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Die Schublade

Die Schublade ist ein politischer Akteur. Wer sich mit der Schublade beschäftigt, entdeckt mitunter Verborgenes und erlangt so manche Sicherheit.
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Schublade
Foto: Die Schublade als Geheimnisträger, ©Mg
  • Die Schublade steht für Struktur und Ordnung. Wer seine Sachen themen- oder gebrauchsmäßig strukturiert und in der Schublade ablegt, hat seine Dinge schnell zu Hand, wenn er sie braucht. Die Schublade ist andererseits ein Ort, in dem Dinge enden, die man zwar nicht mehr braucht, von denen man sich aber noch nicht wirklich trennen will. Sie werden „schubladisiert“. Schließlich ist die Schublade ein Ort der Überraschung. Wenn der frisch gewühlte Politiker den Schreibtisch seines Amtsvorgängers übernimmt. Zwei Beispiele für die Überraschung aus der Schublade kamen dem Zeitungsleser kürzlich unter.

    Blicken wir zuerst nach London, wo vergangene Woche die Regierungsverantwortung von den Tories zur neuen Labour Regierung wanderte. Der Regierungswechsel im Vereinigten Königreich geht in der Regel recht schnell vor sich. Schon am Abend nach den Wahlen stand die neue Regierung fest. Welche Herausforderungen diese allerdings erwartet, kann noch nicht gesagt werden. Schließlich müssen erst die Bücher der Vorgängerregierung studiert werden. Der Teufel steckt im Detail. Da kann es schon helfen, wenn man erst mal die Schubladen des Amtsvorgängers genau inspiziert. Wie das zum Beispiel 2010 geschehen ist, nachdem Labour die Wahlen verloren hatte. Liam Byrne, der Labour-Chefsekretär im britischen Finanzministerium, verfasste für seinen Nachfolger eine handschriftliche Notiz, die er in der Schublade hinterlegt: „There´s no money left“.  Alles klar.

    Etwas länger brauchte die Inspektion der Schublade jüngst in Salzburg, wo sie unter dem stetig steigenden Autoverkehr im Zentrum leiden. Deshalb diskutieren die Salzburger schon seit Jahren über eine unterirdische Verlängerung der Lokalbahn, genannt S-Link. Die ÖVP ist dafür, alle anderen dagegen. Besagte ÖVP stellt den Verkehrslandesrat und bis März dieses Jahres stellte sie auch den Verkehrsstadtrat in der Landeshauptstadt. Die beiden hatten im Jahr 2022 eine Studie in Auftrag gegeben, die zum Schluss gelangt, dass der öffentliche Verkehr in Salzburg auch ohne S-Link signifikant verbessert werden. Diese (mit Steuergeld bezahlte) Studie wurde allerdings nie veröffentlicht. Nach den im März 2024 verlorenen Gemeinderatswahlen wanderte das Verkehrsressort von der ÖVP zu den Grünen. Letzte Woche hat die neue Verkehrsstadträtin Anna Schiester die von ihrem Vorgänger „schubladisierte“ Studie gefunden. Ein gefundenes Fressen für die Grünen. Blöd auch, dass die Studie vom Amtsvorgänger offensichtlich in der Schublade vergessen wurde.

    Was manche schon lange vermuteten, wird immer mehr zur Gewissheit – die Schublade ist ein nicht zu vernachlässigender Akteur im politischen Geschehen. Wer weiß, was künftige Politikergenerationen noch alles in den Schubladen ihrer Amtsvorgänger finden werden? Das amtliche Berufsverbot für den senilen Joe Biden? Den nicht schön gerechneten Kostenvorschlag für die Alpine Ski-WM 2031 in Gröden? Den TIroler Geheimplan für die zehnjährige Totalsperre der Brennerautobahn wegen Sanierung der Lueg-Brücke? Freilich werden die "Entschubladisierungen" viel zu spät erfolgen, als dass ein Schaden noch rechtzeitig abgewandt werden kann. Vielleicht sollte man jährlich durchzuführende Schubladeninspektionen anordnen? Noch besser wäre allerdings ein offener und transparenter Umgang miteinander. Nicht zuletzt in der Politik. Mg (08.07.2024)