Landwirtschaft in Südtirol – ein Beitrag zur Biodiversität?
Angeregt durch den Artikel von Andreas Hilpold zum Thema Obstbau fühle ich mich angesprochen, ein paar Fakten zur Artenvielfalt (Biodiversität) in den Südtiroler Landwirtschaftsflächen darzulegen. Als Konservator für Botanik am Naturmuseum in Bozen bin ich unter anderem mit der Aufgabe betraut, die Flora von Südtirol und deren Veränderung in der Zeit zu dokumentieren. Wir verfügen mittlerweile über flächendeckende Verbreitungsdaten aus einigen Jahrzehnten intensiver Erhebungen und sind daher imstande, fundierte Aussagen darüber zu machen, wie es um die pflanzliche Vielfalt in Südtirol und im Speziellen in den landwirtschaftlich genutzten Flächen tatsächlich steht. Diesen Beitrag verstehe ich als Grundlage für die Diskussion, was unsere Landwirtschaft für den Erhalt der Biodiversität leistet und wie sie ihre Verantwortung für die Umwelt – sprich Natur und Gesellschaft – zukünftig wahrnehmen will. Im Folgenden möchte ich kurz auf die wichtigsten Landwirtschaftszweige eingehen.
Obstbau
Aus der Sicht des Botanikers sind geschlossene Apfelplantagen völlig uninteressant. Es dominieren 5-10, in der Regel eingesäte Arten, die der mechanischen Belastung sowie der Düngung und Verdichtung des Bodens gewachsen sind. Selbst extensivere Randzonen, wie sie im Weinbau allenthalben zu finden sind, fehlen; damit besteht auch keine Chance, dass sich in den Flächen des Intensiv-Obstbaues etwas anderes als eine „verarmte Trivialflora“ entwickeln kann. Entsprechend dem geringen Angebot an Pflanzenarten ist natürlich auch die Insektenwelt stark verarmt.
Weinbau
Im Weinbau gibt es, wie man mir sagt, einen Trend zu einer zunehmend extensiveren Bewirtschaftung, insbesondere in der Anwendung von Spritzmitteln. Das hängt wohl mit der Weinkultur selbst und einem etwas anderen Qualitätsbegriff des Anbauproduktes zusammen als im (intensiven) Obstbau. Nichtsdestotrotz hat die moderne Bewirtschaftung der Rebflächen mit Planierungen, Einsaaten, dem Befahren und Mulchen der Mittelstreifen dazu geführt, dass die ursprünglichen „Weinäcker“ ihren Charakter verloren haben und ökologisch wie floristisch mittlerweile eher Wiesen gleichen: Typische (Wein)Ackerarten, darunter Zwiebelpflanzen wie Gelbstern und Milchstern und eine Reihe von einjährigen Spezialisten, die nur auf offenen Böden ohne Konkurrenz durch Wiesenpflanzen ein Überleben finden (z.B. Acker-Steinsame), verschwinden zunehmend. An der Rebenbasis, wo sich die Bodenverdichtung in Grenzen hält, könnte die typische Weinbergflora eine Nische zum Überleben finden. Das Problem: die Pflanzen sind Nahrungskonkurrenten („Zehrer“) zur Rebe und bieten Schadpilzen einen Lebensraum. Sie müssen aus wirtschaftlichen Gründen daher entfernt werden und die einzige wirksame und gleichzeitig praktizierbare Methode – auch das sagt man mir – ist bislang der Einsatz von Totalherbiziden. Die typische „Weinbergflora“, entstanden in Jahrhunderten der Koexistenz mit der Rebe, droht damit völlig aus der Flora Südtirols zu verschwinden – ein Schicksal, das der Getreide-Begleitflora bereits ereilt ist. Gerade die Weinbauflächen, weil bevorzugt in wärme- und lichtbegünstigten Lagen, böten Lebensraum für viele selten gewordene Pflanzenarten, die andernorts keinen Lebensraum mehr finden.
