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Erschnüffelte Angst

Ein Bericht zum Testverfahren mit Anti-Corona-Hunden an Schulen und welche Fragen für mich offen bleiben.
Spürhund
Foto: (c)Pixabay

„Die Hunde, die im Einsatz sind, haben eine Erfolgsquote von 95%“ – diese von Florian Zerzer, Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs, genannte Zahl bereitete mir zwei Tage lang Kopfschmerzen. Noch mehr Kopfschmerzen bereitete sie mir, als ich Studien von renommierten wissenschaftlichen Instituten las, worin diese Zahl bestätigt wurde. Ich wurde nämlich im Laufe der Initiative „Ermittlung von potentiell Covid-19 positiven Personen mittels Spürhunden“ von einer Hundeschnauze positiv „erschnüffelt“.

Begonnen hat die Geschichte am Donnerstag, den 28. Januar. Ich war wieder einmal gestresst, nicht zu spät in meine Schule, das Meraner Realgymnasium „Albert Einstein“, das ich besuche, und die Technologische Fachoberschule „Oskar von Miller“ zu gelangen. Auf dem Weg dorthin erinnerte ich mich, dass es heute soweit war, dass die Hunde an die Schule kommen und wir bezüglich Corona getestet werden.

Manche meiner Mitschüler waren bereits von den Vierbeinern verzückt. So vergingen die ersten Schulstunden und um 11 Uhr klopfte es erstmals an die Tür. Unser Schulwart stand mit einem großen Plastikbehälter, in dem sich unzählige Pappbecher mit chirurgischen Masken befanden, vor der Tür und kam in die Klasse. Wir konnten uns jeweils ein solches Behältnis schnappen und uns die neue Maske aufsetzen. Bis der Schulwart wiederkommen würde, sollten wir diese tragen und unseren Namen auf den Becher schreiben. Gesagt, getan. Zwischenzeitlich sprachen wir über das Testverfahren, da fast die gesamte Klasse teilnahm. Nur zwei Klassenkamerad*innen waren der Ansicht, dass die Hunde erst viel zu kurz trainiert worden waren. Das hat mich dazu veranlasst, mindestens in die Masken hineinzuhusten, sodass das eventuell vorhandene Virus auf jeden Fall von den Hunden erkannt werden würde. Dies tat ich auch – es wurde uns schließlich nicht verboten. Nach zehn Minuten nahmen wir die Masken ab und legten sie in die Gefäße zurück. Nach einer halben Stunde, mittlerweile der Überzeugung alle negativ getestet worden zu sein, klopfte es abermals an unserer Klassentür.

Eine Lehrperson trat ein und teilte vier von uns mit, dass die Hunde bei uns angeschlagen hatten. Ich war einer davon. Wir waren alle etwas verwirrt und ja, ein wenig Angst, das Coronavirus in uns zu tragen und andere, etwa unsere Klassenkamerad*innen, bereits angesteckt zu haben, beschäftigte uns. Ich fragte mich bereits, was nun folgen würde: Musste ich von meiner Mutter abgeholt werden und wenn dies der Fall war, wie würde ich sie schützen können. Gab es andere Möglichkeiten? Ein wenig verloren begaben wir uns in die Aula Magna unserer Schule. Dort sahen wir, wie die Hunde an den Masken schnüffelten. Insgesamt machte dies für mich einen ziemlich professionellen Eindruck, für andere war jedoch genau das Gegenteil der Fall. So standen wir zwischen Tür und Angel, neben dem offenen Eingang, frierend. Ich wurde nun aufgerufen, mich einem Antigen-Schnelltest und einem PCR-Test zu unterziehen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits drei Schnelltests, jeweils einen bei der Aktion „Südtirol testet“, bei einem Hotspot-Test und privat bei einer Pharmazeutin, hinter mir – irgendwie kam mir vor, dass das Stäbchen nicht ganz so hoch und so lange in meiner Nase zum Einsatz kam, wie gewohnt. Natürlich kann es auch sein, dass meine Aufregung meine Wahrnehmung ein wenig täuschte.

