Stafflers Hilfeschrei
Das Mail ging am vergangenen Donnerstag an gut zwei Dutzend Abteilungs- und Amtsdirektoren. Absender ist der Generaldirektor des Landes Hanspeter Staffler. Verschickt wurde die heiße Depesche vom privaten Account des Landesmanagers.
Das Schreiben ist eine Bombe. „Ich wende mich in dieser Angelegenheit aus dem Krankenstand vertraulich an dich“, schreibt Staffler „um dir Einblick in die derzeitigen Vorgänge zur Novellierung des LG 10/92 zu geben und um dich um deine Meinung zu bitten.“
Was folgt ist ein schriftlicher Hilfeschrei eines Spitzenbeamten, der derzeit zwischen der Politik und dem höchsten Beamten des Landes aufgerieben wird. Der Hintergrund ist die geplante Reform der Landesverwaltung. Hanspeter Staffler dafür zuständig, hat einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der von der Politik desavouiert wird. Der Grund dafür ist einfach: Der Generaldirektor hat in seinem Vorschlag jene heiligen Kühe angetastet, die in der Landesverwaltung inzwischen mehr zusagen haben, als die Landesräte selbst: Die Ressortdirektoren und -direktorinnen.
Gleichzeitig werden in dem Schreiben eklatante Strukturfehler in der Landesverwaltung offengelegt. Geburtsfehler, die zu einem Machtkampf führen, der seit Monaten an der Spitze der Landesverwaltung tobt.
Landeshauptmann Arno Kompatscher setzt unmittelbar nach seiner Wahl eine neue Figur ein. Jahrzehntelang waren zwei Figuren in der Landesverwaltung bestimmend gewesen: Der Generalsekretär der Landesregierung bzw. des Landes und der Direktor der Abteilung Personal.
Wie jeder moderne Betrieb sollte auch das Land endlich einen Generaldirektor bekommen. Im Herbst 2014 wurde der damalige Chef des Südtiroler Zivilschutzes Hanspeter Staffler nach einem Auswahlverfahren zum ersten Generaldirektor des Landes berufen.
Doch schon vor der Berufung machte man einen (bewussten) Kapitalfehler. Der neue Generaldirektor wurde nicht wie es eigentlich logisch wäre im Ressort des Landeshauptmannes angesiedelt, sondern der Landesrätin für Personal und Innovation unterstellt.
Eigentlich sollte der Generaldirektor, die höchste Figur in einem Betrieb sein. Doch dem ist nicht so. Man lässt bewusst eine Zweigleisigkeit entstehen. Denn neben Staffler bleibt die Figur des Generalsekretärs des Landes bzw. der Landesregierung stehen. Eros Magnago untersteht direkt dem Landeshauptmann. Vor allem aber leitet er zwei der wichtigsten Abteilungen des Landes: Die Finanzen und die Rechtsabteilung. Bereiche in denen Magnago das alleinige Sagen hat und auch behauptet.
Generaldirektor Hanspeter Staffler: „Aus meiner Sicht ein fachlicher Fehler, aber politisch gewollt“.
Damit ist Hanspeter Staffler vom Start weg eine Art amputierter Generaldirektor. Es gibt wichtige Teil der Landesverwaltung, die ihm nicht unterstehen und für ihn tabu sind. In dieser Konstellation ist ein Machtkampf zwischen Staffler und Magnago vorprogrammiert. Ein Machtkampf, der inzwischen eskaliert.
Die VerwaltungsreformAm 15. Oktober 2014 hat Waltraud Deeg einen großen Auftritt. An diesem Nachmittag gibt die Landesrätin in der Bozner Eurac vor der Konferenz der Führungskräfte des Landes, anwesend sind rund 100 Abteilungs- und Amtsdirektoren den Startschuss für die „Verwaltungsinnovation 2018“.
