
Der Zwischenraum, um durchzuschau’n
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Am Bozner Pfarrplatz kommt ein Zaun – mit Zwischenraum, um durchzuschau’n. Klingt launig, ist es aber ganz und gar nicht. Denn dieser Zaun offenbart die gesellschaftspolitische Kapitulation einer Stadt, die nicht funktioniert.
Die Stadt kehrt dem Umland den Hintern zu, schmollt nach innen und bildet Ghettos.
Bozen ist die Stadt der Zäune, der Aus-, Ab- und Umgrenzung. Der Grieser Grünkeil ist eingezäunt, man darf nicht einmal mehr durchgehen durch das Allerheiligste des Bozner Edelweiss-Establishments. Parallel zur Reschenstraße verläuft südlich davon ein Eiserner Vorhang, schneidet die Stadt vom Umland ab und zementiert Südtirols Demarkationslinie zwischen den Guten und den „Anderen“. Betrachtet man die Stadt von oben, sieht man das städtebauliche Ergebnis: Die Stadt kehrt dem Umland den Hintern zu, schmollt nach innen und bildet Ghettos.
Wer keinen Platz hat, hat halt keinen.
Wo es keine physischen Zäune gibt, werden ordnungsrechtliche errichtet. Überall wuchern Kommerzinseln, die den öffentlichen Raum ab- und ausgrenzen und ihn zur ungeliebten Restfläche degradieren. Nirgends ist (a)sozialer Stress in Südtirol so stark zu spüren wie auf den 30 Hektar altes Bozen, in dem sich Südtirols DNA verdichtet bis zur Implosion. Zwischen Talfer, Streitergasse, Bahnhof, Dominikanerplatz, Benko-Mausoleum und dem Karzer liegt das goldene Tellerchen der Watt- und Speckrepublik, die Arena der Tüchtigen, bestürmt von Horden und Aberhorden watschelnder Brieftaschen.
Nun kommt noch ein Zaun hinzu – als Symptom einer kranken Stadt, die das Verfassungs-Grundproblem Südtirols physisch zelebriert und schmerzlich vor Augen führt, wie wenig Inklusionselemente das Alltagsleben in der geschäftstüchtigen und weitum begehrtesten Destination aufweist. Das Grundprinzip der Trennung pflanzt sich sozusagen autonom durch alle gesellschaftlichen Schichtungen fort und weist jeder Gruppe ihren Platz zu. Alles ist verteilt, zugeteilt, im Nebeneinander zementiert. Wer keinen Platz hat, hat halt keinen.
Und rundherum, da kommt ein Zaun, mit Zwischenraum, um durchzuschau’n …
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k. und k. reloaded - kurz und knackig, kritisch und kreativ. Markus Lobis schreibt pointiert über Südtirols Politik und Gesellschaft. Mit Witz, Schärfe und einer Portion Widerstandslust. Jeden zweiten Donnerstag auf SALTO.
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Du hast sicherlich im Zug der Texterstellung mit der Präsidentin des Pfarrgemeinderates, von der die Initiative ausgegangen ist, darüber gesprochen. Konnte sie Dich von der aktuellen Notwendigkeit nicht überzeugen?
Das Produkt von 30 Jahren…
Das Produkt von 30 Jahren Mitte-Links-Regierung.
In risposta a Das Produkt von 30 Jahren… di Cicero
Ich fürchte: auch am rechten…
Ich fürchte: auch am rechten Wesen, /
wird dieses Städtchen nicht genesen. /
Es fehlt, die Klugen wissen's schon /
An der sozialen Kohäsion. /
Bozen ist - und bleibt - gespalten, /
hat keine Kraft, sich zu gestalten. /
Was gut ist, wie man draußen meint. /
Denn in Boazen haust der Feind ... /
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Es ist wohl zu vereinfachend, das Bozner Sicherheitsproblem auf fehlende Integrationsmöglichkeiten in Bozen zurückzuführen. Ähnliche Probleme haben auch andere Städte, ganz unabhängig von ihren Integrationsbemühungen. Wo es Sicherheitsprobleme gibt, müssen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Gleichzeitig kann und soll man die Integrationsbemühungen verstärken. Das eine schließt das andere nicht aus, daher bringen solche monokausale Erklärungen die Gesellschaft nicht weiter..
