Economia | Tourismus, das Allheilmittel

Urlaub am Bauernhof und kein Ende

Jetzt geht das schon wieder los: Urlaub am Bauernhof und immer noch nicht genug, das Zeug zieht, der Trend ist noch nicht ausgebrannt, und also noch schnell her mit ein paar Bauernbetten mehr, auf dem heimischen Tourismusmarkt. Wenn’s bloß gut geht – denn überall, wo’s nicht so gut geht, muss Tourismus her(-halten). Strukturschwache Gebiete? Muss Tourismus hin! Arme Bauern? Tourismus ist die Lösung! Tourismus, das Allheilmittel (fällt uns denn sonst nichts ein?).
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Fondazione Ferruccio Busoni – Gustav Mahler Stiftung

Zwar, die Frage sei erlaubt: Ein Bauer, der via Tourismus den Hof und die Bauerschaft erhalten will (erhalten muss!) wird wohl kaum einen Hof besitzen, der groß genug ist für 8 Fremdenzimmer bzw. 6 Ferienwohnungen (die bäuerliche Familie braucht ja wohl auch noch ein bisschen Platz), denn da ist schon ein recht stattliches Gebäude vonnöten, und dazu einiges an Finanzvermögen, wenn die Räumlichkeiten dem aktuellen (in manchen Gegenden durchaus sehr hoch bis allerhöchst!) Urlaub-am-Bauernhof-Standard gemäß her- und eingerichtet werden wollen. Also, möchte man meinen, kann ein Bauernhof dieser Größenordnung schwerlich in einer nicht eh schon recht gut aufgestellten Gegend liegen (anderenfalls sehr viel wirtschaftliche Freiheit und Bevorzugung zweifelsohne gerechtfertigt wären). Und natürlich: Welcher Bauer hat denn Zeit, all diese Gäste zu betreuen? Was bleibt dann noch für die „eigentliche“ bäuerliche Arbeit, die Familie, die Sonntagsruhe? Das wird sich wohl nicht sehr lange ausgehen, und vielleicht hat’s ja dann schon früher ein Ende, mit der mühsamen bäuerlichen Landschaftspflegerei und all dem Zeug, weil das Geld vom Gast halt das leichtere ist.

Derweil dem Hof des kleinen Bauern, dem geholfen werden soll und dem vielleicht auch geholfen wäre mit ein bisschen (mehr) Tourismus, wahrscheinlich überhaupt nicht geholfen ist, weil der kleine(re) Hof, das liegt halt nahe, in einer eher strukturschwachen Gegend liegt (wo’s noch nicht so richtig rund genug geht mit dem Tourismus), weil deshalb der vorausgesetzte Wohlstand nicht gegeben ist um den baulichen Größenanforderungen der neuen Größer-Regelung nachkommen zu können, weil deshalb vielleicht auch das Geld fehlt um ein paar nicht eben irrelevante Investitionen tätigen zu können, und weil letztendlich vielleicht sogar die Zeit fehlt, um sich intensivem Gästebetrieb widmen zu können...

Aber gut, es war ja schon immer so, dass der Teufel stets auf den größten Haufen … (könnte der Kerl nicht ein bisschen differenzieren, manchmal es versuchen, zumindest?!)

 

 

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Martin Geier Mar, 05/07/2013 - 20:10

Die Tendenz geht generell in Richtung Urlaub auf den Bauernhof und agriturismo. Das ist nicht nur bei uns so sondern ein auch ein gesamtitalienisches und weltweites Phänomen. Ich war erst kürzlich auf einem agriturismo ein Stück südlich des Gardasees. Meiner Ansicht werden die die eine naturnahe Erholung mit landwirtschaftlichem Hintergrund suchen immer mehr.
Liebe Silvia; mA geht es weniger um einige Betten mehr oder weniger sondern immer um Authentizität. Ein agriturismo oder 'Roter Hahn' ist immer nur dann authentisch wenn fast nur hofeigene Produkte und wenn ein kleiner Hofschank vorhanden ist nur Gerichte mit Ingredienzien fast nur aus heimischen Anbau verwendet werden. In ganz Italien verschwinden die kleinen Zimmervermieter langsam. Das ist meist dadurch zu erklären daß der 'Platz' auf dem Markt zwischen Hotels und agriturismi immer kleiner wird; fiskalisch lässt sich das nur zum Teil erklären. Der Tourist heute wünscht sich entweder Urlaub auf dem Bauernhof oder den 'komfortableren' Urlaub im Hotel. Ich habe ich Südtirol und andernorts beides ausprobiert und auch mit anderen Gästen lange Gespräche über Südtirol und Tourismus geführt. Ein gut gemachter und authentischer Urlaub auf den Bauernhof ist gerade auch für sonst zutiefst 'urban' lebende Gäste sehr gefragt; die wollen eben nicht nur ein Zimmer. Darüber kommt dann der klassische Hotelurlaub alpiner Version; für die dazwischen wird es immer enger. Du hast Angst vor mehr Tourismus; was wir brauchen ist anderer Tourismus. Man sollte auch bedenken daß in einigen klassischen Urlaubsgebieten wie im Etschtal und Überetsch die Gästebetten eher abgenommen haben. Also keine Angst; wir brauchen nur mit der Zeit zu gehen.

