Die Mind Snatcher
-
Der 1954 erschienene Science fiction-Roman „The Body Snatchers“ (dt. „Die Körperfresser kommen“) des US-amerikanischen Autors Jack Finney handelt von einem im Weltraum herumtreibenden Samen, der auf die Erde fällt und dort zur Schote heranreift. Diese spuckt einen rohen Menschenkörper aus, der innerhalb kürzester Zeit die Form eines Menschen in unmittelbarer Nähe annimmt. Wenn der Erdenmensch einschläft, übernimmt der außerirdische Doppelgänger dessen Eigenschaften und der Erdenmensch stirbt. Die nicht infizierten Hauptprotagonisten des Romans können schwer zwischen Erdenmenschen und Doppelgängern unterscheiden. Sie sind ständig in Angst und auf der Flucht. Vordergründig handelt es sich bei den Body Snatchers um kurzweilige Science Fiction. Allerdings hat die Kritik auch Tiefergehendes hineininterpretiert. Dass es nämlich um die (damals gefürchtete) kommunistische Infiltration der USA während des Kalten Kriegs geht. Die Body Snatchers wurden auch schon mehrfach verfilmt.
Ähnlich wie im Roman von 1954 fühlt sich der Zeitgenosse des Jahres 2024, wenn er liest, dass schon 10 (!) Prozent aller wissenschaftlichen Arbeiten von sogenannten Large Language Models (LLMs), also von Künstlicher Intelligenz (KI) geschrieben werden. Im Gegensatz zur Fiktion von früher bedarf es heute keiner komplizierten biologischen Transmutation. Vielmehr schreiben ein paar schlaue Köpfe ein Programm, das entscheidende kognitive Fähigkeiten ersetzen kann. Und so begeben sich alle, einschließlich der Wissenschaftler, blindlings in die Hände Künstlicher Intelligenz. Nur 70 Jahre hat die Entwicklung vom Body Snatcher bis zum Mind Snatcher gedauert. Beim Body Snatcher konnte man, wenn es einem zu viel wurde, einfach das Buch zuschlagen. Oder das Kino verlassen. Ob das heute mit dem Mind Snatcher auch so einfach ist, kann uns wahrscheinlich nur die Künstliche Intelligenz beantworten. (Mg, 04.07.2024)