Anschließend wurde, um das Ergebnis des Antigen-Schnelltests zu verifizieren, noch ein PCR-Test durchgeführt. Ich begab mich wieder in den Eingangsbereich der Aula. Dort dachte ich mir, dass ich mit Leichtigkeit noch andere Personen anstecken könnte, wenn ich infiziert war, da ein reges Kommen und Gehen zu beobachten war. Um kein Risiko einzugehen, stand ich in einer Ecke vor einer Toilettentür und forderte meine Mitschüler auf, doch so viel Abstand wie möglich zueinander zu gewinnen. Wir wurden alle getestet, schließlich kam noch ein weiterer Schüler einer anderen Klasse. Mit diesem unguten Gefühl in der Magengrube, da ich schon von den Erfolgen der Spürhunde auf dem Flughafen von Helsinki gehört hatte, warteten wir eine gute Viertelstunde. Endlich bekamen wir fünf das Ergebnis des Schnelltests: negativ. Die Erleichterung war förmlich zu spüren. Nun wurde uns zu unserer Verwunderung kommuniziert, dass wir uns wieder in die Klasse begeben dürften. Uns wurden weder eine FFP2-Maske noch Anweisungen gegeben, wie wir uns zu verhalten haben und welche Schritte eingeleitet werden. So wussten wir nicht, ob wir uns erneut testen lassen müssen oder wie lange es dauert, bis wir das Ergebnis des PCR-Tests erfahren.

Viele Fragen schwirrten uns im Kopf herum, jedoch konnte sie keiner beantworten. Wir waren total überfordert und verhielten uns deshalb mehr oder weniger „normal“, organisierten uns jedoch FFP2-Masken, eigenständig. Von „ausgezeichneter Organisation“, die im Nachhinein vom Direktor Alois Heinrich Weis gelobt wurde, war wenig zu spüren. Ich versuchte mich nachmittags und abends im Schülerheim selbst zu isolieren, das Essen wurde mir sogar aufs Zimmer gebracht. Am nächsten Tag sollten wir wieder in die Schule, nun mit dem Wissen der Erfolgsquote 95%. Ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, dass alle vier falsch positiv getestet worden sind, unverschämt gering war. Da jedoch eine Schularbeit anstand, gingen drei von uns vieren in die Schule – es wurde uns schließlich so aufgetragen. Verstehen konnte ich es jedoch nicht. In der Klasse fühlte ich mich nicht wirklich wohl und fragte meine Mitschüler, ob es ihnen lieber wäre, wenn ich mich nachhause aufmachen würde. Aber ich dachte mir auch, warum wir als mögliche Infizierte oder gar Infektiöse froh und frei in unseren Klassen sitzen sollten, wenn der Südtiroler Sanitätsbetrieb der Wissenschaft Glauben schenkt und nicht die Ausbildung der Hunde oder die Durchführung des Tests infrage stellt? Dies konnte oder besser gesagt wollte ich nicht glauben. War also von Anfang an klar, dass diese 95%-Trefferquote bei den Südtiroler Schnüfflern unrealistisch war? Schlussendlich blieb ich doch. Da meine Eltern zufällig in Meran waren, entschied ich, nicht die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, sondern im Auto nachhause zu fahren, wobei ich zwei FFP2-Masken trug. Um eine mögliche Übertragung der Infektion auszuschließen, hielten wir dreimal an und lüfteten das Auto. Den restlichen Freitag isolierte ich mich.

