Aufwertung statt Abwertung
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SALTO: Sie kümmern sich seit drei Jahrzehnten um die Gewerkschaftsarbeit innerhalb des Landesbetriebs und vertreten die öffentlich Bediensteten. Wie sind Sie damals Gewerkschafterin geworden? Oder sind Sie da einfach zufällig hineingerutscht?
Ulli Bauhofer: Ja, zufällig hineingerutscht. Ehrlich gesagt: ganz zufällig. Damals war eine der Gewerkschaftsdelegierten nicht mehr bereit, weiterzumachen, und hat mich gefragt, ob ich übernehmen würde. Ich habe interessiert zugesagt.
Wo haben Sie vorher gearbeitet?
Ich war eine Angestellte des Landes – das bin ich juridisch gesehen immer noch. Ich bin aber für die Gewerkschaftsarbeit freigestellt, mein Gehalt beziehe ich vom Land. Ich bin damals in einen einheitlichen Delegiertenrat eingestiegen. Das war eine gemeinsame Gewerkschaft für die Landesbediensteten, weil AGB/CGIL, SGB CISL und UIL-SGK allein nicht genug Mitglieder hatten, um eine Freistellung zu erhalten. Deshalb haben sie sich zusammengeschlossen. Ich wurde gewählt, als der damalige Koordinator, Hubert Sparer, wieder zurück in den Landesbetrieb ging.
Landeshauptmann Kompatscher kann zwar gut reden, aber ich bin doch sehr enttäuscht.
Und diese Rolle hatten Sie bis jetzt inne?Ja, ich war praktisch für alles zuständig, was das Land betrifft, weil das natürlich meine Herkunftskörperschaft ist. Und ich habe mich eingearbeitet, denn das Land ist eine schwierige Körperschaft – schwierig für die Gewerkschaften, Mitglieder zu gewinnen. Wir sind fünf Gewerkschaften, leider sind die Landesangestellten nicht so leicht zu überzeugen, einer Gewerkschaft beizutreten. Stark sind wir allerdings im Bildungsbereich.
Sie engagieren sich gewerkschaftlich für Landtag und Landesverwaltung?
Das sind zwei verschiedene Körperschaften. Der Landtag ist wie das Parlament in Rom – eine eigene Institution. Die Landesverwaltung hingegen umfasst enorm viele Bereiche: Straßendienst, Feuerwehr, Kindergarten, Integration, Berufsschulen, Verwaltung im engeren Sinn – da ist alles dabei.
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Auf dem richtigen Weg bleiben: Reale Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung für alle Beschäftigten, Investitionen in Ausbildung und Qualifizierung, Aufwertung statt Abwertung, ein tatsächlicher Inflationsausgleich, bessere Arbeitsbedingungen für einen attraktiveren öffentlichen Dienst. Foto: SALTO/HMWarum sind so wenige Bedienstete der Landesverwaltung Mitglied in der Gewerkschaft, der Sie nun vorstehen? Hat die Gewerkschaft ein Imageproblem?
Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, es ist eher eine historische Entwicklung. In der Landesverwaltung gibt es noch nicht so lange Kollektivverträge – erst seit Anfang der 1990er-Jahre. Vorher lief alles über Dekrete des Landeshauptmanns.
Ich denke, es hat mit der Nähe zur Politik zu tun. Die Landesangestellten – außer im Bildungsbereich – stehen der Politik sehr nahe, und das hat immer Einfluss gehabt. Jetzt ändert sich das etwas. Die Politik hat sich verändert, auch die Menschen, die Politik machen. Vielleicht sind sie nicht mehr so nahbar wie früher. Eine andere Generation eben. Inzwischen merken viele: Ohne Gewerkschaften geht nichts. Wir verdienen auch weniger. Früher war man als öffentlicher Bediensteter gut bezahlt – heute ist das nicht mehr so.Inwieweit können Sie als Landesbedienstete Kritik äußern?