Futterbau
Die Problematik im Futterbau ist hinlänglich bekannt: Durch zu hohe Viehbesätze („Großvieheinheiten pro Hektar“), zugekaufte Futtermittel usw. gibt es keine geschlossenen Kreisläufe mehr, sprich, es besteht ein enormer Überschuss an Mist. Bislang ist keine Lösung in Sicht und wir sind schon so weit, dass Hochlagen und sogar Wälder für die Entsorgung von Gülle herhalten müssen. Die Folgen für die Flora sind eindeutig: Unsere Futterwiesen sind in der Regel zu stark gedüngt, um eine gewisse Artenvielfalt zuzulassen. Düngetolerante Pflanzen und solche, die frühes und häufiges Mähen ertragen, nehmen überhand. Meist sind das eingesäte kommune Arten („Allerweltsarten“). Auffallend ist, dass der Anteil (stark) überdüngter Flächen in den letzten Jahren stark zugenommen hat – von den Löwenzahn-Wiesen über die Kerbel-Wiesen bis hin zu den reinen Ampfer-Wiesen. Letztere bilden den Endpunkt der Degradation von „Futterwiesen“. Hier wird offenbar, dass die „Wirtschaftsflächen“ zunehmend zur Deponie von Mist geworden sind. Einen Futterwert haben solche „Wiesen“ jedenfalls nicht mehr. Neu ist, dass durch die konsequente Erschließung von Bergregionen auch dort die Trivialisierung der Wiesenflora Einzug hält: durch Planierung, Einbringung ortsfremden Saatgutes und durch starke Düngung ereilt den Südtiroler Bergwiesen in Kürze dasselbe Schicksal wie den Talwiesen. Waren erstere bisher ein Pool der Biodiversität schlechthin (die Arten- und genetische Vielfalt betreffend), so ist es bedingt durch Intensivierung in Hofnähe einerseits und Verbrachung in Hofferne andererseits nur mehr eine Frage der Zeit, bis dieser Pool erlischt.
Eine (wenig) überraschende Tatsache in diesem Zusammenhang: von den rund 600 als gefährdet eingestuften Arten der Flora Südtirols sind 41% durch Intensivierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft gefährdet. Davon betroffen sind in erster Linie Pflanzen feuchter Standorte sowie typische Wiesenarten von Standorten mit geringem bis mittlerem Nährstoffgehalt (Wilhalm & Hilpold 2006: Rote Liste der gefährdeten Gefäßpflanzen Südtirols. Gredleriana 6: 115-198). Im Trentino ist derselbe Anteil durch das Auflassen traditioneller Bewirtschaftungsweisen gefährdet (Prosser 2001: Lista Rossa della Flora del Trentino. Museo Civico di Rovereto.). Fazit: Auch wenn es dem Bauern ermöglicht wird, am Berg zu bleiben und seine Wiesen zu bewirtschaften – der Preis für die geförderte Landwirtschaft in Südtirol ist bei der derzeitigen Praxis eine zunehmende Gefährdung der Flora.
Mein persönliches Resümee:
- Die oben besprochenen Landwirtschaftsflächen nehmen einen beträchtlichen Anteil der Südtiroler Kulturlandschaft ein. Für Biodiversität ist hier kein Platz. Im Gegenteil, ihr wird entschieden entgegen gewirkt und zwar aus folgenden Gründen: die Bewirtschaftung ist generell zu intensiv, am Ende stellen sich wenige triviale „Allerweltsarten“ ein. Es fehlt das Angebot an Pufferzonen, d.h. Intensivflächen grenzen direkt an (potentiell) naturnähere Flächen, wie Gräben, Hecken, Auwaldreste, Feuchtgebiete usw. und beeinflussen diese auf Dauer negativ. Es fehlen ökologische Ausgleichsflächen innerhalb der Landwirtschaftsbereiche, in denen sich Biodiversität entfalten kann. Gerade Imker beklagen zunehmend, dass den Bienen ihre Weiden abhanden kommen.
- Der Landwirt ist nicht a priori ein Landschaftspfleger, wie uns die politischen Bauernvertreter ständig erklären. Mit Landschaftspflege sollte nämlich ein verantwortungsbewusster Umgang mit natürlichen Ressourcen verbunden sein, was weder im intensiven Obstbau noch im Gülle belasteten Futterbau erkennbar ist. Das „Offenhalten“ einer Landschaft allein stellt noch keine (bäuerliche) Leistung und keine landschaftliche Aufwertung dar. Ein Appell ergeht an den Futterbauern, das Gülleproblem endlich von sich aus zu thematisieren, die Verantwortung dafür zu entwickeln und von der Politik Lösungen zu fordern! (wenn schon an dem zu hohen Viehbesatz nicht gerüttelt werden darf!?)