Am Samstag erhielt ich ein negatives PCR-Testergebnis. Doch nicht nur ich, auch meine drei Klassenkamerad*innen. Wenn man nun glauben möchte, dass das einfach Zufall war, dann soll dies gesagt sein: Alle 19 von den Hunden detektierte und als Erfolg vermeldete „asymptomatische Fälle“ an der Schule erhielten ein negatives Ergebnis. Hingegen kam es in anderen Klassen die Tage darauf zu positiven Testergebnissen, auch wenn die Schüler von den Hunden nicht erkannt wurden. Stutzig wurde ich jedoch auch, als ich mich nochmals intensiver mit den Studien zu den Corona-Hunden beschäftigte. In keiner einzigen wissenschaftlichen Studie fand ich das Vorgehen so beschrieben, wie es hier in Südtirol stattfindet. Auch in den renommierten Wissenschaftsmagazinen wie „nature“ stand immer nur die Erfolgsquote von über 90%, wenn von den zu Testenden Schweißproben entnommen wurden. Es wurden zwar einige Studien auch mit „getragenen“ Masken und „getragener“ Kleidung durchgeführt. Diese wurden jedoch nie einem Peer-Review unterzogen, also einer Qualitätssicherung durch unabhängige Experten aus dem gleichen Fachgebiet. Auf ihnen ist sogar offenkundig vermerkt, dass vor dieser Qualitätssicherung die Daten nicht als schlüssig und bestätigt behandelt werden und nicht in Praxis angewandt werden sollten. Unklar ist auch, ob andere Quellen für eine ähnliche Zusammensetzung flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) verantworlich sein könnten. Denn diese oder die Abweichung von der Zusammensetzung der Ausdünstungen einer gesunden Person stehen im Verdacht von den Hunden erschnüffelt zu werden. Natürlich bin ich mir nicht sicher, ob das ausschlaggebend ist. Vielleicht lag dem Sanitätsbetrieb ein solches Dokument vor. Die internationale Wissenschaft hat zumindest noch keine überprüfte Antwort darauf. Jedoch sollte man sich als landesweite instrumentelle Körperschaft meiner Meinung nach zumindest die Mühe machen, sich ernsthaft über einen Sachverhalt zu informieren und für jeden ersichtlich gesicherte internationale Forschungsarbeit als Grundlage seines Handelns akzeptieren, bevor man 150.000 Euro ausgibt.

Nun, welches Ende nimmt diese Geschichte? Herausgefunden habe ich dies in den letzten Tagen, da ich einer ominösen SMS des Südtiroler Sanitätsbetriebes gefolgt bin, die mir „hiermit […] den Termin […] um 16.00 Uhr für den Patienten geboren im Jahr 2002, zur Inanspruchnahme der Leistung im DRIVE-IN in Schlanders“ bestätigte. Gut, dass ich nicht verhindert war und mir durch den Kontakt mit anderen „Erschnüffelten“ zusammenreimen konnte, welche Leistung ich in Anspruch nehmen durfte. Fraglich ist jedoch, ob der Termin verpflichtend war und warum ich einen PCR-Test durchführen musste. Sollte nach einer Woche nicht eigentlich Covid-19 ausgebrochen sein und so aufgrund der hohen Viruslast auch ein Antigen-Schnelltest ausreichen? Wäre es nicht eher angebracht, die Kapazitäten der PCR-Tests sinnvoller zu nutzen? Wider allen Erwartens konnte das Coronavirus nicht in meinem Körper nachgewiesen werden. Wäre ich positiv gewesen, hätte sich durch mich die epidemische Lage höchstwahrscheinlich nicht gerade verbessert. Doch zum Glück war dies nicht der Fall und die angenommenen 95% erfreulicherweise eine zu geringe Prozentzahl, um mich in Quarantäne zu schicken. So schließe ich jedenfalls den Worten von Herrn Weis an und „wünsche dem Team [von „Molecular Dog“ unter der Leitung von Christian Romen] weiterhin viel Erfolg beim Training mit den Hunden“.

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Elisabeth Hammer Mer, 02/10/2021 - 14:06

Ein Dank an Mathias Steiner für den Bericht von der Basis. Als Schüler die Zivilcourage aufzubringen, sich gegen die Worte des Direktors der Schule ("perfekte Organisation") zu äußern, ist nicht selbstverständlich. Kritische Schüler, die sich trauen, in einem stets freundlichen, aber bestimmten Ton zu sagen, was zu sagen ist, machen mich zuversichtlich. Duckmäuser haben wir schon genug. Bezeichnend auch, dass sich in der derzeitigen Diskussion um die Intensivbetten kaum aktiv im Dienst stehende Kollegen zu Wort melden. Es scheint fast so, als dürften sie öffentlich keine Meinung äußern.

