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Freche Flöterei

Die französische Flötistin Fanny Martin und die restlichen Bühnenmusiker von "Jet Whistle" sorgten gestern für ein wildes Konzert im Bozner Kapuzinerpark. Merci.
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Foto: SALTO
  • Im Hof des Kapuzinerparks in Bozen hat das Südtirol Jazz Festival sein Basislager aufgeschlagen. Angenehm gestaltet sind dort während des Festivalzeitraums immer wieder illustre Gäste geladen. So auch gestern. Auf der Bühne tobte das Quintett Jet Whistle aus Frankreich und belustigte mit einem atemberaubenden Antrieb auch die lokale Schickeria rund um einen Sponsor des Festivals, der unlängst wie viele andere mit kapitalistisch gefährlichem Größenwahn in die missliche (Mause-)Falle des galanten Verbrechers Renè Benko und seinen prahlerischen Bozen-Ambitionen getappt war. Was lag also näher als ein flottes Flötenkonzert, im Style des legendären Rattenfängers von Hameln? 
    Den Raten-fängern(!) von Hager (& Partner) hat die Festivalleitung Jet Whistle gegenübergestellt, eine Gruppe aus Lyon, die seit geraumer Zeit von sich reden macht. Im Unterschied zu Benko nur positiv.

  • Fanny Martin: Flötet frei wie ein Vogel. Und kongenial im Quintett. Foto: SALTO
  • Im Zentrum der Bühnenshow steht Fanny Martin. Zur Hälfte als Harlekin gekleidet, verzaubert sie die Ratten und Mäuse im Publikum, spielt sie in Trance und es gelingt ihr sogar irgendwann die Verrücktheit, dem hörigen Publikum anarchisch eine einfache Melodie vorzugeben. Es wird leise mitgemacht, während sie – die Rattenfängerin aus Lyon – mit ihrem Instrument die Menschenmenge einsackt, wie ein Bauer seine Kartoffeln. 
     

    Gemeinsam bilden sie den individual-anarchistischen Klangteppich zwischen Himmel und Hölle, auf dem Querflöte und Posaune dahinfliegen.


    Es geht wild her auf der Bühne. Fanny Martin saust auf ihrem Instrument hin und her, findet die windigsten Höhen und Tiefen der Querflöte und reizt sie aus. Im diabolischen Kleid taucht sie immer wieder als Höllenfigur im Kapuzinerpark auf oder wechselt im nächsten Moment zu einem durch und durch mit viel Sanftheit angefüllten Engel auf Erden. So geht es dahin, quirlig und schräg, von Free Jazz bis Fusion, mit Soundeffekten, elektronischen Atmosphären, die viel Raum für Improvisation der Musikerin und ihre ausgezeichneten musikalischen Begleiter lassen. Der Abend ist gelungener Beleg für wahre Spielfreiheit, die Freude macht.

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  • An der Seite von Fanny Martin und ihrer Querflöte posaunt der junge Jules Regard, der Ruhepol der stürmischen Combo. Aus der Defensive heraus spielt er im feinen Duett mit Martin, blitzt regelmäßig mit Solopassagen brillant auf und zieht sich dann wieder zurück wie ein Maulwurf in seinen Hügel. Meisterhaft begleiten auch Adlane Aliouche am Keyboard und Klavier, Elvin Mikaelian am Schlagzeug und Paolo Rezze am Bass. Gemeinsam bilden sie den individual-anarchistischen Klangteppich zwischen Himmel und Hölle, auf dem Querflöte und Posaune dahinfliegen.

  • Foto: SALTO
  • Max Richter, Hip Hop, Punk oder Pierre Boulez. Für die brachial-geniale Mischung fischen die fünf Freunde aus Lyon in vielen Gewässern. Bisher überaus erfolgreich. So zügellos Jet Whistle auch daherkommen mögen, die Zügel hält Komponistin und Flötistin Fanny Martin fest an ihren flinken Fingern, wie Querflöte und Publikum. 
    Es war mitunter der laute Hauch ihrer Flöte, der dieses 36. Konzert mit einer grandiosen Leistung von Jet Whistle beim Südtirol Jazz Festival stimmig zu Ende brachte. Mit einem fulminanten Endspurt geht demnächst auch die diesjährige Festivalausgabe zu Ende. Bis es allerdings so weit ist, bieten sich bis einschließlich Sonntag noch ein Dutzend jazzige Konzerterlebnisse.

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