- Gegen intensive Landwirtschaft ist nichts einzuwenden, sofern Böden, Wasser und die Gesundheit der Bevölkerung nicht gefährdet sind. Es ist aber ein Gebot der Stunde dafür zu sorgen, die intensiv bewirtschafteten Flächen „aufzulockern“ mit wenig intensiv bis extensiv bearbeiteten und naturbelassenen Flächen. Damit verbunden ist die Verpflichtung des Bauern zu ökologischen Ausgleichsflächen, für die er natürlich (wie für so vieles) von der Gesellschaft „entschädigt“ oder besser: belohnt wird.
- Regionalsaatgut ist zu fördern, denn: Neben der Artenvielfalt ist die genetische Vielfalt im Auge zu behalten. Das Thema ist unlängst im Obst- und Getreideanbau aufgebracht worden, es gilt umso mehr für die heimische Flora!
- Letztlich ist es eine Frage, was uns als Gesellschaft Biodiversität wert ist und was wir dafür tun wollen. Zur Zeit bietet die Landwirtschaft kein gutes Beispiel: zu sehr steht die Rationalisierung und Gewinnmaximierung über allem.
Na schau mal ....
... wen man da liest, der Thomas, ich grüße dich und heiße dich herzlich willkommen in unserer Runde. Schön dass du dich zum Thema Landwirtschaft äußerst und die Problematik aus deiner Sicht beleuchtest. Andreas war auch für mich eine Anregung und ich habe mir die Mühe gemacht, einen dreiteiligen Beitragsblock zum Thema Landwirtschaft zu verfassen. Doch bei den Bozner Laubenbauern stößt man auf taube Ohren und die Beiträge sind total versumpft.
Wir haben bei salto auch noch zu wenig Biodiversität. Da bist du als gebürtiger Vinschger genau richtig. Möchte mit dir mal über dieses Thema in Ruhe diskutieren, wenn du in der Gegend bist, melde dich bitte.
Bauern keine Landschaftsgärtner
Danke, Thomas Wilhalm, für diesen guten Beitrag. Erst fühlte ich mich durch den Beitrag von Andreas www.salto.bz/de/article/04062013/paradigmenwechsel-im-bauernbund beruhigter. Jetzt bin ich wieder ein bisschen besorgter. Du hast sehr gut im Detail den Umstand beschrieben, dass man auf den Bergbauernwiesen kaum noch einer Blumenvielfalt begegnet. Anstatt Margeriten, Klatschmon, Wiesensalbei, Blutschwitzer usw. begegnet man eher öden Graslandschaften mit Sauerampfern und "Schmerzpfannen", wie wir sie im Dialekt nennen. Bald kann man schöne Wiesenblumen noch eher an Straßenböschungen und begrünten Müllhalden antreffen als in Bauernwiesen.
Ich war der Meinung, dass die Weinwirtschaft, sei es was das Landschaftsbild betrifft, als auch was die Ökologie betrifft, noch am Natur nahesten wirtschaftet. Vielleicht habe ich mich von der Tatsache täuschen lassen, dass es in der Weinwirtschaft den Trend Qualität statt Quantität gibt, und dass es dort zunehmend mehr Bio-Anbau gibt.
Der Bauernbundobmann, der LH bzw. Ex-LR Berger scheinen aber nicht viel von solchen Diskussionen zu halten. Bei Dorfmann wüsste ich nicht.
Ich habe die Erfahrung
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es relativ schwierig ist, einem traditionellen Landwirt, selbst wenn er Landwirtschaft studiert hat, Deine Überlegungen zu vermitteln. Nachdem die Macht und der Boden in den Händen einiger Weniger ist, kann nur der Endkonsument zur Änderung beitragen und der wird in Deutschland z.B. auch sensibilisiert. Wenn sich z.B. die Touristen für blühende Wiesen und Bäume einsetzen würden und der Einzelne keine genormten Äpfel oder Erdbeeren mehr zu verzehren verlangt, könnte sich das positiv auswirken. Der Wahnsinn des verwöhnten Konsumenten zeigt aber auch im Bio-Landbau seine Auswüchse: es werden zB. tonnenweise Kartoffeln vernichtet, weil sie nicht in die Auswahlmaschine passen.
