Radio-Qual(ität)
Als bayerischer Teenie, während der Pubertät so in den frühen Achtzigern, hörte ich immer begeistert die Lieder der Kölner Rockband „BAP“. Die Texte waren für mich, wegen des Dialekts, zwar nahezu unverständlich, aber dankenswerterweise hatte der Bandleader Wolfgang Niedecken seinerzeit die geniale Idee, die im Plattencover der LP (für die Jüngeren: das waren diese großen schwarzen Scheiben, deren Audio-Inhalte noch mittels einer Nadel abgetastet wurden) mitgelieferten Songtexte – transkribiert im „kölsche Dialett“ – durch hochdeutsche Übersetzungen handschriftlich zu ergänzen; zumindest an den Schlüsselstellen. Damals war ich wirklich ein Riesenfan von „BAP“.
Den Mix auf deren Platten fand ich seinerzeit hingegen jedoch extrem nervig, weil sich dort die Powersongs mit den - wie ich fand - einschläfernden Balladen abwechselten. Damals hatte mich das so sehr gestört, dass ich die Lieder der Band nach Gattung sortierte. Die Powersongs überspielte ich mittels Plattenspieler auf die erste Seite einer Musikkassette (für die Jüngeren: das schwarze Plastikding mit den zwei Löchern, das man mittels Bleistift vom Bandsalat heilen konnte) und auf die Rückseite dann eben die langsamen Balladen.
Auf die Vorderseite schrieb ich „Vor Uffzestonn“ und auf die Rückseite „Zum Schloofejonn“ [zum Aufstehen bzw. zum Schlafengehen] in der Annahme, dass dies wahrscheinlich ungefähr Kölner Dialekt sein könnte. Wie gesagt, ich war damals erst dreizehn Jahre alt und konnte kein Kölsch.
Mit der Musik der Kassettenvorderseite im Ohr, transportiert durch die Erfindung „Walkman“, bin ich zehn/zwölfmal in der Woche, bei Wind, Wetter, Regen und Schnee, 4 km rauf auf den Schulberg geradelt (kann sich heute sicherlich keiner mehr vorstellen), um dort in die Schule zu gehen bzw. zum Handballspieler heranzureifen. Hat mit „BAP“ (und Dire Straits) offenbar ganz gut funktioniert, denn der Schulabschluss hat geklappt und für die zweite deutsche Bundesliga hat's ja dann auch gereicht.
Damals war ich schon totaler Medienjunkie und habe alles gelesen, gehört und gesehen, was irgendwie verfügbar war. Am Nachmittag, während den Hausaufgaben, hörte ich jeden Tag „Bayern 3“ mit Thomas Gottschalk und Günther Jauch live als Duo (kann sich heute wahrscheinlich auch keiner mehr vorstellen) und am Wochenende kaufte ich mir dann als 14jähriger manchmal Springers „Welt am Sonntag“, weil ich es damals halt leider noch nicht besser wusste und schaute am Abend hin und wieder „Report“ mit Franz Alt.
Radio war jedoch schon IMMER täglich mein ständiger Begleiter, sei es bei den Hausaufgaben, dann im Auto oder noch später im Büro bzw. jetzt im eigenen Arbeitszimmer.
Meine Vorliebe zu den Angeboten der „Öffentlich Rechtlichen“ war damals auch schon unverkennbar. Das hat sich auch mit dem Umzug nach Italien nicht geändert und ich schätze hier in Italien das journalistische Angebot von „RAI Südtirol“ und natürlich auch „RAI 1-5“ sehr.
Gerne höre ich früh um sechs Uhr die Radionachrichten von „RAI-Südtirol“; jedoch nicht so sehr deshalb, um zu erfahren, wo wieder irgendjemand mit seinem Traktor umgefallen ist oder sinnloserweise von einer Lawine verschüttet wurde oder vom Berg runtergefallen ist, sondern wegen den tatsächlich wichtigen Nachrichten.
Die beiden Ebnerschen Dauergrinseroboter Winkler/Bernardi beim privaten „Südtirol 1“ habe ich mir eine kurze Zeit lang zwar auch zwanghaft mal zu Recherchezwecken angetan, aber diese aufgesetzte künstliche Fröhlichkeit erträgt sicherlich nur derjenige, dessen IQ nur knapp über dem Niveau der eigenen Körpertemperatur liegt.
Für mich blieb deshalb immer nur „RAI-Südtirol“, wenn es um journalistische Kompetenz und vor allem auch Moderatorenqualität (!) ging, erste Wahl. Und dafür bezahle ich seit über einem Jahrzehnt wirklich sehr, sehr gerne zehn Euro monatlich RAI-(Zwangs)gebühr.
Leider gelingt es mir nicht immer, sofort kurz nach den „RAI-Südtirol“ Nachrichten und dem Wetterbericht zu meinen italienischen (privaten) Lieblingssendern „Subasio“ oder „RTL102,5“ umzuschalten und komme dann bedauernswerterweise in den „Genuss“ eines wahrlich anachronistischen Musikangebotes auf „RAI-Südtirol“.
Kaum eines der Lieder ist jünger als dreißig/vierzig oder gar fünfzig/sechzig Jahre alt. Das Alter der Songs ist aber noch nicht einmal das Entscheidende. Es ist vielmehr dieser dröge, sedierende Charakter der dargebotenen Songs, die der Musikredakteur sich für sich oder evtl. auch für die Zuhörer ausgewählt hat. Eine Mischung aus Aufzugsmusik und Schlafwagenrepertoire. (Gähn, Schnarch….)