Mer, 02/10/2021 - 14:06 Collegamento permanente
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Günther Schwei… Mer, 02/10/2021 - 16:38

Vielen Dank Herr Steiner, für den Mut, Ihre Geschichte mit uns zu teilen!
Der Bericht zeigt auf, wie planlos man immer noch unterwegs ist.
Solange man bei Verdachtsfällen so unbedarft mit den Quarantänebestimmungen umgeht, wird das nichts werden.
Und den Antigen-Schnelltest kann man sich auch schenken.
Dafür wäre neben dem PCR-Test auch ein Antikörper-Test notwendig, weil die Hunde möglicherweise auch noch lange nach einer durchgemachten Infektion ansprechen.

Mer, 02/10/2021 - 16:38 Collegamento permanente
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Nadine Laqua Mer, 02/10/2021 - 23:17

@ Mathias Steiner: sie schreiben, dass ihre Eltern sie im Auto nach Hause gebracht haben und sie sich dann isolierten. Waren ihre Eltern und Klassenkameraden als Kontaktpersonen 1. Grades in Quarantäne? Oder konnte das ihre Familie selbst entscheiden und durch "2 Masken", "Auto 3mal lüften" oder "Selbstisolation" nach eigenem Gutdünken eigenverantwortlich handeln?
Ich frage natürlich nicht ohne Grund, denn Quarantäne-Regeln werden in Südtirol, so durfte ich es in den letzten Tagen lernen, nicht für jedermann identisch ausgelegt und angeordnet.

Mer, 02/10/2021 - 23:17 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Gio, 02/11/2021 - 05:21

Wie gut, dass Mathias Steiner ein Betriebspraktikum bei salto.bz macht. Nur so sind wir in den "Genuss" dieses Beitrags gekommen. Er stimmt mit dem überein, was mir mit einem Schnelltest passiert ist und was wahrscheinlich mit hunderten von durchgeführten Tests geschieht. Sie liefern falsche Ergebnisse. So wie die Spürhunde auch. Nur sind diese Zahlen leider die Basis für die Alarmstimmung in der Sanität und folglich für die Entscheidungen der Landesregierung. Auch für das Kategorisieren der EU und Südtirol wird dunkelrot. Dadurch ist die Wirtschaft im Eimer, die Bevölkerung gestraft und irritiert und niemand weiß mehr, was eigentlich abläuft. Umso mehr als namhafte Experten den Mut haben, genau das Gegenteil von dem zu behaupten, was ganz Europa im Einklang mit den Pharmakonzernen hinausposaunt wird. Massentest, Herdenimmunität. alles wie gehabt und alles für die Katz. Sogar bei den Intensivbetten, wo wir wirklich im Zentrum der Pandemie sind, herrscht Widersprüchlichkeit. Man meldet falsche Kapazitäten nach Rom, um den Belegungsindex zu erhöhen. Man hat zwar die Betten, in denen man den Sommer "verschlafen" hat, aber es fehlt das qualifizierte Personal.
Die Sache ist ganz einfach. Eine Sanität, die in Normalzeiten 150 Tage Wartezeit für eine Behandlung zustande bringt, wird in Krisenzeiten nichts anderes an den Tag legen, als das, was wir seit einem Jahr erleben und erleiden müssen. Umso mehr Hut ab vor einem Personal, das unter solcher Führung unmenschliches leistet und den Karren aus reinem Pflichtbewusstsein und Menschlichkeit weiterzieht. Das wird jeder, der mit einer Intensivstation in Berührung kam. bestätigen. Wie mager fällt dagegen die Bilanz des Sanitätsmanagements und der Landesregierung aus.

Gio, 02/11/2021 - 05:21 Collegamento permanente