Waltraud Deeg wörtlich: „Unsere Aufbauorganisation stammt aus dem Jahr 1992 und hat sich jahrelang bewährt. Die Aufgaben der Landesverwaltung und deren Komplexität sind seither weiter gewachsen. Angestiegen sind auch die Anforderungen an Qualität und Produktivität. Deshalb gilt es, diese Struktur zu hinterfragen und den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Was wir brauchen, ist ein grundlegendes Neudenken und Neugestalten.“
Politisch soll diese Reform von einem Lenkungsausschuss begleitet werden, dem neben Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrätin Martha Stocker, die Landesräte Christian Tommasini und Arnold Schuler, so wie Waltraud Deeg als Leiterin des Ausschusses angehören. Auf Verwaltungsebene soll Generaldirektor Hanspeter Staffler die Verantwortung tragen und die Reform maßgeblich ausarbeiten.
Staffler und Deeg setzen dabei von Anfang an auf Partizipation. Nach einer Umfrage unter den Bediensteten werden fünf zentrale Themen definiert, die dann in eigenen Arbeitsgruppen behandelt werden. Rund ein Jahr lang arbeitet Hanspeter Staffler mit rund drei Dutzend Abteilungs- und Amtsdirektoren an dem Reformvorschlag. Dann steht der Gesetzesvorschlag.
Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppen sind dann auch die Empfänger der vertraulichen Mail, die Hanspeter Staffler vergangene Woche verschickt hat. Im Schreiben heißt es:
„Als Kollege meines Vertrauens möchte ich dich über die Vorgänge in letzter Zeit unterrichten: Methodisch bin ich bei der Novellierung transparent und nachvollziehbar vorgegangen. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden dem Lenkungsausschuss für Innovation vorgelegt, dort gutgeheißen und protokolliert. ...(...)....
Mein Ansatz war, das Gute des LG 10/92 beizubehalten und mit neuen Erkenntnissen zu ergänzen. Ganz zentral habe ich die Rolle der Amtsdirektionen im Sinne von Lean Management herausgearbeitet, will sie stärken und als Führungskräfte beibehalten. Insgesamt, so glaube ich, ist uns ein ausgewogener, bürgerorientierter und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zeitgemäßer Vorschlag gelungen. Diesen Vorschlag wollte ich im Frühjahr mit einer Feedbackgruppe aus Amtsdirektoren und Abteilungsdirektoren diskutieren.“
Diese Vorstellung fand aber nie statt. Denn der Vorschlag von Hanspeter Staffler wurde, in einer gemeinschaftlichen Aktion von Politik, Ressortdirektoren und dem Generalsekretär der Landesregierung umgehend versenkt. Niemand sollte den Entwurf zu Gesicht bekommen.
Deshalb hat Staffler seinen Vorschlag per Mail vergangene Woche auch jenen zugeschickt, die daran mitgearbeitet haben.
Der Grund für die Auslösung des plötzlichen Frostalarm in den obersten Etagen der Landhäuser gegenüber dem eigenen Generaldirektor, ist ein zentraler Punkt in dem Entwurf. Der Statuts der Ressortdirektoren.
1992 waren die Ressortdirektoren als Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung eingeführt worden. Die Ressortdirektoren werden politisch berufen und sind keine Beamte. Sie müssen mit dem Landesrat nach fünf Jahren gehen oder wiederbestätigt werden.
Formal sind die Ressortdirektoren also nicht in die Verwaltung eingegliedert. Rein rechtlich ist ein Abteilungs- oder Amtsdirektor zwar dem Landesrat unterstellt, nicht aber dem Ressortdirektor. Der Grund für diese Regelung ist klar. Die Verwaltung soll autonom bleiben. Es soll eine klare Kontinuität in der Verwaltung geben, unabhängig von den politischen Entwicklungen.
Diese Zwitterstellung der Ressortdirektoren führt aber seit Jahren zu Problemen. Im Konfliktfall ist der Ressortdirektor ein Fürst oder eine Fürstin mit der leeren Taschen. Der Abteilungsdirektor hat nicht nur die Organisation, sondern auch das Geld in der Hand.
Vor diesem Hintergrund hat die Politik bereits vor Jahren begonnen, dieses System auszuhöhlen. So wurden gewisse Strukturen – etwa die Familienagentur – direkt dem Ressort unterstellt. Das Ansinnen der Politik: Die Ressortdirektoren sollen in die Verwaltung integriert werden. Damit würde ihre Macht entscheidend gestärkt.
