Politica | Wien - Grundrechte

Im Krematorium

Peter Kostelka war Generalsekretär des International Ombudsman Institutes. Er wurde um eine Stellungnahme zu eklatanten Verletzungen der Grundrechte bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung angefragt.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Peter Kostelka
Foto: Peter Kostelka (Foto: PVOE / Ludwig Schedl)
  • Peter Kostelka war Generalsekretär des International Ombudsman Institutes. Er war österreichischer Volksanwalt von 2001 bis 2013. Aktuell ist Peter Kostelka der Präsident des Pensionistenverbandes Österreich.

    In einer Korrespondenz wurde Peter Kostelka mit gravierenden Verletzungen der Grundrechte bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung in Österreich konfrontiert. 

    Hier das zweite Schreiben von Johannes Schütz an Peter Kostelka. Darin kann man lesen:

    Die Betroffenen erhalten keinen Zugriff auf ihren Vermögensbestand, dies über ihren Tod hinaus, denn ihre „Testierfähigkeit“ wird vom Gericht negiert, damit können von ihnen die erwünschten Erben nicht mehr bestimmt werden. Selbst eine ordentliche Bestattung und ein anständiges Grab können die Sachwalter noch verwehren. (...)
    In solchen Fällen wäre dies der gerichtlich bestellte Sachwalter, der das Begräbnis seines Opfers organisiert. Im Krematorium.

    Peter Kostelka verzichtete bis jetzt auf eine Antwort auf das zweite Schreiben.
     

    Johannes Schütz an Peter Kostelka
    über Verletzungen der Grundrechte 
    bei Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung
    (2. Schreiben an Kostelka)

    Subject: Re: Re: Anfrage für Report Sachwalterschaft
    Sent: 2024/09/01
    from: <johannes.schuetz@journalist…>
    to: <peter.kostelka@pvoe…>


    Sehr geehrter Herr Dr. Kostelka,

    Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben und die Hinweise. Doch gibt es noch weitere Aspekte beim Thema Sachwalterschaft und Erwachsenenvertretung, die ich gerne mit Ihnen in dieser Korrespondenz klären möchte.

    Gleich zu Beginn möchte ich betonen, ich bin in Kenntnis, dass aktuell der Terminus „Erwachsenenvertreter“ verwendet und dafür als Basis auf das 2. Erwachsenenschutzgesetz von 2018 verwiesen wird. Ich wähle dennoch bewusst weiterhin den Begriff „Sachwalter“, da ich belegen kann, auf der Grundlage ausführlicher Recherchen, dass im Zusammenhang mit solchen Vermögensübernahmen, trotz neuer Bezeichnungen und fortschreitender Gesetze, keine Verbesserung erzielt wurde.

    Vorfälle im Zusammenhang mit Vermögensübernahmen, gedeckt durch die Entmündigungsordnung aus dem Kriegsjahr 1916, wurden jedenfalls schon in den siebziger Jahren erkannt.  Die antiquierte Verordnung sollte durch das Sachwalterschaftsgesetz, das 1984 in Kraft trat, überholt werden, doch in der Praxis erfolgte keine Verbesserung.

    Zu wenig aufgearbeitet von Zeithistorikern wurden allerdings die Expropriationen, die in den dreißiger Jahren, also in der ersten Republik, exekutiert wurden.  Es wurden beispielsweise Vermögen und Bibliothek des Sozialphilosophen Otto Bauer übernommen, auch die Wiener Kinderfreunde wurden komplett enteignet und konnten ihre wertvolle Tätigkeit damals nicht mehr fortsetzen.

