Cultura | Hof ohne Männer

"Ich weiß nicht mehr was anfangen"

Den Frauenalltag im Ersten Weltkrieg, als die Männer Kriegs- und Soldatengeschichte schrieben, zeigt eine Ausstellung im Volkskundemuseum Dietenheim.

Wie haben die Frauen im ländlichen Tirol die Zeit des Ersten Weltkriegs erlebt? In den Jahren zwischen 1914 und 1918 wurden sämtliche wehrfähigen Männer eingezogen, und so lagen der Fortbestand vieler Bauernhöfe und die Verantwortung für das Überleben der Familie in den Händen der Frauen. Kinder, Halbwüchsige und ältere Menschen waren zudem zu versorgen bzw. wenn möglich in die tägliche Arbeit auf Feld und Hof einzuspannen. Die Frauen mussten von "heute auf morgen" die bäuerliche Wirtschaft meistern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Arbeitsweise und Ausstattung mit mechanischen Hilfsmitteln in keiner Weise vergleichbar war mit den Produktionsbedingungen späterer Jahre. 

Die Ausstellung "Höfe ohne Männer" im Volkskundemuseum Dietenheim spannt einen weiten Bogen in der Schilderung dieser „daheimgebliebenen“ Frauen, zeigt die teilweise katastrophalen Lebensbedingungen und die im Lauf der Kriegsjahre ärger werdenden Belastungen auf. Die Themenbereiche vertiefen die Tiroler Landwirtschaft vor Ausbruch des Krieges, die Situation der Frauen im Tirol während der Kriegszeit, die Darstellung der Bäuerinnen in der Tiroler Presse, die Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft, geben aber auch tiefe, persönliche Eindrücke aus der Zeit. So etwa in den Aufzeichnungen und Erinnerungen der Dorfbewohner von Reinswald im Sarntal, der Briefkorrespondenz zweier Freundinnen – Maria und Antonie - zwischen Innsbruck und Lüsen, oder am Beispiel der aufbewahrten Feldpost zweier Eheleute aus Trens, Maria und Alois R.

 

Liebe Maria! Aus deinem Brief habe ich gesehen das ihr es gar gerne sehen thät, wen ich einmahl hinauf käme, du darfst aber nicht glauben, weil ich nicht komme, das ich etwa nicht gerne heimge, im Gegentheil, du wirst von früher gut wissen das ich nirgens lieber war als daheim bei den Kindern und bei dir.

So schrieb Alois, Standschütze im Bataillon Sterzing am 22. Juni 1915 an seine Frau Maria. Die beiden schrieben einander 3 Jahre lang, bis zum Frühjahr 1918; in den Briefen kamen Sorge und Verzweiflung zum Ausdruck, aber auch Ratschläge und Anweisungen, wie die Frau den Hof, die vier gemeinsamen Kinder, die Altbäuerin und die Schwester des Bauern versorgen und weiterbringen könne.

Aus der verbliebenen Feldpostkorrespondenz sowie dem „Aufschreibbuch“, einer Familien- und Hofchronik, hat die Kuratorin der Ausstellung, Brigitte Strauß, die Geschichte des Ehepaares während der Kriegszeit rekonstruiert. Sehr vieles lässt sich daraus erschließen: Dass etwa das Briefeschreiben durch die räumliche Trennung auch dort Usus wurde, wo dies nicht üblich war. Dass aber vor allem auch Maria das Schreiben forderte und sie neben der vielen harten Arbeit am Hof „nicht leicht Zeit“ hatte, sich hinzusetzen und brieflich mit ihrem Mann zu korrespondieren.

So wie ihr erging es unzähligen Tiroler Bäuerinnen, die in den Kriegsjahren durch die Mobilmachung der Männer zu einer unglaublichen Arbeitsleistung gezwungen wurden. 1914 wurden allein 85.000 Tiroler Soldaten einberufen, ein Drittel der 1910 in der Landwirtschaft beschäftigten Männer.

Frauen und Kinder beim Pflügen, wahrscheinlich im Pustertal. Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv WK1, Tirol Nr. 2304

 

Abhilfe gab es kaum, junge, nicht wehrpflichtige Burschen, älteres Gesinde und Verwandte, vor allem aber auch die Kriegsgefangenen halfen die Arbeitslast am Hof zu tragen. Auch davon spricht die Ausstellung, wie etwa ab 1916 vor allem russische Zwangsarbeiter für Entwässerungsarbeiten, Wildbachverbauungen, aber auch zum Arbeitseinsatz auf den Höfen im nördlichen und südlichen Tirol herangezogen wurden. Dringlichst gebraucht, doch wurden diese „Ausländer“ beargwöhnt, und Kirchenmänner sowie lokale Medien warnten vor einem zuviel an Nähe zwischen Einheimischen, vor allem Frauen, und diesen Subjekten. Den Frauen wurde es angekreidet, wenn es zu näheren Beziehungen kam, man beschimpfte sie als leichtsinnige und schamlose Geschöpfe.

In der Ausstellung ist der Fall der Christina R. aus St. Peter im Ahrntal geschildert, die sich in einen russischen Kriegsgefangenen verliebt hatte und ein Kind von ihm erwartete. Sie wurde deswegen zu einer 4-wöchigen Freiheitsstrafe verurteilt und verlor ihren Arbeitsplatz.

„Höfe ohne Männer“ im Volkskundemuseum Dietenheim zeigt die kaum rezipierte und dokumentierte Geschichte von Frauen in einer Ausnahmesituation, Kriegs- und Politikhistorie aus einem völlig anderen Blickwinkel. In über 40 Interviews und Gesprächen, die man als Audiodateien hören kann, kommen Zeitzeugen zu Wort. Etwas schade, dass die Ausstellung auf so kleinem Raum abgehandelt wird, für das Zuhören wäre eine intimere Atmosphäre durchaus passend gewesen. Die Geschichten des Frauenalltags im Ersten Weltkrieg kann man auch in einem Begleitband nachlesen, herausgegeben vom Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde.

Die Ausstellung bleibt bis 31. Oktober 2015 geöffnet.