prozent „vertritt die SVP die Interessen der Südtiroler Bevölkerung gegenüber Rom“. Immerhin 38% haben wegen Arno Kompatscher SVP gewählt. Und fast ein Drittel (31%) sagen offen, dass die „SVP das kleinste Übel“ ist (Mehrfachnennungen waren möglich).
Eine Watschen bekommt indirekt aber auch der Medienkonzern Athesia ab. Ein Viertel der SVP-Wähler (25%) begründen ihre Entscheidung mit dem Hinweis„wegen negativer Medien“.
Dargestellt werden auch die Wahlmotive für alle anderen Parteien. In Auge stechen dabei die Gründe für die Wahl der Südtiroler Freiheit. „STF tritt für ein unabhängiges Südtirol ein“, geben 64 Prozent der Knoll-Wähler als Hauptgrund an. Dahinter steht mit 55 Prozent die Ausländer- und Asylpolitik der STF.
61 Prozent der Wähler der Südtiroler Grünen geben als Hauptgrund „schauen auf Umwelt & Natur“ an. 60 Prozent sagen: „Ich wähle immer Grün“. 42 Prozent der grünen Wähler hoffen auf eine Koalition mit der SVP.
Für die Wähler von zwei Parteien steht der „Protest gegenüber der Politik der Landesregierung“ eindeutig im Vordergrund. 78 Prozent der JWA-Wähler geben das als Hauptgrund für ihre Wahl an, 57 Prozent bei der Liste Widmann sehen das ebenso.Kompatscher & RegierungDie SVP hat durch ein deutsches Forschungsinstitut auch eine Nachwahlbefragung durchführen lassen. Daraus geht hervor, dass 47 Prozent der SVP-Wählerschaft mit der Arbeit der Landesregierung „sehr zufrieden“ ist. Von den Team K-Wählern sowie von den Grünen sind es jeweils 9 Prozent. Immerhin stimmen dem auch 6 Prozent der STF-Wähler zu.
Gefragt wurde aber auch nach einer möglichen Direktwahl des Landeshauptmannes. „Wenn Sie den Landeshauptmann von Südtirol direkt wählen können: Wen würden Sie als Landeshauptmann wählen?, lautet die Frage. Die Antwort: 44 % Prozent Arno Kompatscher, 10 Prozent Paul Köllensperger, 6 Prozent jeweils Brigitte Foppa und Sven Knoll, 5 Prozent Christian Bianchi, 4 Prozent Thomas Widmann und nur 2 Prozent Jürgen Wirth Anderlan.
38 Prozent der Menschen haben ihre Wahlentscheidung lange vor der Wahl getroffen, 37 Prozent in den letzten Wochen vor der Wahl und 20 Prozent erst in den letzten Tagen vor dem Wahlsonntag. Nur 4 Prozent haben sich überhaupt erst in der Wahlkabine entschieden.Das gesamte DokumentSchauen Sie sich die gesamte Wahlanalyse der SVP an
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Dass die SVP ihr Ergebnis in…
Dass die SVP ihr Ergebnis in den Städten und den urban geprägten Großgemeinden halten konnte, stimmt auch mit der Ausrichtung jener SVP-Kandidaten überein, die mit guten Ergebnissen in den Landtag gewählt wurden: Es sind dies Kandidaten des liberalen bzw. sozial-liberalen Flügels.
Diese sich immer mehr verstärkende Kluft zwischen Stadt und Land ist in vielen Regionen und Ländern Europas zu beobachten: In der Stadt wählt man mehrheitlich liberal, am Land mehrheitlich konservativ.
Ich dachte immer, Wahlen…
Ich dachte immer, Wahlen seien anonym.... da muss mir jemand erklären, wie man so genaue Analysen im Kommabereich machen kann.
In risposta a Ich dachte immer, Wahlen… di josef burgmann
Es handelt sich um eine…
Statistik. Es handelt sich um eine übliche Nachwahlbefragung . Wenn Sie z.B. eine Sendung zu einer Bundestags- bzw. Landtagswahl auf ARD, ZDF mitverfolgen, haben Sie es vielleicht schon selbst gemerkt. Es wird bereits kurz nach 18:00 das Ergebnis der Nachwahlbefragung als Hochrechnung eingeblendet und diese wird im Laufe des Wahlabends kontinuierlich durch reale Ergebnisse der Auszählungen ergänzt.
Bekanntlich ist die Abweichung zwischen erster Hochrechnung und amtlichem Endergebnis relativ gering.
Zur Demoskopie gehören auch Wähler-innenstromanalysen oder Kompetenzzuschreibungen je nach Listen, Zustimmungs- und Sympathiewerte zu Themen und Kandidatinnen und Kandidaten (innerhalb und außerhalb der Listen) usw.
Die Sammelpartei erodiert –…
Die Sammelpartei erodiert – bereits seit Durnwalder übrigens. Die Newcomer und Hoffnungsträger, Kompatscher und Achammer, von 2013 wollten/sollten das ändern. Die Ergebnisse sind bekannt.
Der hohen Verluste der SVP der Vergangenheit in den Städten wiederholen sich nun auch in den allermeisten Landgemeinden. Dies obgleich dort auf der Gemeindeebene oft nur die SVP vertreten ist.
Ein „Naturgesetz“ SVP zu wählen, gibt es offenbar auch dort nicht (mehr).
Normalerweise lernt man aus…
Normalerweise lernt man aus Fehler, die Svp anscheinend nicht, sie sucht die Fehler überall nur nicht bei sich selbst.
Die Svp hat verloren, da sie die Bürger des landes in den letzten 5 Jahren zu oft enttscheuscht hat, die Politiker haben sich selbst versorgt mit Rentern und Lohnerhöhungen,die nromalen Bürger wurden vergessen und verarscht. Bin überzeugt, dass diese Partei weiter sinken wird.