Hannes Egger
BAU im Gespräch mit Künstler Hannes Egger.
salto.bz Artstore: Beschreibe bitte den Arbeitsplatz wo dieses Kunstwerk entstanden ist.
Entstanden ist das Kunstwerk in der Küche, gleich am Beginn der Ausgangssperre. Unsere Küche ist als Wohnküche konzipiert, d.h. sie stellt den Raum dar, in welchem sich die Familie trifft, wo grundlegendes wie die Nahrungszubereitung und das gemeinsame Essen, sowie die damit verbundene Kommunikation, geschieht. Es ist auch der Ort an dem ich lese und vielfach am Computer arbeite. Die Zeichnung zur Kitchen Performance entstand auch an diesem Ort, wie so oft versuchte ich das gesamte Projekt in einer Zeichnung zusammen zu fassen.
Wie würdest du den kreativen Prozess, der diesem Kunstwerk zugrunde liegt beschreiben? Beginnt alles mit einer Idee, die du im Kopf hast und die sich dann in Form einer Arbeit materialisiert oder entsteht der Inhalt beim Arbeiten?
Die Grundidee dieser Arbeit trug ich bereits seit vielen Monaten mit mir herum. Eine meiner letzten Reisen vor der Ausgangssperre brachte mich nach Cuneo, zur Residency „Living Room“ von Art.ur. Bei einer Familie untergebracht sollte ich die Auswirkungen des Klima- bzw. Zeitenwandels auf die Familie und ihren Alltag untersuchen und daraus ein künstlerisches Projekt entwickeln. Ursprünglich plante ich in diesem Kontext die Kitchen Performance umzusetzten. Durch die Eindrücke der Residency entschied ich mich allerdings für ein anderes Projekt, das wahrscheinlich umgesetzt wird, sobald das öffentliche Leben im Piemont wieder möglich wird.
Wie die Ausgangssperre auch in Südtirol eingeführt wurde und ich mich zu Hause in der Küche sitzend vorfand, zog ich die Idee wieder hervor und setzte die Arbeit in wenigen Tagen um, wobei sich das ursprüngliche Konzept um den Aspekt der Ordnung des Vorher und des Nachher erweiterte, da ich der Überzeugung bin, dass die Ordnung der Welt nach der globalen Corona Quarantäne eine andere sein wird als vor der Krise.
"The crisis has made us see our present age in a new and problematic light – and the future even more so." Dieses Zitat stammt aus der Werkbeschreibung von Krisenrezepte, die du 2009 in Rahmen der damaligen Wirtschaftskrise realisiert hast. Es scheint aktueller den je und könnte sich auch auf die aktuelle Covid-19 Krise beziehen. Die online Kitchen Performance (2020) ist deine ganz persönliche Antwort auf diesen Ausnahmezustand. Welche Strategie hast du dir zu eigen gemacht, um mit dem jetzt umzugehen und über das morgen nachzudenken? Wie schätzt du die Zukunft der Kulturproduktion hier in Südtirol ein?
Die aktuelle Krise hat viele verschiedene Aspekte. Manche Menschen sind mit all ihrem Dasein und ihren Kompetenzen gefordert, sie erleben den Virus direkt, ich meine damit alle diejenigen, die um ihr Leben kämpfen, ihre Angehörigen, das Sanitätspersonal und andere Personen, die sich um das Leben und Überleben kümmern.
Für viele Andere hingegen ist die Krise vor allem eine Auszeit, eine Art undefiniert-in-die-Länge-gezogener-Sonntag, der sowohl allerhand Probleme auf finanzieller, sozialer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene augenscheinlich macht, aber auch eine riesige Chance darstellt. Die Krise stellt, genauso wie jene von 2008, die Zukunft in Frage, d.h. wir können aus diesem Moment des Innehaltens eine neue Zukunft entwickeln. Wir haben erneut die Möglichkeit nachzudenken, wir können überlegen wie wir in Zukunft leben wollen und können die notwendigen Entscheidungen treffen, um diese Vision Realität werden zu lassen. Die Ordnung der Dinge wird eine andere sein, wie sie sich gestaltet liegt an uns!
Für mich, versuche ich aktuell, den Ausnahmezustand auf mich wirken zu lassen. Es ist eine vielleicht einmalige Chance hinzuhören, zu spüren und vielleicht zu erkennen wohin es gehen soll und kann. Mit zu viel Aktivität diese Zeit des Dazwischen auszufüllen, um sie nicht zu spüren und wahrzunehmen, empfinde ich für mich als die falsche Strategie, was nicht bedeutet, dass ich mich leicht damit tue still zu sitzen.
Auf die Kulturproduktion in Südtirol kommen wahrscheinlich schwierige Zeiten zu, einiges wird sich verändern und Veränderung ist fast immer irgendwie schmerzhaft. Ich gehe davon aus, dass einiges was vor der Covid-19 Krise Sinn machte, nachher sinnlos sein wird. Vieles ist neu zu denken und neu auszuprobieren. Ein guter Freund machte mich erst gestern am Telefon darauf aufmerksam, dass ich ihm vor einigen Monaten erzählt habe, wie mich die Kulturproduktion nicht nur in Südtirol–aber auch in Südtirol–oft langweilte. Aktuell freue ich mich auf die zukünftige Kulturarbeit, da ich denke, dass sie essenzieller, experimenteller, mutiger und somit auch spannender wird und hoffentlich eine gewichtige Stimme in der Neuordnung der Welt einnimmt.
HANNES EGGER
Kitchen Performance
Bleistift auf Papier
21 x 29,7 cm
weiß, unter Glas gerahmt
2020
400 €
(exkl. Steuern / exkl. Versand)
Hannes Egger (1981, lebt und arbeitet in Lana) hat Philosophie in Wien und Rom studiert. Seine Arbeiten wurden in Soloausstellungen im Centro d'Arte, Cavalese, (2018) Mewo Kunsthalle, Memmingen (2018), Galerie M, Berlin (2017), Empthy Cube, Lissabon (2016), Cubo Garutti/Museion, Bozen (2015), Export Kubus, Wien (2012), Stellwerk, Kassel (2009) gezeigt. An Gemeinschaftsausstellungen beteiligte er sich in der Fundaciò Joan Brossa, Barcelona (2020), Ferdinandeum, Innsbruck (2019), ZKM, Karlsruhe (2019), Curitiba Biennial, Curritiba (2019), Museion, Bozen (2017), Fondazione Barriera, Turin (2017), MMSU, Rijeka (2017), Kunsthalle Krems, Krems (2015), Dox, Prag (2014), Art Center, Krasnojarsk (2014), Cesac Caraglio (2012), Biennale di Venezia, Venedig (2011).