Aus der Sicht eines Viehbauern
Grundsätzlich gebe ich Herrn Dr. Wilhalm recht, aktuell werden im Verhältnis zu den Futterflächen zu viele Tiere gehalten und die meisten Bauern haben einen Düngerüberschuss. Die Medaille hat aber zwei Seiten:
Wer schon einmal eine Kuh gefüttert hat, wird wissen, dass es unmöglich ist auf der einen Seite ohne Kraftfutter zurecht zu kommen und auf der anderen Seite die Grünlandflächen zu extensivieren. Mit Futter von intensiv genutztem und gedüngtem Grünland lassen sich im optimalen Fall ohne Kraftfutterergänzung Milchleistungen zwischen 5000 und 6000 kg pro Laktation und Kuh erzielen. Wird auch noch das Grünland extensiviert lassen sich allenfalls noch 3500 kg Milch aus dem Grundfutter „ermelken“.
Jetzt haben wir aber ein Problem: Die heutigen Kühe haben, was Milchleistung angeht, ein sehr hohes genetisches Niveau, mit anderen Worten: Die heutige Durchschnittskuh würde bei Extensivierung des Grundfutters und bei keiner Kraftfutterergänzung schlicht und einfach verhungern.
Angenommen wir hätten Kühe, mit denen sich solche niedrigen Milchleistungen realisieren lassen würden, dann glaube ich kaum, dass man noch von einer kostendeckenden Produktion, geschweige denn „Gewinnmaximierung“ sprechen kann. Eine vollkommene Extensivierung würde für die Viehwirtschaft eine noch höhere Abhängigkeit von Beitragszahlungen bedeuten, was erstens von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird und zweitens auch für den Landwirt auf lange Sicht frustrierend ist. In Zukunft wird man versuchen müssen einen Kompromiss zwischen intensiven und extensiven Prodkutionssystemen zu finden, meiner Ansicht nach sind Extreme auf beiden Seiten nicht nachhaltig.
Ich kann die Problematik des Zukauffutters verstehen und bin selbst kein Freund hoher Kraftfuttergaben. Das Rind ist aufgrund seiner Physiologie ein „Grünlandveredler“ und nicht für die Verwertung von Getreide konzipiert. Jedoch muss in diesem Fall die Futtergrundlage optimal sein, sprich wir werden unsere Wiesen öfter nutzen müssen!
ich glaube auch es braucht
ich glaube auch es braucht eine Trendwende in der Südtiroler Milchproduktion. In der jetzigen Form drohen wir unseren Standortvorteil vollends zu verlieren - es kann mir niemand erzählen, dass die Südtiroler Milch besonders einzigartig ist, wenn die Kühe das selbe Futter kriegen wie Kühe in Niedersachsen und Holland. Als Konsument fühle ich mich hinters Licht geführt, wenn einerseits mit Milch aus kräuterreichen Wiesen geworben wird, ich andererseits solche Wiesen kaum mehr finde. Argumente, die neulich laut wurden, dass die Sonne der Alpensüdabdachung unsere Milch so besonders machen, schlagen dem Fass den Boden aus. Manche Leute glauben, sie können uns Konsumenten jedes Märchen erzählen. Dass ein Umstieg zu einer nachhaltigeren, sanfteren Produktionsweise schwierig sein kann, wie Hannes Klocker darlegt, verstehe ich ebenfalls. Ich denke aber unsere Bauernschaft ist gut aufgestellt (Bauernbund, Amt für Berglandwirtschaft, Laimburg...) um einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Ausweg aus der "Misere" zu finden.
Milch aus der Sicht der Verbraucher
Mein Kommentar ist sehr lang geraten. Ich habe daraus einen eigen Beitrag gemacht. Siehe www.salto.bz/de/article/10062013/unsere-taegliche-milch
Biodiversität und )Berg-)Landwirtschaft: ein Konflikt?
Vielen Dank an Thomas Wilhalm als Themeninitiator, aber auch dem Hannes Klocker, der als direkt betroffener Viehbauer sich zu diesem Thema äußert!
Ich finde dieses Thema nicht nur sehr spannend, ich bin der Meinung, dass es je länger umso aktueller wird. Vor allem glaube ich, dass sowohl wir Milch- und Fleisch-Konsumenten als auch die Milch- und Fleisch-Produzenten sich damit abfinden müssen: Milch und Fleisch ist heute zu einem wohl größtenteils industriellen Produkt geworden, das zudem mit Steuermitteln z.T. massiv gestützt wird (Produktion, Verarbeitung, Vermarktung). Damit müssen wir uns wohl abfinden. Dem Hannes Klocker sind diese beiden Produkte Teil seines Lebensunterhaltes (so nehme ich an), dem Thomas Wilhalm (Konsument, so nehme ich an) sind Milch und Fleisch Teil einer gesunden Ernährung - so meine Haltung zu den Produkten einer gesunden Berglandwirtschaft.
