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Alles über Weihrauch

Was hat es mit diesem Weihrauch eigentlich auf sich? Warum kennen wir ihn, woher kommt er – und wozu wird er heute noch verwendet?
Tamara Seyr
Foto: Tamara Seyr
  • Weihnachten! Ja, jetzt ist sie da, die liebe Weihnachtszeit. Lichterketten brennen, die Weihnachtsmärkte öffnen ihre Tore und überall liegt der Duft von Plätzchen und Glühwein in der Luft. Aber das ist nicht überall so. Als ich neulich an der Kirche vorbeiging, hatte ich plötzlich diesen typischen Geruch von Weihrauch in der Nase. Und da stellte sich mir die Frage: Was hat es mit diesem Weihrauch eigentlich auf sich? Warum kennen wir ihn, woher kommt er – und wozu wird er heute noch verwendet? 

  • Die Autorin

    Tamara Seyr ist FNL Kräuterexpertin und Heilpraktikerin. Sie beschäftigt sich oft und auch lange (und oft auch ganz, ganz lange) mit den Kräutern und allem was dazu gehört. Das sind nicht nur die botanischen Namen, die Familienzugehörigkeit und die Inhaltsstoffe, sondern auch die Signaturenlehre.

    Ihr aktuelles Buch "Klugscheißerwissen Kräuter"

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  • Was ist Weihrauch und woher kommt er?

    Weihrauch ist ein aromatisches Harz, das aus verschiedenen Arten der Gattung Boswellia gewonnen wird und seit Jahrhunderten in Handel, Medizin und Ritualen genutzt wird. Die Bäume wachsen vor allem in trockenen Regionen wie Somalia, Äthiopien, Eritrea, Oman und Indien. Das Harz entsteht, wenn die Rinde angeritzt wird und eine Flüssigkeit austritt, die anschließend zu festen Harztränen trocknet. Diese Tränen wurden schon früh zu einem wertvollen Handelsgut, weil sie lange lagerfähig, leicht zu transportieren und vielseitig einsetzbar sind.

  • Weihrauch in Europa – Luxusgut und Tradition

    In Europa wurde Weihrauch über antike Handelsrouten bekannt. Griechische und römische Händler importierten das Harz in großen Mengen, weil es in Tempeln, bei Zeremonien und in der Medizin gefragt war. Der hohe Preis machte es zeitweise zu einem Luxusprodukt, das nur wohlhabende Haushalte und religiöse Institutionen nutzen konnten. Mit der Verbreitung christlicher Liturgien wuchs die Nachfrage zusätzlich. 

  • Kulturhistorische Bedeutung und Mythos

    Neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung hat Weihrauch auch eine kulturhistorische Dimension. In vielen Quellen wird beschrieben, dass der Rauch unangenehme Gerüche überdecken und Räume hygienischer wirken lassen konnte. In geschlossenen Räumen mit offenen Feuerstellen, vielen Menschen oder Tieren war dies ein praktischer Vorteil. Auch die Annahme, dass er die Luftqualität verbessern könne, machte ihn geschätzt – weniger spirituell, eher pragmatisch.

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  • Weihrauch als Heilmittel

    In der traditionellen Medizin hatte Weihrauch einen festen Platz, besonders in der ayurvedischen und arabischen Praxis. Pulverisierte Harze oder Extrakte wurden gegen Entzündungen, Schmerzen und Atemwegsprobleme eingesetzt. Heute weiß man, dass vor allem die Boswelliasäuren für die Wirkung verantwortlich sind. 

    Studien zeigen, dass Weihrauch bei rheumatoider Arthritis, Arthrose und entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn positive Effekte haben kann. Patienten berichten von geringerer Gelenkschwellung, weniger Schmerzen und besserer Beweglichkeit. Auch bei Asthma und Bronchitis gibt es Hinweise, dass Boswellia-Extrakte die Atemwege unterstützen. 

    Weihrauchpräparate gibt es als Kapseln, Salben oder Cremes, wobei die Qualität des Harzes entscheidend ist: Nur hochwertige, korrekt verarbeitete Boswellia-Arten enthalten genug Wirkstoffe, um Effekte zu erzielen. Trotz vielversprechender Ergebnisse ersetzt Weihrauch jedoch keine schulmedizinische Behandlung, kann aber unterstützend eingesetzt werden. 

  • Verwendung in der Praxis

    Auch im westlichen Raum findet Weihrauch als ergänzendes Heilmittel Beachtung. Anwender berichten von lindernden Effekten bei Gelenkschmerzen und einer verbesserten Beweglichkeit. Gleichzeitig wird betont, dass Herkunft und Qualität des Harzes entscheidend für den Wirkstoffgehalt sind. 

  • Räuchern mit Weihrauch

    Beim Räuchern wird Weihrauch häufig aus praktischen und ästhetischen Gründen eingesetzt. Der Duft ist warm, harzig und leicht zitronig und eignet sich gut, um Innenräume zu aromatisieren. Historisch wirkte der Rauch leicht desinfizierend und neutralisierte Gerüche. Viele Menschen nutzen ihn heute, um Räume angenehm zu gestalten oder eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. 

  • Nachhaltigkeit und moderner Handel

    Der moderne Handel steht vor Herausforderungen. In einigen Regionen werden Boswellia-Bestände überbeansprucht, weil die Bäume zu oft angeritzt werden. Nachhaltige Erntemethoden erfordern längere Regenerationszeiten und sorgfältige Pflege. Projekte in Ostafrika und im arabischen Raum versuchen, traditionelle Techniken zu bewahren und Übernutzung zu verhindern.

  • Fazit: Ein Harz mit Geschichte und Wirkung

    Weihrauch bleibt ein Rohstoff, der wirtschaftlich, medizinisch und kulturgeschichtlich relevant ist. Seine Anwendungen sind vielfältig: als aromatisches Räucherwerk, als Ausgangsstoff für pharmazeutische Präparate und als traditionelles Heilmittel. Wer also das nächste Mal über den Weihnachtsmarkt schlendert oder an einer Kirche vorbeigeht und den Duft von Weihrauch wahrnimmt, weiß nun, dass hinter diesem Harz viel mehr steckt als nur Tradition: Es ist ein Naturprodukt mit Geschichte, heilender Wirkung und einer faszinierenden Vielfalt. Vom Duft in der Luft bis zu den gesundheitsfördernden Boswelliasäuren – Weihrauch verbindet Genuss, Nutzen und Kultur auf ganz besondere Weise und macht die Weihnachtszeit noch ein Stück magischer.