Politica | Demokratie ausbauen

Demokratien kommen ins Wanken

Die BürgerInnen können nicht die Lenker und Wärter der herrschenden Demokratie sein, sie sind ihr Spielball.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
  • Wenn heute von Demokratie gesprochen wird, dann leider meistens von ihrer Gefährdung. Warum ist Demokratie gefährdet? Demokratie ist ein Sammelbegriff für sehr verschiedene Regierungsformen – von der Volksdemokratie China, die ein Einparteiensystem ist, über die liberalen Demokratien, die im wesentlichen auf die repräsentative Demokratie beschränkt sind, bis hin zu einer annähernd integralen Demokratie wie die der Schweiz, in der direkte und indirekte Demokratie eng verflochten sind.

    Es ist nicht schwierig festzustellen, dass vor allem jene Demokratien ins Wanken geraten, die ausschließlich repräsentativ funktionieren, in denen alle Entscheidungsmacht der Bürger*innen in Wahlen an eine politische Vertretung abgegeben wird. Partizipative Demokratien hingegen scheinen einer solchen Gefahr viel weniger ausgesetzt zu sein. 

    Die Sache ist relativ einfach: Eine Demokratie, die so gut wie ausschließlich als Vertretungssystem funktioniert, hat eine viel kleinere und schwächere Basis/Grundlage, als eine Demokratie, in der alle Menschen einbezogen sind.

    Diese kleinere und schwächere Basis ist nicht nur weniger tragfähig als die, die sich auf ein ganzes Volk stützt. Hinzu kommt, dass in einer solchen Demokratie nicht einmal die gesamte Vertretung, das gesamte Parlament, entscheidet, was gelten soll, sondern nur die sogenannte Mehrheitsregierung, die je nach Wahlbeteiligung letztlich nur noch etwa 30 % der Wähler vertritt (bei uns in Südtirol jetzt 34 %).

    Was soll man sich von politischen Vertretern, die an der Macht sind, die an die Macht kommen wollten, an die Macht gekommen sind und an der Macht bleiben wollen anderes erwarten, als dass diese Vertretung alles tut, um ihre Macht zu festigen und um an der Macht zu bleiben. Wie? Auch indem Demokratie umgebaut wird. Die Richtung, in die das geschieht, wird keine andere sein als die der Machtkonzentration, des Abbaus von Freiheitsrechten. Auch bei uns in Italien wie in Südtirol: siehe das „premierato“, „decreto sicurezza“, die Verhinderung der Ausübung des Mitbestimmungsrechtes.

    Der entscheidende Punkt ist: Eine weitgehend ausgebaute Demokratie hat eine Selbstschutz­funktion, schlecht ausgebaute hat sie viel weniger. 

    Was den BürgerInnen von je her vorenthalten wird und weiter vorenthalten werden soll, ist nichts weniger, als die Möglichkeit, ihre Demokratie selbst zu gestalten. Verhindert wird die Weiterentwicklung der Demokratie zu einer partizipativen, einer integralen Demokratie. Genau so, wie das auch in unserem Land der Fall ist. 
    Allein in vollständig ausgebildeten Demokratien kann aber dieser Schutz wirksam werden. Denn: Wer wacht über die Demokratie? Die Mächtigen, die sie für ihre Zwecke nutzen? Oder doch eher alle Menschen, die sich mit ihr lebbare Verhältnisse für alle wünschen? Nur über die Mitbestimmung der BürgerInnen kann erreicht werden, was die Mehrheit will und dem Gemeinwohl dient. Nur, wenn mit ihr tatsächlich geschieht, was eine Mehrheit der BürgerInnen will, ist Demokratie auf Dauer für sie wertvoll und erhaltenswert. Nur dann will sie geschützt sein und wird sie mit diesem Ziel wirksamer und besser anwendbar gemacht werden. Was Mächtige mit Beziehungen und Machtmitteln erreichen wollen, dient hingegen meistens nur ihrem eigenen Nutzen und zuallererst ihrem Machterhalt. 
    Mitbestimmung der BürgerInnen hingegen ist Selbstschutz der Demokratie gegen ihren Abbau und gegen ihr Abdriften in Autoritarismen.