Cultura | Premiere

Deutsch für Schriftsteller

Gestern feierte das Bühnenstück zum Roman "Die Deutschlehrerin" Premiere in Bozen. Es kreist sperrig und kantig um die Leben zweier Liebenden. Bis alles wieder eins wird.
Theater
Foto: Tiberio Sorvillo
  • In einer Stadt wie Bozen das Theaterstück Die Deutschlehrerin zur Aufführung zu bringen ist mutig. In kaum einer anderen Stadt hat sich nämlich –  mit einer gehörigen Portion Besserwisserei und Überheblichkeit –, eine derart eigene Sprachfärbung des Deutschen herauskristallisiert wie das sogenannte Boznerisch, welches die Eingeborenen unter sich, entlang der Runkelsteinerstraße, beim Fränzi-Ball und vor allem gern als bewusste Abgrenzung zu den anderen Mundarten Südtirols sprechen, um mitunter ihre „gehobene“ soziale Position – mit viel gell und weischt – gehaltvoll zu unterstreichen. 
    Um richtig schönes Deutsch, eine Deutschlehrerin und einen Schriftsteller dreht sich hingegen ein Bühnenstück, das gestern in den Kellerräumen des Kleinkunstlokales Carambolage Premiere feierte. Es ist eine karge Inszenierung, die mit Farben geizt und viel in Schwarz und Weiß zeigt. Es bleibt an diesem literarischen Theaterabend – wohl gerade deshalb –, viel Platz für dunkle Buchstabenlettern auf hellem Papier – das Unsichtbare, das Liebevolle und Unerhörte zwischen den Zeilen.
     

    Nichts bleibt im Rahmen.

  • Gemeinsame Leidenschaft: Sich skurrile Geschichten ausdenken und erzählen. Foto: Tiberio Sorvillo

    Auf der Bühne agieren Eva Kuen und Günther Götsch. Kuen spielt die Deutschlehrerin Mathilda Kaminski, Götsch gibt den „einstigen“ Shooting-Star Xaver Sand. Als beide noch ein glückliches Paar gewesen waren, hatten sie sogar gemeinsam eine engelhafte Buchtrilogie bewerkstelligt, die zum Erfolg führte. Allerdings nur für Xaver. Mathildas Leistung wurde hingegen (bewusst?) vergessen und später (unbewusst?) verdrängt. Nachdem die Beziehung der beiden in Brüche gegangen war und Xaver sich plötzlich spurlos aus dem Staub gemacht hatte, entdeckte ihn seine langjährige Partnerin nur wenige Wochen später an der Seite seiner neuen Partnerin posierend auf einem Foto eines Society-Magazins. Was war geschehen?
     

    Bei aller Tragik des Plots gibt es doch immer wieder genug Grund zum Schmunzeln.


    Legt das Stück von Szene zu Szene auch immer einen Gang zu, müssen Publikum, Darsteller und Darstellerin sich im Ausharren üben. Das mag sich ziehen, aber die schriftlich aufgesetzten und via Mail vorgetragenen Antworten und Fragen lassen ein festes Beziehungs-Fundament erkennen, aber auch viel Kränkung und Eitelkeit. Nachdem Xaver aus heiterem Himmel für einen Workshop an eine Schule (in Bozen) geladen wird, wo zufällig Mathilda ihrer Arbeit nachgeht, kommen sich die beiden nach Jahren der Enttäuschungen wieder näher. Für die Bozner Theaterfassung – Bühnenbau und Kostüme Andrea Kerner, Regie Fabian Kametz – eben (scheinbar) in Bozen.

  • Vor dem Kleinkunstkeller: Günther Götsch (Xaver Sand), Fabian Kametz (Regie), Judith W. Taschler(Schriftstellerin) Andrea Kerner (Bühne und Kostüme) und Eva Kuen (Mathilda Kaminski) Foto: Peter Schorn

    Nach Bozen zur Premiere gekommen ist auch die Autorin der Ausgangsgeschichte für das Bühnenstück Judith W. Taschler. Geboren 1970 in Linz und aufgewachsen mit sechs Geschwistern, vielen Tieren und Büchern in Putzleinsdorf im Mühlviertel, studierte sie Germanistik und Geschichte in Innsbruck und unterrichtete einige Jahre selbst als Deutschlehrerin. Ihr (zweites) Buch Die Deutschlehrerin erschien 2013 bei Picus. Ein Jahr darauf erhielt sie dafür Friedrich-Glauser-Preis, mit viel Jury-Lob zur sprachlich virtuosen Verpackung, den leisen Tönen und dem Panoptikum vergebener Lebenschancen. Ihr Roman blättert sich in der Bühnenfassung von Thomas Krauß auf der kleinen Carambolage-Bühne auf (und weiter) wie Buchseiten. Hier bilden sie den Rahmen, kommen sich (fast) in die Quere. Die Inszenierung beschränkt sich auf das Wesentliche und begleitet die zwei gescheiterten Figuren bis an ihr „bitteres Ende“. Nichts bleibt im Rahmen. Und am Ende wird der kleinste Rahmen zur Verhörsituation. 
    Die tragische Geschichte des entführten Kleinkindes Jakob zieht sich (unterirdisch) wie ein roter Faden durch das Erzählte in den pumpvollen Kleinkunstkeller. Und noch tiefer in österreichische Kellergeschichten. Bei aller Tragik des Plots gibt es doch immer wieder genug Grund zum Schmunzeln. Da mangelt es manchmal auch nicht an klischeehaften Vorurteilen. Sie sind zum Glück nicht zu breit gesät. Am Ende gab es viel Applaus in der Carambolage. Auch von der extra angereisten Schriftstellerin.

  • Deutschlehrerin und Schriftsteller: Abschließende Verneigung vor dem Publikum und der Autorin am Premierenabend. Foto: SALTO
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