Den Musikredakteur bzw. -redakteurin kenne ich weder persönlich noch namentlich. Weiß jedoch, dass er (oder sie) seit Jahren vom Ebnerschen Koloss „Athesia“ medial massiv attackiert wird, weshalb ihm (oder ihr) zunächst einmal grundsätzlich uneingeschränkte Solidarität ausgesprochen werden sollte. Wie man aber zu solch einer einschläfernden Musikauswahl kommt, ist mir völlig unerklärlich; aber ich habe mir hierzu mittlerweile eine eigene, ziemlich kühne Theorie zusammengebastelt:
Ich vermute, dass sie (oder er) sich mit einem Tonbandgerät (das Ding mit der Kassette) heimlich in eine „Frühchen“-Station im Bozner Krankenhaus eingeschmuggelt hat, dort den Frühgeburten die zu testenden Songs vorgespielt und dabei den Ruhepuls der armen, schlafenden Würmchen monitoriert hat. Sank der Ruhepuls beim Abhören eines Songs um wenigstens zehn Schläge pro Minute ab, war das Lied bestens geeignet, um auf die Playlist von „RAI-Südtirol“ zu gelangen, weil die Zuhörer dies offenbar so wollen.
Anders kann ich es mir wirklich nicht erklären.
Frage: Hören sich die Südtiroler diese morgendliche Schlafwagenmusik nach den Nachrichten eigentlich allesamt freiwillig an oder schalten sie - so wie ich - nach dem Wetterbericht zu einem Sender, der ihnen stimulierende Power-Musik anbietet, die einen in der Früh so richtig in die Gänge bzw. auf Betriebstemperatur bringt; so wie die italienischen Radiosender dies z. B. tun?
Oder bin ich etwa evtl. in einer st./it. Mentalitätsfrage verfangen?
Meine Bitte:=>„Vor Uffzestonn.“ / „Zum Aufstehen.“ anstatt „Zum Schloofejonn“ / „Zum Schlafengehen“.
Dann schalte ich auch nicht mehr um; „RAI-Südtirol“. Versprochen!
Nicht jeder Mensch hat den
Nicht jeder Mensch hat den gleichen Musikgeschmack. Auch ich finde die Musikauswahl von RAI-Südtirol schrecklich, aber vermutlich aus den genau entgegengesetzten Gründen wie der Herr Dierstein. Jedenfalls wollen uns die Damen und Herren von RAI-Südtirol, und da gibt es keinen Zweifel, ganz bewusst den Tagesbeginn versauen. Die Lösung könnte wohl nur sein, dass man das Genre der Morgenmusik jeden Tag abwechselt. Da müsste man sich nicht mehr sechs Tage in der Woche ärgern (der Sonntag wird ja vom geschätzten Pater Urban auf eine höhere geistige und musikalische Ebene gebracht und zählt daher nicht), sondern man könnte sich mindestens an einem Tag einer gefälligen Musik erfreuen und müsste sich nur noch fünf Tage in der Woche ärgern. Das wäre doch schon ein Fortschritt.
In risposta a Nicht jeder Mensch hat den di Hartmuth Staffler
Gewisse Sprecher_innen, die
Gewisse Sprecher_innen, die in ihrem selbstverliebten Redemodus an Alexas oder Siris erinnern, sind für mich längst gratis Satire. 'Radio Wohnzimmer' ist eine meiner Lieblingssendungen.
PS: Auch die Philosophen-Runde wäre (Konjunktiv) manchmal interessant, allerdings nur heterogen durchgemischt. Habe einmal gewagt, den Sender deswegen zu kritisieren u. einen konkreten Vorschlag gemacht. Abgekürzt: mehr Schaden als Nutzen.
Sie könnten es ja mal mit Ö3
Sie könnten es ja mal mit Ö3 versuchen. Mir tut Ö3 in der Früh jedenfalls gut.
In risposta a Sie könnten es ja mal mit Ö3 di G. P.
Wir hören nur Ö1, fast
Wir hören nur Ö1, fast ausnahmslos sind alle Sendungen wirklich hörenswert.
Mein Rezept lieber Harry:
Mein Rezept lieber Harry: Morgens früh um sechs Rai Südtirol, nach den Nachrichten Radio Swiss Pop un ab 6,45h wieder Rai Südtirol. Da bleibst spannend bis 7,20h. Nachher kann ich mit Erfahrungswerten nicht mehr behilflich sein, weil bereits auf dem Radl Richtung Arbeit.
"Nicht jeder Mensch hat den
"Nicht jeder Mensch hat den gleichen Musikgeschmack" wie Hartmuth Staffler schreibt, aber viele stimmen darin überein, dass jener von RAI Südtirol grauenhaft ist. Auch ich schalte morgens nach einem Infoblock sofort um. Und oft nicht mehr zurück... Unverständlich wie zwischen Nachrichten, Morgentelefon, Vertiefungsbericht und Pressespiegel - allesamt mit aktuellen, seriösen Themen so unpassende Musikauswahl getroffen wird, noch dazu vollkommen inkohärent. Da werden von einem Lied zum anderen die Genres gewechselt, das dir nur so schwindlig wird. Bei allem Wechsel bleibt die Geschmacklosigkeit die Konstante, sogar Take That wird einem vor den Nachrichten reingerieben!