Politica | Verfassungsreform

Das Ei der Volkspartei

Das Referendum zur Verfassungsreform bringt die SVP arg in die Bredouille. Eine Gruppe prominenter Altparlamentarier will ein Nein beim Referendum durchsetzen.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Othmar Seehauser

Ein Gespenst geht um in der SVP – das Gespenst der Verfassungsreform.
Und Gespenster machen bekanntlich Angst.
Das ist der Gemütszustand, der an der SVP-Spitze derzeit zu spüren ist. „Da braut sich etwas zusammen, was uns um die Ohren fliegen könnte“, befürchtet ein Mitglied der SVP-Parteileitung.
Anlass der parteiinternen Aufregung ist das anstehende Referendum zur Verfassungsreform. Das Reformprojekt von Premier Matteo Renzi spaltet bekanntlich die Geister. Für die SVP aber könnte die Volksabstimmung zu einer ernsthaften Zerreißprobe werden.
Unterm Edelweiß haben sich zwei Lager herausgebildet. Die amtierende Landesregierung und SVP-Führung, mit Arno Kompatscher und den amtierenden Parlamentariern, die für ein Ja beim Referendum sind. Dagegen macht jetzt aber eine Gruppe von mächtigen Altpolitikern mobil. Unter ihnen Luis Durnwalder, Oskar Peterlini und Siegfried Brugger. Sie lehnen nicht nur die Verfassungsreform ab, sondern sie wollen auch erreichen, dass die SVP eine Empfehlung abgibt, beim Referendum mit Nein zu stimmen.
Dieser Glaubenskrieg liegt noch in seinen ersten Zügen, er könnte in den nächsten Wochen aber zu einem ernsthaften, politischen Problem werden.

Dieser Glaubenskrieg liegt noch in seinen ersten Zügen, er könnte in den nächsten Wochen aber zu einem ernsthaften, politischen Problem werden.

Die Befürworter

Die SVP-Parlamentarier haben sich längst festgelegt. In insgesamt sechs Lesungen wurde die Verfassungsreform in Kammer und Senat verabschiedet. Bei allen Abstimmungen haben die SVP-Abgeordneten und -Senatoren für Renzis Reform gestimmt. Man hat zwar immer wieder erklärt, dass man mit der zentralistischen Ausrichtung der Reform nicht glücklich sei, doch die Einfügung einer Schutzklausel für Südtirol hat letztlich zu einem klaren Ja der SVP-Parlamentarier geführt.
Das Sextett in Rom hat dabei keineswegs einen Alleingang hingelegt. Diese politische Linie und die Zustimmungen sind vorab in der SVP-Parteileitung abgesegnet worden. Das heißt: Die Zustimmung zur Verfassungsreform ist die offizielle Linie der SVP.
Auch Arno Kompatscher spricht sich seit langem eindeutig für die Reform aus. Das wurde auch am Tag der Autonomie am Montag auf Schloss Sigmundskron deutlich. Aussenminister Paolo Gentiloni hat in seiner Rede ganz klar darauf hingewiesen hat, wie wichtig ein Ja Südtirols beim anstehenden Referendum sei.

Referendumsbefürworter Arno Kompatscher:Die jetzige Schutzklausel ist die beste, die Südtirol je hatte:“

Der Landeshauptmann hat sich eine Tag später auf der Pressekonferenz der Landesregierung noch deutlicher positioniert. „Die jetzige Schutzklausel ist die beste, die Südtirol je hatte – sie entspricht de facto einem Vetorecht, was uns in eine gute Ausgangsposition bringt. Wir haben damit tatsächlich den Boden dafür bereitet, unsere Autonomie noch weiter voranzubringen“, sagt Kompatscher. Klarer kann man sich kaum für ein Ja beim anstehenden Referendum werben.

Die Gegner

Im Stillen hat sich aber eine prominente Gegnerschaft in Position gebracht. Die Gruppe wird ihre Trümpfe langsam und dosiert ausspielen. Den Anfang machte Alt-Senator Roland Riz, der die Verfassungsreform eine Katastrophe nannte. Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder schoß sich diesem Urteil an. Durnwalder macht keinen Hehl daraus, dass er diese Entwicklung für eine politische Fehler halte.
In den vergangenen Tagen hat sich auch Oskar Peterlini aus der Deckung gewagt. „Diese Reform ist ein historischer Fehler“, sagt er im salto-Interview. Und seit zwei Wochen prophezeit man in der SVP: „Der nächste der gegen die Reform schießen wird, ist der Brugger“.

Referendumsgegner Siegfried Brugger: „Man kauft hier die Katze im Sack.“

Siegfried Brugger selbst bestätigt das. „Ich bin absolut gegen diese Verfassungsreform, denn man kauft hier die Katze im Sack“, sagt der langjährige SVP-Obmann. Er bringt vor allem zwei Argumente vor. Es ist in der Schutzklausel eine Kommission vorgesehen, in der das Einverständnis hergestellt wird. Wie diese Kommission aber ausschaut, wird erst nach dem Referendum definiert. Siegfried Brugger: „Zudem fehlt eine internationale Absicherung dieser Schutzklausel“.
Offene Gegner der Verfassungsreform gibt es aber auch unter den Bürgermeistern und den SVP-Bezirksobmännern. Etwa der Pusterer Meinhard Durnwalder oder der Unterlandler Oswald Schiefer.
Sie alle werden in den Parteigremien dafür kämpfen, dass die SVP ein Nein beim anstehenden Referendum empfiehlt. Oder zumindest keine Wahlempfehlung abgibt.

Der Obmann

Kohärent wäre es, wenn die SVP beim anstehenden Referendum für das Ja wirbt. In der Brennerstraße geht man davon aus, dass das auch der Fall sein wird. Doch man weiß, dass es bis dahin noch zu einigen heftigen Diskussionen kommen wird. Die Gegner werden die Partei und den Landeshauptmann noch ordentlich unter Druck setzen.
Dass das Spiel offen ist, liegt auch an Philipp Achammer. Der SVP-Obmann hält sich – wie in den meisten, politisch, heiklen Fragen – zurück und laviert. „Dabei bräuchte es in der Partei gerade hier ein Machtwort“, sagt ein Mitglied des Parteiausschusses.
Denn es geht bei diesem Angriff in Wirklichkeit um weit mehr als nur um eine Volksabstimmung.

SVP-Obmann Philipp Achammer: Hält sich auffallend zurück.

Obwohl die Gegner der Verfassungsreform durchaus fachliche und sachliche Argumente vorbringen, hat ihre Kritik auch einen anderen ganz klaren Sinn. Es ist ein Angriff auf Arno Kompatscher, Philipp Achammer und die neue Führungsgarnitur. Man will die neue Landes- und Parteiführung ganz bewusst schwächen. Dahinter steht zum einen die latente Aversion mancher gegen das Bündnis der SVP mit dem PD.
Aber auch ein klares, politisches Kalkül: In zwei Jahren stehen Landtagswahlen an.
Wenn man Arno Kompatscher demontieren will, muss man langsam damit anfangen. Genau dazu eignet sich das Referendum zur Verfassungsreform bestens.

Wenn man Arno Kompatscher demontieren will, muss man langsam damit anfangen. Genau dazu eignet sich das Referendum zur Verfassungsreform bestens.