Biodiversität ist ein Allgemein-Gut und ich glaube es wäre nicht gut wenn wir diesen Gedanken nicht gemeinsam teilen würden.
Leider hat Hannes Klocker recht, dass die Viehzucht die heutigen "Hochleistungskühe" nicht zu besseren Rauhfutterverwertern weiterentwickelt hat, sondern zu "allesfressenden Schweinen mit einem zu großen 'Euter" - direkte Nahrungskonkurrenten zu uns Menschen. Ist uns deshalb auch bewusst, dass jedes kg Getreide/ Soja/ usw. eigentlich auch für den menschlichen Verzehr geeignet wäre? Dass wir diese "energie- und eiweißreichen Futtermittel" der Nahrungskette von Menschen entziehen, damit die Verfügbarkeit von menschlicher Nahrung verknappen bzw. verteuern?
Ich möchte nicht Apostel spielen, aber wir sitzen doch alle auf dem gleichen Boot: der Bauer muss in diesem Wirtschaftssystem seine Rolle spielen damit er nicht verliert, der Konsument muss das zu sich nehmen, was im Regal steht, unsere gemeinsame Umwelt, unser historisches Erbe Biodiversität hat um ihre Artenvielfalt zu bangen ... Eigentlich ist es doch wie in einem schlechten Film, den wir gemeinsam mittragen, weil wir glauben ausgeliefert und ohnmächtig zu sein.
Das Positive: es gibt immer mehr Bauern - auch bei uns in Südtirol - denen dieses Spiel nicht mehr gefällt und die mit viel Phantasie, Tatendrang, aber auch intelligenter Suche nach neuen Wegen und Produkten diesem ohnmächtigen Ausgeliefertsein entfliehen - und das mit Freude, Erfolg und einem schönen Batzen Lebensqualität!
So sollten wir uns doch eigentlich alle gemeinsam auf die Suche nach neuen Wegen machen - die Bergbauern und Konsumenten - unserer arten- und erlebnisreichen (Um-)Welt und uns selbst zuliebe.
In risposta a Biodiversität und )Berg-)Landwirtschaft: ein Konflikt? di Kurt Kußtatscher
Biodiversität und Landwirtschaft
Zur weiteren Vertiefung des Themas empfehle ich:
http://www.biodiversity.ch/d/about_biodiversity/convention_on_biodivers…
http://www.cbd.int/doc/world/it/it-nbsap-01-it.pdf, Seite 54 ff
Vielen Dank für die
Vielen Dank für die Kommentare! Besonders Hannes Klocker und Kurt Kußtatscher bringen wichtige Aspekte in die Diskussion. Ich möchte darauf antworten:
Als Biologe, also als „ökologisch“ denkender Mensch („ökologisch“ im originalen Sinn des Wortes, nämlich „(natur)haushaltend“, und nicht im „umweltaktivistischen“ Sinne) kann ich das „Gülleproblem“ nicht akzeptieren, egal, wie es zustande kommt. Wenn Bauernvertreter mir sagen: „Ja, wo sollen wir denn hin damit?“, kommt das im besten Falle einer hilflosen, im schlechtesten Falle einer verantwortungslosen Ausrede gleich. Sonst finden Bauern – mit gehöriger politischer Unterstützung – für alle eigenen Belange eine Lösung! Jeder einfache Bürger ist zu einer korrekten Müllentsorgung verpflichtet und kann seinen Wohlstandsmüll auch nicht einfach in der Landschaft verstreuen. Warum sollte also ein Bauer den Überschuss an Gülle nicht auch sachgerecht entsorgen müssen? So gut Gülle als Dünger ist, ein Zuviel ist das Aus für eine Wiesenflora, die diese Bezeichnung verdient, belastet Böden (Versalzung!), fördert Erosion, ist eine tickende Zeitbombe für den Wasserschutz und macht Biodiversität zunichte.