Mar, 05/07/2013 - 20:10 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Mar, 05/07/2013 - 21:28

Ich bin zwar in keiner Weise ein Betroffener und trotzdem muss ich in dieser Sache dem HGV recht geben. Bei den Bergbauern lasse ich mir die Bevorzugung noch gefallen, doch bei den Talbauern (auch im Pustertal) und noch viel weniger bei den Obst- und Weinbauern finde ich eine solche angebracht. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum die zu besseren Bedingungen arbeiten sollen, als Gastbetriebe. Bei den Obst- und Weinbauern kann ich gar nicht nachvollziehen, was dort besonders Bäuerliches ist: kann sein, dass jemand es schätzt, auf dem Balkon auch ein bisschen Spritzmittel-Staub ab zubekommen. Zudem brauche die wirklich keine Sonderbehandlung!
Bei einer Wanderung zwischen Welschnofen/Landessägewerk und Eggen kamen wir bei einer Höfegruppe vorbei, wo es einige sogenannte Urlaub-am-Bauernhof-Betriebe gibt, denn Bauernhöfe kann man diese nicht mehr nennen. Wir haben bei einem sogenannten Hofschank mit “Rotem Hahn” zu Mittag gegessen. Ich habe noch nie irgendwo eine so schlechte Preiselbeermarmelade serviert bekommen wie dort – sicher vom billigsten Discounter. Nicht nur, dass sie nicht nach Preiselbeeren geschmeckt hat, sie hatte eine violette Farbe. In der Nachbarschaft gingen wir an zwei modernen luxuriösen Architekten-Bauten vorbei, in denen sicher keine Bäuerin mehr lebt und ihre Arbeit tut. Bei einem war auch kein Stall und Stadel dabei und bei der anderen nur ein Reitstall. Für die Förderung solcher “Bauern” habe ich wirklich kein Verständnis!

Mar, 05/07/2013 - 21:28 Collegamento permanente
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Martin Geier Mar, 05/07/2013 - 22:16

In risposta a di Sepp.Bacher

Kann der Kritik zustimmen. Sinn hat das Ganze nur wenn es authentisch ist. Es soll eben nicht darum gehen den Hotels das Wasser abzugraben oder eine fiskalisch begünstigte 'Kaste' zu schaffen. Da soll es strengste Kriterien geben und eine unlautere Konkurrenz zu den normalen Hotels soll verhindert werden. Eventueller Wildwuchs soll so beendet werden. Die Zeit der Privatzimmervermieter scheint mir aber vorbei zu sein; dafür gibt es kaum einen Markt mehr. Letztendlich geht es aber um die Frage welche touristischen Angebote wir wollen und wie wir Südtirol als der Welt präsentieren.

Mar, 05/07/2013 - 22:16 Collegamento permanente
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Sylvia Rier Mer, 05/08/2013 - 07:59

Wie denn, wenn uns - den UaB-Anbietern, aber auch allen anderen - unsere "Identität" oder jedenfalls die, die transportiert und verkauft werden soll -, von den PR-, Marketing- und sonstigen Agenturen, Bauernbund, SMG usw. usf. angezogen wird? Authentisch ist bei uns, seien wir doch ehrlich, höchstens noch, was diese Agenturen, Verbände usw. uns predigen, und am wenigsten authentisch sind vielleicht sogar die Bauern (Sepp beschreibt's so schön) (es gibt Ausnahmen, ja!!! ... die allerdings höchst selten UaB anbieten). Und nein, ich habe nicht die geringste Angst vor "mehr Betten", das regelt sich von allein (wie im übrigen der Trend UaB/Agriturismo sich verbrennen wird, wie jeder Trend und umso schneller, wenn er nicht auf einem authentisch-nachhaltigen Fundament ruht :-)...Was werden wir dann tun, mit all den überdimensionierten Bauernhäusern? Es ist nur eine Frage der Zeit.). Nein, aber ich frage mich schon seit einiger Zeit: Haben wir dieses Tourismus-Ding noch im Griff, oder hat das Tourismus-Ding schon längst uns im Griff? Monokulturen sind doch selten gesund, oder?? Zum Glück wird das nix mit dem Flughafen (hoffe ich), denn Charterflüge von Ryanair und Konsorten ließen nicht sehr lange auf sich warten, einer von den hohen Herren hatte ja schon angedeutet, dass wir ihn genau dafür bräuchten...

Mer, 05/08/2013 - 07:59 Collegamento permanente