Die Tiroler Frauen im Ersten Weltkrieg
Am 23. Mai 1915 kam die schon geahnte und dennoch überraschende Kriegserklärung Italiens an Österreich. Spätestens jetzt hatte der Krieg auch Tirol fest im Griff. Die kampffähigen Männer wurden an die Front gerufen, zurück blieben deren Ehefrauen und Kinder. Nun lag es an ihnen, alleine die Felder zu bestellen und den Hof zu verwalten.
In ihrem Lebenslauf berichtet ein Vinschger Mädchen, 1908 geboren, welche Auswirkungen der Krieg auf ihre Familie hatte. Sie erinnert sich an eine arbeitsreiche und entbehrungsvolle Zeit vor Kriegsausbruch. Dennoch schreibt sie auch, dass sie "fröhlich waren und gerne die uns angemessene Arbeit erledigten":
Die erträgliche Situation änderte sich mit Kriegsausbruch radikal. Die kränkliche Mutter blieb allein mit fünf Kindern zurück und wenn nicht ihre 16-jährige Nichte zum Aushelfen da gewesen wäre, wäre die schwere Bauernarbeit wohl kaum zu schaffen gewesen. Anweisungen zu den Arbeiten kamen vom Familienvater, der am Col di Lana diente, per Feldpost.
So sah es in den meisten Familien aus. Die Väter gaben Anweisungen und Ratschläge von der Front (solange sie nicht schon gefallen waren), und die Frauen und Kinder erledigten die Feldarbeit Manche Familien konnten das auf lange Frist nicht durchhalten. Es genügte, dass eine Mutter krank wurde und nicht mehr arbeiten konnte, schon war eine ganze Familie vom Hungertod bedroht. Abhilfe wurde in diesen Notfällen von russischen Gefangenen geleistet. Sie wurden eigens zu diesem Zweck vom Osten nach Tirol transportiert.
Die Historikerin Gunda Barth-Scalmani erklärte in einer Ausgabe des Sonntagsblatts, dass diese Besuche aus Russland oftmals nicht folgenlos blieben. Häufig kam es vor, dass sich ein Bauernmädchen, eine Mutter oder eine Magd trotz kultureller und linguistischer Differenzen in die russische Aushilfskraft verliebten. Viel alternative Auswahl gab es wegen des Krieges auch nicht. Frauen, denen ein solches Missgeschick widerfuhr, wurden gesellschaftlich geächtet, weshalb solche Beziehungen lieber verheimlicht wurden. Es wäre deshalb nicht allzu verwunderlich, wenn im einen oder anderen Südtiroler etwas russisches Blut flösse.