    Es ist erkennbar, dass Ihnen die Problematik bewusst ist, da Sie in Ihrem Schreiben ebenfalls den Begriff „Besachwalterter“ bevorzugen. Tatsächlich erklärten Sie dazu bereits im Jahresbericht der Volksanwaltschaft 2001:

    „auch auf dem Gebiet des Sachwalterrechtes besteht nach Ansicht der VA [Volksanwaltschaft] Handlungsbedarf“.
    (Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Jahr 2001 an den Nationalrat und den Bundesrat, Wien, 2002,   S. 113)

    Sie erklärten nun in Ihrem Schreiben:
    „kam  manchmal daraus berechtigt der Verdacht auf, dass die Vermögensverwaltung mehr den Interessen  der Erhaltung eines Vermögensbestandes dienen sollte, als der Ausgestaltung des Fortkommens des Besachwalterten“.
    (Peter Kostelka, Email an Johannes Schütz, 26. 8. 2024)

    Dazu muss ich anmerken:

    Tatsächlich geht es nicht um die „Erhaltung eines Vermögensbestandes“ des Betroffenen, wie von den Tätern behauptet wird, vielmehr übernehmen Sachwalter die gesamten Vermögenswerte nachweislich in ihren eigenen Bestand. Die Vorgangsweise muss deshalb, gemäß dem Strafgesetzbuch, als krimineller Sachverhalt beurteilt werden.

    Der gesamte Besitz wird zerschlagen, wie bei einer feindlichen Übernahme, auch persönliche Erinnerungsstücke und Dokumente gehen als sogenannte „Fahrnisse“ verloren. Mit der Vermögensübernahme wird nur das Kapital der Sachwalter gesichert. Die Organisation eines führenden Sachwalters ist diesbezüglich in Wien seit Jahren bekannt, doch erfolgen keine Ermittlungen durch die zuständigen Behörden.

    Die Betroffenen erhalten keinen Zugriff auf ihren Vermögensbestand, dies über ihren Tod hinaus, denn ihre „Testierfähigkeit“ wird vom Gericht negiert, damit können von ihnen die erwünschten Erben nicht mehr bestimmt werden.

    Selbst eine ordentliche Bestattung und ein anständiges Grab können die Sachwalter noch verwehren. Angesichts der sonstigen Vorgangsweise der Sachwalter müsste die Art der Bestattung in allen Fällen überprüft werden. Trotz der österreichischen Sterbeversicherung „Wiener Verein“, die gerne als Vorsorge für das unvermeidliche Ereignis über viele Jahre von den Betroffenen geleistet wurde, denn die gesparte Summe kann auch an die Erben ausbezahlt werden, in solchen Fällen wäre dies der gerichtlich bestellte Sachwalter, der das Begräbnis seines Opfers organisiert. Im Krematorium.

    Voll leistungsfähige Personen

    Auch sind die Betroffenen nicht grundsätzlich „Behinderte“ oder zu schwache „Krüppel“, wie fälschlicherweise notiert wird, sondern in zahlreichen Fällen voll einsatzfähige und gut motivierte Personen, deren berufliche und private Projekte beschädigt oder blockiert werden. Eventuell bleibt ihnen noch die Möglichkeit, rechtzeitig ins Ausland zu fliehen.

    Es wird sogar die gesamte Familie beschädigt, da auch die erbberechtigten Kinder, in manchen Fällen sind sie noch Schüler oder Studierende, durch die Übergriffe der Sachwalter von allen Vermögenswerten überfallsartig abgeschnitten werden. Die vorgesehene Laufbahn der Betroffenen wird somit blockiert, sogar das Fortkommen ganzer Familien mit voller Absicht ruiniert.

    Renten werden unterschlagen

    Auch Renten werden von Sachwaltern und Erwachsenenvertretern zur eigenen Bereicherung übernommen. Betroffen sind auch Bezieher von Mindestpensionen. Diese Feststellung kann jederzeit anhand von Beispielen belegt werden. Allein aus der Unterschlagung von Pensionszahlungen durch Sachwalter dürfte in den vergangenen zehn Jahren in Österreich ein Schaden von mehreren Milliarden Euro entstanden sein.

    Es macht für den Pensionistenverband Österreich doch keinen Sinn, harte Verhandlungen zu führen, für eine Erhöhung der Rentenzahlungen, wenn die Zugeständnisse dann nur den Profiten der Sachwalter dienen.