Wir Gewerkschaften kämpfen ständig dafür, dass wir zumindest die Inflationsanpassung bekommen, die uns zusteht. Auch wenn die Inflationsanpassung eigentlich nur den Kaufkraftverlust ausgleicht – sie bringt uns nicht wirklich weiter. Es ist keine echte Lohnerhöhung, die wir aber im öffentlichen Dienst dringend bräuchten. Es gibt dafür kein Geld!
Südtirol hat sehr viele öffentliche Bedienstete: Mit den Staatslehrerinnen und Staatslehrern sind wir 50.000 Menschen bei 500.000 Einwohnern – ein richtiges Heer. Das kostet viel. Trotzdem muss das Thema angegangen werden. Wir leiden alle unter einem langen Verhandlungsstopp von 2010 bis 2015. Erst 2016 haben wir wieder angefangen. Alles hat sich nur langsam eingependelt. Die Politik ist ständig in Verspätung. Wir haben jetzt Ende 2025, und erst jetzt haben wir die strukturelle Anpassung für 2022–2024 erhalten.
Ich glaube, das eigentliche Problem ist, dass der Arbeitgeber nie wirklich hinter den Landesangestellten gestanden hat, sondern sie oft eher dem Messer ausgesetzt hat.
Niveauloses Schönreden: "Ähnlich ist die Situation in der Sanität und in der Pflege. Der Pflegenotstand war absehbar. Und er betrifft uns alle." Foto: LPA/Fabio BruccoleriDa hinkt die Politik extrem hinterher. Unglaublich. Gleichzeitig redet man viel über Investitionen in die Zukunft. Warum investiert man nicht in die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
Für den Bildungsbereich hat die Politik nun Geld auf den Tisch gelegt – und zwar nicht inflationsbedingt, sondern das sind echte Lohnerhöhungen. Jetzt muss man aber schauen, was unterm Strich herauskommt. Die Politik spricht von 400 Euro brutto für alle im Bildungsbereich. Aber wir müssen erst prüfen, ob die Rechnung stimmt.
Die Landesregierung hat auf stur geschaltet. Und solange die Lehrpersonen protestieren, bewegt sich nichts. Wir als Fachgewerkschaften im öffentlichen Dienst vertreten die Integrationsmitarbeiterinnen, den Kindergarten und die Berufs-und Musikschullehrer. Wir haben gefordert, den Fonds aufzuteilen und in unseren Bereichen weiterzuarbeiten, weil unsere Leute nicht protestieren. Aber wir haben bis heute keine Antwort bekommen. Jetzt müssen wir wohl erneut intervenieren – und wenn nötig an die Medien gehen. Irgendwann muss die Politik sich bekennen. Wir werden alle in einen Topf geworfen, obwohl über die Bediensteten in den Landesschulen nie gesprochen wird. Da gibt es viel zu tun.Wie gehen Sie als erfahrene Gewerkschafterin damit um, wenn alle auf stur schalten?
Der Lehrerprotest zeigt, dass sich viele Lehrer von uns Gewerkschaften nicht mehr vertreten fühlen. Es sind Initiativgruppen – das ist auch für Gewerkschaften ein Problem. Wenn die Menschen sich nicht mehr vertreten fühlen, haben wir ein Problem. Dann können wir auch nichts steuern.
Ein ähnliches Problem hatten wir schon im Kindergartenbereich – das haben wir gelöst, aber es war heftig. Was viele nicht wissen: wie schwierig es an den Verhandlungstischen ist, Kompromisse zu finden, bei denen niemand das Gesicht verliert. Eine weitere Schwierigkeit: Wenn die Politik sagt: „Das ist das Geld, mehr gibt es nicht.“ Bei uns waren es damals 825 Millionen. Dann hieß es: „Kein Euro mehr.“ Fünf Monate später waren 330 Millionen für den Bildungsbereich da. So kann es nicht funktionieren. Man kann nicht sagen: „Wir haben alles ausgeschöpft“, und ein halbes Jahr später gibt es für ein Drittel der Leute zusätzliche Millionen.
