Natja B. – Ich schreibe gerne Drehbücher
Salto.bz: Sie kennen sich seit der Arbeit am Film „Amelie rennt“ recht gut aus in Südtirol?
Natja Brunckhorst: Ich war hier für die Recherchen viel unterwegs, hab viel mit den Leuten geredet. Das war mir wichtig. Irgendwie, muss ich die Leute riechen, ich brauche so ein Gefühl für eine Gegend.
Nachdem die Hauptrolle im Film ein Südtiroler Junge ist, hab ich Jugendlichen, die hier in Bozen beim Basketballspiel waren, einfach beim Reden zugehört. Ich fand das klasse, wie die Sprachen wechselten. Das hat mir sehr gut gefallen.
„Amelie rennt“ ist ein Jugendfilm. Mia Kasalo, die junge Hauptrolle Amelie, hat Asthma und muss in die Berge...
Meine Tochter war mit 13 genauso trotzig, frech, rotzig, störrisch, wie die Mia im Film. Sie war irgendwie die Vorlage. 13 oder auch 14 Jahre, das ist ja auch ein tolles Alter, junge Mädchen haben da häufig eine ganz starke Präsenz, gleichzeitig sind sie sehr zerbrechlich. Im Grunde ist die Mia im Film meine Tochter, die heute 25 ist, und eben auch Asthma hatte. Deshalb kannte ich die Thematik. Asthma ist irgendwie eine totgeschwiegene Krankheit, die viele Menschen haben, aber keiner gibt es so offen zu.
Wie haben Sie dieses zarte Teenageralter erlebt, als junge Schauspielerin in „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“?
Ich hab Christiane F. sehr gerne gespielt. Wo man eher dann etwas aufpassen muss, ist die Nachbetreuung. Was eben dann passiert, wenn der Film vorbei ist.
Welche Erinnerungen haben Sie an das Casting?
Wir wurden am Schulhof gefragt: Wir brauchen noch dünne Mädchen. Und da hab ich vorpubertär geantwortet: Wenn’s sein muss. Dann beim Casting merkte ich: Das macht Spaß.
Wie lebt es sich mit dem Stempel Christiane F.?
Ich lebe gut mit dem Stempel. Ohne Stempel würde ich nicht den Job machen, den ich jetzt mache. Ich schreibe gerne Drehbücher. Ohne Christiane F. wäre ich da nicht gelandet. In der Jugend war es sicher nicht einfach, mittlerweile sage ich: Ok. Und auf meinem Grab steht vielleicht auch Natja Brunckhorst (Christiane F). Das passt dann schon.
2001 haben Sie Ihre eigene Geschichte im Film "Wie Feuer und Flamme" erzählt. Der Film hatte Erfolg und Sie wurden mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Ich war mit 16 in einen Ostberliner Punk verliebt und bin immer in den Osten gefahren. Die Ost-Punks waren was anderes als die Westpunks. Das war dort eine hochpolitische Sache. Wenn du einen Liedtext geschrieben hast, konntest du für drei Jahre in den Knast gehen.
Mich hat die Atmosphäre und der Kampfesmut dieser Leute fasziniert, nicht so sehr das, was klassisch mit Punk assoziiert wird: Trinken, Grölen und bunte Haare.
Obwohl, bunte Haare sind immer chic.
Wie waren die Punks des Ostens?
Das waren irgendwie archaischere Punks. In dieser Gruppe zu sein, die zusammenhält, zusammenhalten musste, wo sich die Leute untereinander manchmal nicht beim realen Namen kannten und wo alle wussten, dass der eine oder andere ein Spitzel ist...das war schon spannend.
Haben Sie die Punks als Christiane F. wiedererkannt?
Nein, das war mir angenehm.
Welche Drogen hatten die Ost-Punks?
An Drogen gab es nicht viel. Es ging hauptsächlich um Alkohol. Aber das war ja nicht nur bei den Punks. Ich glaube Ost-Deutschland war sogar einmal Schnaps-Weltmeister, Ende der 1980er Jahre haben die offiziell am meisten Schnaps getrunken.
Wieviel Wahrheit verträgt ein Film?
Ein Film ist eine gute Mischung aus Wahrheit und Fiktion. Die eigene Geschichte ist zwar im Ansatz interessant, aber irgendwann – für ein schönes Ende nicht zu gebrauchen –, sage ich immer.
Ein Jahr vor "Wie Feuer und Flamme" haben sie den Kurzfilm "Hiob", unter anderem mit dem Südtiroler Schauspieler Martin Abram, gemacht. Der Film lief auch hier in Bozen…
Hiob, klar! Der lief hier? Das war ein Kurzfilm, den ich geschrieben habe, Klaus Knoesel hat Regie gemacht. Es handelt von jemandem im Weltraum, der zusehen muss, wie die Erde explodiert. So im Stil von Jan Tichy.
Wenn Sie heute Schulen besuchen und zum Film Christiane F. reden. Was interessiert die jungen Menschen?
Es kommen immer die gleichen Fragen. Aber auch ich hab immer eine Frage: Hat euch der Film von Drogen abgeturnt, oder seid ihr auch ein wenig interessiert?
Also mir hat der Film, damals als Kind mit 10 Jahren, sehr viel Angst eingejagt…
Ja? Ich erinnere mich, in Italien hatte ich die meisten Autogrammanfragen. Damals.