    Politische und gesellschaftliche Kontrolle der Justiz unverzichtbar

    Sie erklärten in Ihrem Schreiben:
    „entzieht sich die Tätigkeit von Richtern der Kontrolle der Volksanwaltschaft“.
    (Peter Kostelka, Email an Johannes Schütz, 26. 8. 2024)

    Doch wird nicht in allen Ländern verzichtet, die Tätigkeit der Richter zu überprüfen. Die diesbezüglichen Regelungen sind sehr unterschiedlich. Es gibt Staaten, die eine Kontrolle der Justiz durch das Ombudsman Institute vorsehen. Als Beispiel muss Schweden genannt werden, bekanntlich das erste Land in dem ein Ombudsman eingerichtet wurde, bereits 1809 als „Justitieombudsman“. Mit der ausdrücklichen Aufgabe, die Gerichte zu überwachen.

    Dies betonte auch der Europäische Bürgerbeauftragte Nikiforos Diamandouros in einem Vortrag, in dem er Rule of Law als fundamentales Prinzip betonte. Dazu zählt jedenfalls: „to supervise the courts„.

    „The functions of the institution were to supervise the courts and other public authorities, to deal with complaints from citizens, and to prosecute officials and government ministers who behaved unlawfully“.
    (P. Nikiforos Diamandouros, „The ombudsman institution and the quality of democracy“, Lecture by the European Ombudsman P. Nikiforos Diamandouros, 17. 10. 2006, www.ombudsman.europa.eu/en/speech/en/348)

    Hingegen wurde in Österreich, insbesondere in den vergangenen Jahren, ein falscher Mythos von einer „Unabhängigkeit des Richtertums“ geschaffen. Ursprünglich hatte diese Formulierung selbstverständlich eine gegensätzliche Bedeutung, die eigentlich schon in einem Proseminar für Rechtsphilosophie klar sein sollte, nämlich dass Gerichte bei der Verurteilung von Straftätern nicht in ihrer Handlungsweise eingeschränkt werden. Keinesfalls konnte daraus das Recht abgeleitet werden, Richter dürften uneingeschränkt Willkürakte und Amtsmissbrauch vollziehen, selbst unverfolgt Straftaten nach eigenem Belieben durchführen.

    Es mag sein, dass die österreichische Volksanwaltschaft, nach dem schweren Versagen in den vergangenen Jahrzehnten, nicht mehr für eine ernsthafte Überwachung der Justiz in Betracht kommt. Dann muss die gesellschaftliche Kontrolle der Richter, die unbedingt erforderlich ist, mit anderen und neuen Institutionen solide gesichert werden.

    Dokumentation der Fälle

    Einen ersten Beitrag zu diesem Thema veröffentlichte ich bereits 2017 in The European:

    Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt:
    Der Fall Österreich
    The European, 6. 6. 2017
    www.theeuropean.de/politik/der-fall-oesterreich

    Auch der Pensionistenverband Österreich (PVÖ) erhält Beschwerden über Sachwalter. Sie bedauerten, dass der PVÖ nur sehr selten wirklich hilfreich sein kann.

    Eine Dokumentation der Beschwerden und in der Folge ein umfassender Report sind dringend erforderlich. Ich bereite eine Studie zu diesem Thema vor und berücksichtige darin selbstverständlich gerne die Fälle, über die der PVÖ in Kenntnis gesetzt wurde.

    In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleibe ich

    mit freundlichen Grüßen
    Johannes Schütz

    Mag. Johannes Schütz
    Wien, Austria (derzeit im Ausland im Exil)
    Email: johannes.schuetz@journalist…
    www.journalist.tel

     

    Das Schreiben an Peter Kostelka wurde veröffentlicht im deutschen Magazin Tabula Rasa:

    Korrespondenz mit Peter Kostelka zum Thema Sachwalterschaft in Österreich
    Tabula Rasa Magazin, 5. 9. 2024
    www.tabularasamagazin.de/johannes-schuetz-korrespondenz-mit-peter-kostelka-zum-thema-sachwalterschaft-in-oesterreich

  • Links

    Peter Kostelka zur Erwachsenenvertretung
    Salto, 11. 1. 2025
    https://salto.bz/en/article/11012025/peter-kostelka-zur-erwachsenenvertretung

    Wie Österreich das International Ombudsman Institute übernahm
    Tabula Rasa Magazin, 11. 8. 2024
    www.tabularasamagazin.de/wie-oesterreich-das-international-ombudsman-institute-uebernahm