Der Entwurf Hanspeter Stafflers geht aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Staffler will die Autonomie der Verwaltung stärken. Die Ressortdirektoren sollen klar als politischer Arm des Landesrates definiert werden. Stafflers ursprünglicher Entwurf sieht vor, dass die Ressortdirektoren als eine Art Kabinettschef in den Stab des Landesrates integriert werden.
Diese Regelung trägt auch der inzwischen erlassenen Madia-Reform Rechnung.
Marianna Madia, Ministerin für Verwaltungsreformen und -vereinfachung im Kabinett Renzi, hat 2014 einen Verwaltungsreform erlassen, die vorschreibt, dass es in der öffentlichen Verwaltung nur mehr zwei Direktionsebene geben darf. Demnach würde der Einbau der Ressortdirektor in die Verwaltung dieser Bestimmung widersprechen.
Als Stafflers Plan im Lenkungsausschuss bekannt wird, lassen die Ressortdirektor ihre Macht spielen. Aktiv unterstützt werden sie dabei vom mächtigsten Mann in der Landesverwaltung: Generalsekretär Eros Magnago. Magnago missfällt auch noch ein anderer Punkt in der Reform. Auch der Generaldirektor soll in Zukunft direkt dem Landeshauptmann unterstellt werden. Demnach wäre Staffler oder sein Nachfolger auf Augenhöhe mit dem Generalsekretär.
„Staffler hat mit diesem Vorschlag mehrere Machtzentren in der Landesverwaltung gegen sich aufgebracht“, sagt einer, der die Landesverwaltung wie seine Westentasche kennt, „und er hat damit sein Todesurteil unterschrieben.“
Bild aus glücklicheren Tagen: Landeshauptmann Arno Kompatscher, Generalsekretär Eros Magnago, Generaldirektor Hanspeter Staffler und Landesrätin Waltraud Deeg.
Versenkter EntwurfSo weit ist es noch nicht gekommen. Aber spätestens nach der Vorstellung seines Entwurfes ist es um Hanspeter Staffler einsam geworden. Allen voran distanziert sich seine Landesrätin Waltraud Deeg vom Generaldirektor und dessen Vorschlag.
Staffler schreibt sichtlich frustriert in seiner Mail:
„Darüber hinaus musste ich auch Anweisungen der Landesregierung übernehmen, wie die Übernahme der Ressortdirektoren in die Linienorganisation. Aus meiner Sicht ein fachlicher Fehler, aber politisch gewollt“.
In dem Schreiben wird auch dargestellt, wie radikal die Politik den Generaldirektor auflaufen lässt:
„Mein auf unsere Autonomie aufbauender Vorschlag ist dann um den 1. April 2016 auf das Missfallen der Landesrätin, des Generalsekretärs und einiger Ressortdirektoren gestoßen. Daraufhin haben Generalsekretär und Landesrätin einen völlig neuen Vorschlag nach zentralistischen Vorgaben in aller Kürze geschrieben. Dieser Vorschlag wird zurzeit politisch herumgereicht.“
Hanspeter Staffler hat seinen Entwurf protokolliert und Mitte April an Landeshauptmann Arno Kompatscher, Landesrätin Waltraud Deeg, dem Generalsekretär Eros Magnago, der Leitung der Rechtsabteilung Renate von Guggenberg, sowie dem Leiter der Vergabeagentur Thomas Mathá geschickt.
Seitdem herrscht Funkstille.
Stafflers Mail: Hilfeschrei eines Einsamen.
Magnagos GegenvorschlagDer neue Gesetzesvorschlag zur Reform der Landesverwaltung in aller Eile von Eros Magnago ausgearbeitet, wird derzeit gehütet wie eine Staatsgeheimnis. Ein Grund dafür dürfte die Ausrichtung sein. Denn Magnago stellt den Ansatz den Staffler gewählt hat, völlig auf den Kopf.
Nach Informationen von salto.bz sieht der Entwurf – so wie von der Landespolitik und den mächtigen Ressortdirektor gewünscht – den Übergang der Ressortchefs in die Landesverwaltung vor. Hierarchisch und organisatorisch.
Nach der Madia-Regelung darf es aber nur mehr zwei Führungsebenen geben. Deshalb muss eine Direktionsebene abgeschafft werden. Doch Eros Magnago und mit ihm die zuständige Landesrätin Waltraud Deeg wollen oben eine neue Direktionsebene schaffen und unten eine abschaffen.