Zur Notwendigkeit, Wiesen zu intensivieren (hier am Beispiel Bergbauer): Die Spirale, in der sich v.a. die Futterwirtschaft bewegt, ist klar. Es ist auch nichts zu bagatellisieren. Aber: Wo soll die Hochleistung zum Zwecke möglichst viel Milch zu produzieren letztlich hinführen? Es ist doch irgendwie symptomatisch: Wir Südtiroler (andernorts geht man auch andere Wege!) bauen mit öffentlichen Geldern großzügige Alm- und Forstwege in der stereotypen Vorsehung, dass auch Schwerfahrzeuge irgendwann mal auf den Berg müssen. Diese Wege ziehen am Ende tatsächlich (Schwer)Verkehr an, denn: „Wenn die Straßen schon da sind, dann nutzen wir sie doch“, womit rückwirkend der Bau dieser Straßen gerechtfertigt ist. Damit sind die Grenzen zu natürlichen, weil nicht so einfach erreichbaren Bannzonen vollständig gefallen. Wenn wir also am Berg mit gleichem Maße messen wie im Tal – besonders in der Landwirtschaft – dann ist die Sackgasse vorgezeichnet. Die Kosten für die Allgemeinheit und für Natur um Umwelt sind einfach zu hoch! Erschließung ohne Wenn und Aber und v.a. ohne Ende, nach der simplen Formel „Erschließung = Bauer bleibt am Berg“, greift zu kurz und ist unsinnig.
Wenn wir wirklich „ökologisch = haushaltend“ handeln wollen, dann sind in die obige Gleichung viel mehr Aspekte einzubeziehen: der Schaden an der Natur durch durchschnittene und zerstörte Lebensräume, durch Einbringung von fremden Saatgut bis in Hochlagen, der Schaden am Landschaftsbild, die Kollateralkosten durch die Auflagen des Zivilschutzes (Hangverbauungen, großzügige Wegböschungen, Weg-Instandhaltungskosten u.a.m.). Manchmal ergibt sich dann nämlich, dass unterm Strich mehr herausschaut, wenn man dem Bauern ein Geld gibt, etwas nicht zu tun. Oder welchen Sinn hat eine Planierung und Neueinsaat (!) von Bergwiesen, ja sogar von über 2000 m hoch gelegenen Almflächen, wenn sie neben der Arbeitserleichterung eigentlich nur Schäden nach sich ziehen? Ganze Landstriche werden bei uns eingeebnet, zunehmend auch im Berggebiet. Wo führt das hin? Wer zahlt das und wer außer dem Eigentümer will das? Es ist unverantwortlich zuzulassen, dass Bergwiesen durch die offenbar unausweichliche Gleichmache mit Intensiv-Talwiesen ihren unschätzbaren („unbezahlbaren“!) Pool an Arten- und an Genvielfalt verlieren.
Als Privater, sprich als Konsument und Steuerzahler, erwarte ich mir, dass es eine transparente und leistungsbezogene Unterstützung („Subventionierung“) gibt. Tatsache ist, und das ist keine billige Polemik, dass der Bauer vielfach gar nicht weiß, wofür er am Ende des Jahres im Einzelnen seine Beiträge bekommt. Ich bin gerne bereit, weiterhin und auch mehr beizusteuern, wenn Bauern durch ihre Art des Wirtschaftens ihrer Verantwortung gegenüber dem Landschaftsbild, der Biodiversität und der Gesundheit (Stichwort Qualität des Produktes aufgrund seiner Entstehungsweise und nicht aufgrund seiner geographischen Herkunft) Ausdruck verleihen. Das Argument, dass Bauern sich auf diese Weise als „Almosenempfänger“ fühlen müssen, ist fadenscheinig. Vielmehr müssten viele sich bei der derzeitigen Praxis als solche fühlen, denn ihr Beitrag für die Allgemeinheit ist oft nicht zu erkennen. Man denke nur an ausgeräumte Landschaften, an die Spritzmittelproblematik im Intensiv-Obstbau und an in Gülle versunkene Wiesen.
Im Sinne von Kurt Kußtatscher denke ich, es ist höchst an der Zeit, sich aufeinander zuzubewegen und am gleichen Strang zu ziehen.
typische „Weinbergflora“ bei den biologischen Weinbauern?
Zum Weinbau: Was machen die biologischen Weinbauern statt Totalherbiziden? Ich denke, die habe sicher andere Wege gefunden. Gibt es dort noch die typische „Weinbergflora“?