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Zwischen 2008 und 2023 ist der Anteil der Nicht-Italiener an der Bevölkerung um 55 % gestiegen, und die Zahl der gemeldeten Raubfälle hat sich von jährlich 67 auf 236 erhöht, ein Anstieg um 250%. Gefühlt, zumindest wenn man regelmäßig Nachrichten liest, besteht ein Zusammenhang. Es wäre interessant, wenn die Questur Daten zur Nationalität der Straftäter veröffentlichen würde.
In risposta a Zwischen 2008 und 2023 ist… di dakota
Leider kann man mit…
Leider kann man mit Rassismus heutzutage gut verdienen und Klicks generieren, und viele Medien nutzen das schamlos aus.
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kriminalitaet-migration-1…
...wenn man nicht imstande…
...wenn man nicht imstande ist die Haustür (EU Grenzen) zu kontrollieren, muss man halt das Bett mit Gittern aufrüsten!
Die Zone zwischen Bahnhof…
Die Zone zwischen Bahnhof und Waltherplatz war schon immer eine Schmuddelecke, die über Jahrzehnte von der Politik langsam aufgegeben wurde, weil es zu mühsam war, sich darum zu kümmern. Sowohl für den Ort als auch für die Menschen.
Ich konnte seit den 1980er Jahren immer wieder Eindrücke sammeln. Doch was in den letzten zwanzig Jahren geschehen ist, lässt sich so zusammenfassen: Bozen wurde zunehmend kommerzialisiert, der öffentliche Raum immer weiter eingeschränkt. Wer nichts konsumieren wollte, wurde nach und nach verdrängt.
Diese Menschen fanden schließlich ihren Platz rund um den Kapuzinergarten, den Bahnhofspark, den Pfarrgemeindeplatz, den Busbahnhof und das alte Gebäude der Handelskammer, in dem später auch die Sozialmensa untergebracht wurde.
Mit der Zeit sammelten sich dort immer mehr Menschen, mit denen man nichts anzufangen wusste – Menschen ohne Platz, die ihren Tag mit Trinken, Drogenkonsum, Verkauf, öffentlichem Urinieren, Lärmen, sich gegenseitig bepöbeln oder auch mit Diebstählen verbrachten.
Damit wurden die wenigen verbliebenen öffentlichen Plätze für Einheimische zunehmend unzumutbar.
Doch auch sie haben ihren „Dienst“ getan: Vor der Genehmigung des Benko-Projekts dienten sie als Druckmittel, um den Eindruck zu erzeugen, dass jede Veränderung besser wäre. Nun, da das Projekt abgeschlossen ist, sind sie überflüssig – und das erste sichtbare Opfer der Gentrifizierung dieser Zone.
Doch nicht nur sie trifft es, sondern auch den Rest der Bevölkerung. Wo kann man sich in Bozen noch kurz hinsetzen, ohne etwas konsumieren zu müssen? Das Angebot ist begrenzt, und meist fühlt es sich unerwünscht an.
Das müsste nicht so sein. Wer sich überzeugen möchte, braucht nur in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck eine kurze Pause einzulegen – dort ist öffentlicher Raum erlebbar.
Aber wir legen hier keinen Wert auf öffentlichen Raum, denn das wäre ein Zeichen von Bürgerlichkeit.
Wir sind nicht einmal eine Watt-und-Speck-Republik, sondern eine Länderei mit gewähltem Fürsten.
Drei Landeshauptmänner in 65 Jahren – was, bitte, hat das mit einer Republik zu tun?
In risposta a Die Zone zwischen Bahnhof… di gorgias
An gorgias: Danke
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