„Nach dem jetzt vorliegenden Magnago-Entwurf sollen die Amtsdirektoren in Zukunft nur mehr leitende Beamte und keine sogenannten „dirigenti“ mehr sein.“
Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf sollen die Amtsdirektoren in Zukunft nur mehr leitende Beamte und keine sogenannten „dirigenti“ mehr sein. Damit soll zum einen den staatlichen Reformen Rechnung getragen werden und zum anderen das Durchgriffsrecht der Ressortdirektoren und damit der Politik in der Verwaltung enorm gestärkt werden.
Hanspeter Staffler, bei den Reformplänen aufs Abstellgleis geschoben, will und kann dazu nicht schweigen. Der Generalsekretär sucht in diesem ungleichen Kampf jetzt Hilfe bei jenen, die die Reform treffen wird.
Deshalb der Hilfeschrei per Mail am Donnerstag.
"das Durchgriffsrecht der
"das Durchgriffsrecht der Ressortdirektoren und damit der Politik in der Verwaltung enorm gestärkt": und das von der Landesregierung Kompatscher & Co, welche doch soviel moderner und partizipativer als Durnwalder & Co erscheinen will. Wenn ein scheinbar aufrichtiger Angestellter des Landes den modernen Weg beschreitet, dann sowas. Die Stille von LH und den anderen politisch Wirkenden wirkt schreiend ungerecht.
In risposta a "das Durchgriffsrecht der di Martin B.
.."scheinbar" oder nicht doch
.."scheinbar" oder nicht doch richtiger "anscheinend"?
Kompatscher, Deeg, Staffler .
Kompatscher, Deeg, Staffler .... alles Hoffnungsträger der Reformen im Lande. Mal sehen, wie weit es reicht !!
Die Zivilcourage Stafflers
Die Zivilcourage Stafflers bringt ein demokratiepolitisch gefährliches Vorhaben an den Tag: Die Landesregierung will anscheinend die Trennung zwischen Politik und Verwaltung aufheben, um unabhängige, eigenständig denkende Amtsdirektoren machtlos und durch die entstehende Drohkulisse wohl auch mundtot machen. Das erinnert stark an das Vorgehen bei der Herabstufung der obersten Denkmalschützerin Waltraud Kofler-Engl. Und noch mehr an das Rundmail des LH, welches die Positionen der Abteilungs- und Amtsdirektoren zum Flughafenthema abfragen wollte. Nur ein Sturm im Wasserglas oder Anzeichen leicht autoritärer Ansätze, die die demokratischen Alarmglocken läuten lassen sollten?
Danke Christoph, deine
Danke Christoph, deine Enthüllungen sind wertvoller als direkte Demokratie. Sicher finden sie Beachtung und ermöglichen Veränderungen mit entsprechender Durchschlagskraft!
...das hat man nun davon,
...das hat man nun davon, wenn man jemanden aus der eigenen verwaltung mit der reform beauftragt...jemand der weiss wo in der landesverwaltung zwei- und dreigleisig gearbeitet wird...wo sich die bürokratie sich mit sich selbst beschäftigt und sich selbst füttert...wo die selbstreferenz zum bestimmenden faktor der politiker und ihrer günstlinge geworden ist...ja, und wenn dann noch was mit hausverstand und vernunft zustande käme, ja dann zieht die politik alle register und stellt den "bösen buben" kalt...und ersetzt ihn beizeiten mit irgendeiner importierten firma, die mit viel reformspektakel dafür sorgt, dass am ende alles gleich bleibt...
In risposta a ...das hat man nun davon, di Hans Klein
......bzw. schlechter wird.
......bzw. schlechter wird.
Dass Amtsdirektoren keine
Dass Amtsdirektoren keine Vorgesetzten mehr sein sollen ist gelinde gesagt Unsinn, ich war 13 Jahre lang Sekretär einer Prüfungskommission, die laut staatlichen Bestimmungen von einem "dirigente" meiner Abteilung geleitet wird. Das kann aber nicht der Abteilungsdirektor sein, der vom Gegenstand der Prüfung wenig weiß!