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Politica | Scala-Premiere

Premiere mit politischem Akzent

Bei der jüngsten Premiere der Scala stärkte das Publikum dem Staatspräsidenten den Rücken
Die mit Spannung erwartete Uraufführung der Verdi-Oper Attila war am Freitag in der Mailänder Scala von einer weiteren Premiere mit politischem Beigeschmack begleitet. Als Staatspräsident  Sergio Mattarella die Ehrenloge betrat, erhoben sich die  Zuschauer von ihren Sitzen und begrüssten ihn mit freundlichem Applaus - ein gewohntes Ritual. Doch als dieser rituelle Beifall nach zwei Minuten nicht beendet war, lud Mattarella mit einer zögerlichen Handbewegung die Premiergäste zum Hinsetzen ein. Die aber reagierten nicht.  Und als der lebhafte Applaus nach fünf Minuten noch immer nicht abebbte, wurde klar, dass es sich um eine politische Sympathiekundgebung handelte, die der Dirigent Riccardo Chailly nicht durch das übliche Erheben seines Stabes unterbrechen wollte. Die ungewöhnliche Szene war vielen Medien einen Kommentar wert - etwa dass sich  Kunst und Kultur von der neuen Regierung wenig erwarten.
Der 77-jährige Staatschef dagegen gilt Millionen Italienern als Garant der Legalität und der Einhaltung demokratischer Spielregeln. Und als letzte Bastion gegen den ausufernden Populismus, wie er dieser Tage im gewohnten Jahresbericht des Sozialforschungszentrums Censis beschrieben wird: "L'Italia è un paese impaurito e poco fiducioso, alle prese con un rabbuiarsi dell' orizzonte di ottimismo. Il 67 % guarda il futuro con paura e incertezza. Gli italiani sono spaventati e arrabbiati per la mancata ripresa e i migranti diventano il capro espiatorio..." 
Eine entmutigende Szenerie, die Populisten wie Matteo Salvini den Weg an die Macht ebnet. Nicht nur jene Premierengäste, die Mattarella mit ihrem demonstrativen Beifall den Rücken stärken wollten,  sehen im sizilianischen Verfassungsrechtler einen unbeugsamen Verfechter demokratischer Spielregeln. Mattarellas Leben war von zwei schweren Schicksalsschlägen gezeichnet: 1980 wurde sein Bruder Piersanti als sizilianischer Präsident von der Mafia erschossen. Noch während er in einem Polizeiwagen ins Krankenhaus gebracht wurde, starb er in den Armen seines Bruders. Dann machte ihn der krankheitsbedingte Tod seiner Frau zum Witwer mit drei Kindern.
 
Der Professor für Verfassungsrecht war und blieb immer ein überzeugter Katholik - in der Democrazia Cristiana und später im Partito Democratico, der seine Wahl zum Staatsoberhaupt forcierte. 
 
Auch im Quirinalspalast blieb er seinen Prinzipien unbeirrt treu:  als scheuer, eher schüchterner Mann mit weisser Mähne, als eher altmodisch anmutender Professor, der jeden Luxus verpönt und wie ein Erscheinung aus früheren Epochen wirkt. Doch rigoros war er schon immer. So trat er 1990 als Minister zurück - aus Protest gegen das Silvio Berlusconi zugestandenen TV-Monopol. In den vergangenen Monaten hat Mattarella auffällig oft Organisationen und Vereine besucht, die sich um die Integration Behinderter oder Benachteiligter  bemühen.  Als Staatspräsident hat er unübersehbare Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung gesetzt - etwa mit der Ernennung der Holocaust-Überlebenden Liliana Segre zur Senatorin auf Lebenszeit. Mattarella machte weite Teile des riesigen Quirinalspalastes der Öffentlichkeit zugänglich, der malerische Ansitz von Castelporziano im Süden Roms wurde ein Erholungsort für Behinderte.
Zwischen der Bescheidenheit Mattarellas und Salvinis Aufdringlichkeit könnte die Distanz kaum grösser sein. Und so nutzte das Premierenpublikum in der Scala die landesweite Live-Übertragung zu einer unmissverständlichen politischen Unterstützungserklärung.