Società | Sanitätsreform

Vom Maulkorb zu „Wir sind das Volk“

Ein Bild der Hilflosigkeit und des politischen Versagens.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Eine (Sanitäts)Reform ist immer und unter allen Umständen sehr schwer zu verdauen. Für alle Beteiligten: PolitikerInnen, BürgerInnen und Gesundheitspersonal. Aber was denkt denn eigentlich das Personal (Ärzte, KrankenpflegerInnen und Verwaltungspersonal)? Natürlich sind nicht alle in sanitätspolitischen Fragen kompetent, aber sie könnten von ihren Herausforderungen und ihrem Alltag berichten. Die Bürger könnten dann über (Teil)Zahlen erfahren und über, mit Interessenskonflikt behaftete Einschätzungen diskutieren. Steckt hinter Fabis Maulkorbedikt vor einer angekündigten Sanitätsreform etwa eine Strategie, oder nur maßlose Arroganz? Ein Zeichen der Schwäche?

In allen Medien (auch auf salto.bz) hören und lesen wir fast ausschließlich nur von empörten Bürgern und populistischen Politikern. Der Obmann des SVP-Bezirks Pustertal, Albert Wurzer, ist einer der vielen, die in 5 Jahren nicht einmal mitbekommen haben, dass die beiden Chirurgieabteilungen im Bozner Krankenhaus zusammengelegt und die Dayhospital-Eingriffe ausgeweitet wurden. Von wem lassen wir uns, bitte, vertreten?! Es wurden mindestens 5 Chirurgenverträge eingespart und viel gestritten. Das Ergebnis ist die eindeutige Rationalisierung und gleichzeitige organisatorische Verbesserung des Dienstes für alle. Lest bitte nach: In allen Zeitungen wurden Angst und ethnische Hetze betrieben. Und heute? Gibt es allen Ernstes noch Personen, die diese Zusammenlegung kritisieren? Nein, gibt es nicht. Also sind Reformen, die frühzeitig und mit Hirn betrieben werden, gar eine Chance? Eindeutig ja!

Und genau um diesen Aspekt geht es mir in diesem Beitrag. Braucht Südtirol eine Sanitätsreform? Darüber besteht in unserem ärztlichen Milieu kein Zweifel. Alle wollen EINE Reform. Aber welche? Und wer arbeitet diese aus? Die Politik muss diese entscheiden, das muss wohl so sein. Aber was soll denn diese Geheimniskrämerei? Die Ärzte, geschweige denn die BürgerInnen, wissen nicht, wer in diesen Arbeitsgruppen zur Reform arbeitet. Niemand kennt die Ernennungskriterien. Und wieder die Frage: Sind die eigentlich kompetent? Und daraus ergibt sich das eigentliche Grundübel des Südtiroler Systems, das zu Zeiten Durnwalders in den absolutistischen Exzess getrieben wurde: die politische Interferenz in Sachbereiche.

Zugegeben, diese notwendige Sanitätsreform, die von ex-Sanitätsassessor Theiner vollkommen verschlafen wurde (einer der Hauptschuldigen in diesem Prozess), ist für Südtirol ein sehr schlüpfriges Terrain. Sämtliche Vorurteile der Südtiroler Gesellschaft stehen sich gegenüber: Land gegen Stadt (das alte Peripherie-Zentrum), natürlich italienisch-deutsch, Autochton-Ausländer, Privat-Öffentlich. Dabei entstehen Verunsicherung und Neid.

Und das ist vollkommen nachvollziehbar, wenn man nur über Kürzungen spricht und nicht über neue Wege. Niemand kann ernsthaft daran glauben, dass die Qualität in Innichen gleich bleiben wird, wenn man alles zusammenkürzt. Das hieße im Umkehrschluss, die Kollegen hätten in den letzten 10 Jahren nichts geleistet oder weniger milde ausgedrückt, das Geld verschissen. Für das Gesamtergebnis sind die Vernetzung der Systeme, die Gestaltung der Schnittstellen und die Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Veränderungen maßgeblich. Wie wollen unsere Experten der ominösen Arbeitsgruppen die Bürger in Innichen betreuen? Was passiert zum Beispiel mit Frauen, deren Schwangerschaft in Innichen ambulant betreut wurde, und welche Informationen erhalten sie kurz vor der Entbindung? Welche Transportmöglichkeiten werden für die verschiedenen klinischen Gegebenheiten angeboten? Möchte man Hausgeburten logistisch und medizinisch unterstützen? Sind die Abteilungen und deren Umfeld in Bruneck vorbereitet? Gibt es für die Familien flexible Stützpunkte oder Erleichterungen?

Fragen über Fragen, und keine einzige Antwort. Wie soll da, bitte, nicht Verunsicherung entstehen? Warum sollten sich die Bürgerinnen nicht ärgern, nachdem sie bei den letzten Wahlen belogen wurden? Noch klarer ausgedrückt: Warum sollte man Martha Stocker und der SVP überhaupt noch glauben? Und was sagt die Opposition? Sie traut sich auch nicht klare und sachliche Aussagen zum Thema zu treffen, natürlich mit Ausnahme der üblichen Opportunisten, die unter der Fahne „wir sind das Volk“ so ziemlich alles verwässern. Es genügt heute nicht mehr, den Kopf in den Sand zu stecken und fordern, alles soll gleich bleiben und es sei alles Schuld der Stadtler, Altmandatare oder der ausländischen Sozialschmarotzer. Das ist zu einfach, liebes Volk!

Jetzt wäre es wichtig, transparente Informationsarbeit zu leisten und Diskussion zuzulassen. Auch unter diesem Artikel könnten Vertreter des Sanitätspersonals Gedankenanstöße, Zahlen und Vorschläge mit den Bürgern teilen – benutzt gegegebenenfalls doch ein Pseudonym! Viel Spaß!

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Oskar Egger Lun, 10/06/2014 - 15:55

Die erste Frage, die ich stelle, ist ähnlich der von den "iene" in ihrer show schon oft in südlichen Gebieten unseres Stiefels gestellten: was wird mit den (bei uns) sündteuern Gebäuden, Abteilungen, Einrichtungen (z.B.Hubschrauberlandesplatz in Schlanders)?? Wird der Steuerzahler entschädigt? Nur ein Beispiel: die Einrichtung des Seniorenheims Zarenbrunn (an Russland verschenkt) wurde bei einem Flohmarkt (sic!) verkauft. Ist das nicht eigentlich ein nächster Skandal? Auch die Tatsache, dass auf die Gemeinderatswahlen gewartet wird. Coda di paglia???

Lun, 10/06/2014 - 15:55 Collegamento permanente