Wir wollen dieses Geld endlich in die Realität umgesetzt sehen. Die Lehrpersonen sagen seit Jahren, dass sie unterbezahlt sind, dass die Arbeitsbedingungen schlechter werden, dass viele ohne Zugangsvoraussetzungen arbeiten, weil man keine ausgebildeten Lehrpersonen mehr findet. Ein Hilferuf, der seit Jahren besteht. Und Geld gab es am Ende erst, nachdem sich die Proteste nicht nur auf Schülerinnen und Schüler, sondern auch auf Museen, Theater und Vereine ausgeweitet haben.Klar, wir haben nicht immer eine Antwort oder Lösung. Aber wichtig ist, dass sich auf der Verhandlungsebene wirklich etwas tut. Wir werden oft nicht ernst genommen.
Düstere Aussichten für Landesbedienstete: Mega-Landeshaushalt vs. Mega-Ungerechtigkeit Foto: SeehauserfotoEs gibt seit jeher klischeehafte Vorurteile gegen Landesbedienstete. Wie kann man gewerkschaftlich gegensteuern, um Wertschätzung zu schaffen?
Das ist ein großes Problem. Bei den Lehrpersonen ist es ein gesellschaftliches Problem. Ihnen wurde enorm viel aufgebürdet, für das sie gar nicht zuständig sind. Sie sollen Wissen vermitteln und haben einen erzieherischen Auftrag – doch mit den seit jeher gleichen Ressourcen ist das nicht zu stemmen. Und wenn sie die Probleme nicht lösen können, folgt der öffentliche Aufschrei. Das kann es nicht sein.
Ähnlich in der Sanität und in der Pflege. Der Pflegenotstand war absehbar. Und er betrifft uns alle.Warum geht die Politik diese Themen nicht wirklich an?
Sie ist immer zu spät dran.
Die Antworten bleiben immer vage.
Nicht in allen Dingen… Tourismus, Straßenbau und so weiter – da läuft es…Stimmt. Aber ich glaube, dass im Landtag vor allem die Lobbys mitregieren. Und wer keine Lobby hat, sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das muss man klar sagen. Die Lobbys – Bauernbund, HGV, LVH – bestimmen mit.
Aber die Menschen in Südtirol wählen die Lobbys mit…
Ja, aber die Verteilung ist nicht richtig. Wir haben einen riesigen Landeshaushalt. Und niemand blickt durch. Wir blicken da auch nicht durch und es fehlt die Transparenz. Das hat mich beim Geld für den Bildungsbereich schon verärgert. Einerseits bin ich froh darüber, andererseits zeigt es, wie uns politisch etwas vorgemacht wird. Landeshauptmann Kompatscher kann zwar gut reden, aber ich bin doch sehr enttäuscht.
Wir vertreten die Verwaltungsangestellten, die auch Reallohnerhöhungen möchten, hier wohnen und keine Wohnungen finden. Man kann nicht nur die Lehrpersonen aufbauen. Wo bleibt der Rest? Die Antworten bleiben immer vage.Was sind die Gründe für das Imageproblem?
Ich glaube, das eigentliche Problem ist, dass der Arbeitgeber nie wirklich hinter den Landesangestellten gestanden hat, sondern sie oft eher dem Messer ausgesetzt hat. Viele arbeiten unglaublich viel. Es gibt auch viel Stammtischgerede.
Letzte Frage. Was steht auf Ihrer Agenda?
Angelika Hofer übergibt mir eine gut aufgestellte Fachgewerkschaft. Mein großes Anliegen ist, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben: mehr Versammlungen, mehr Austausch, mehr Beziehungsebene. Die Leute sollen zu Wort kommen und sich ernst genommen fühlen. Viele fragen: „Was machen die Gewerkschaften überhaupt?“ Klar, wir haben nicht immer eine Antwort oder Lösung. Aber wichtig ist, dass sich auf der Verhandlungsebene wirklich etwas tut. Wir werden oft nicht ernst genommen.
Ein Beispiel: Vor wenigen Tagen gab es eine bereichsübergreifende Kollektivvertragsverhandlung. Ich hatte mir viel erwartet. Wir gingen davon aus, über das neue Inflationsmodell zu sprechen. Was ist passiert? Nichts.
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