Politica | Wahlgesetz

Brief nach Rom

Protestschreiben nach Rom aus der Bozner Brennerstraße: Das vorliegende Wahlgesetz ist für uns gestorben - und im Zweifelsfall auch die Regierungsmehrheit, droht die SVP.
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„In der Politik kann niemand Garantien geben“, sagt der Politikwissenschaftler Sergio Fabbrini nach dem Debakel um die Reform des italienischen Wahlgesetzes in der Abgeordnetenkammer. Eine Tatsache, an der auch der Treueschwur von PD-Chef Matteo Renzi am Freitag nur wenig zu verändern mag: „Wir werden niemals ein Gesetz gegen die SVP und gegen unsere Autonomiefreunde machen.“ SVP-Senator Karl Zeller versäumt es zwar nicht, den Südtirolern die Bedeutung einer solchen Rückendeckung zu verdeutlichen:„Wie oft in der Geschichte hat es das gegeben, dass sich der Chef der größten Volkspartei derart hinauslehnt und so etwas sagt?“, wird der römische Chefverhandler am Samstag von der Tageszeitung Dolomiten zitiert. Dennoch ging noch am Freitag ein geharnischtes Schreiben aus der Brennerstraße an die römische Regierung und den PD, in dem zumindest zwischen den Zeilen die Unterstützung der aktuellen Regierungsmehrheit in Frage gestellt wird. „Die Genehmigung des Abänderungsantrages 1535 zum Wahlgesetz ist ein Fehlverhalten, das so keineswegs toleriert werden kann“, lautet die unmissverständliche Botschaft an Ministerpräsident Paolo Gentiloni, PD-Vorsitzenden Matteo Renzi sowie die PD-Fraktionssprecher im Parlament Gianluigi Zanda und Ettore Rosato. Unterschrieben wurde das Dokument von Karl Zeller als Sprecher der Autonomiegruppe im Senat, Daniel Alfreider als Sprecher der Minderheitengruppe in der Abgeordnetenkammer sowie Landeshauptmann Arno Kompatscher und SVP-Obmann Philipp Achammer.

In dem zweiseitigen Schreiben unterstreichen die SVP-Politiker, dass es sowohl in der Kommission für Verfassungsangelegenheiten als auch im Plenum ein Einvernehmen zwischen der SVP und dem Partito Democratico, der Cinque-Stelle-Bewegung, Forza Italia und Lega Nord gegeben haben. „Mehrmals ist dabei bestätigt worden, dass der vom Emanuele Fiano in der Kommission vorgelegte Gesetzestext nicht Gegenstand von Abänderungen sein wird“, heißt es in dem Schreiben. „Das erzielte Einvernehmen hinsichtlich der Beibehaltung der Einmannwahlkreise in der Region Trentino-Südtirol war ein wesentlicher, nicht mehr verhandelbarer Punkt dieser Übereinkunft.“

Die Einmannwahlkreise seien aus verfassungsrechtlichen Gründen, aufgrund internationaler Vereinbarungen und nicht zuletzt aufgrund des Autonomiestatutes indiskutabel, erklären Karl Zeller, Daniel Alfreider, Arno Kompatscher und Philipp Achammer. „Sie sind und waren das Modell, das dem Prinzip der Absicherung und des Schutzes der Sprachgruppen gerecht wird – deren angemessene Vertretung ist eine wesentliche Grundlage unseres Zusammenlebens.“  Die Abänderungsanträge von Riccardo Fraccaro und Michaela Biancofiore seien ein weiterer Versuch, die Vertretung der sprachlichen Minderheiten zu schwächen – und auch für die italienische Sprachgruppe in Südtirol, ein wesentlicher Rückschritt. „Die Anwendung der regionalen 20-Prozent-Hürde auch für die Wahl in den Einmannwahlkreisen gefährdet die Vertretung der sprachlichen Minderheiten im Parlament in besonderer Art und Weise – zudem steht sie im Widerspruch zur Verfassung.“

Immerhin habe der Verfassungsgerichtshof in seinen Urteilen Nr. 1/2014 und Nr. 35/2017 nichts gegen die Anwendung des so genannten 'Mattarellum' nur in der Region Trentino-Südtirol eingewendet, erinnern die vier SVP-Politiker in ihrem Brief. Dieses sei somit als verfassungskonform angesehen worden. Für die SVP sei das vorliegende Wahlgesetz nach diesem Debakel gestorben, machen Zeller, Alfreider, Kompatscher und Achammer der Regierung in Rom klar. „Die Abstimmung am Donnerstag hat so tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Autonomie, dass eine Fortsetzung der Arbeiten am bisher genehmigten Gesetzestext unmöglich ist – eine solche würde lediglich der Zusammenarbeit mit der aktuellen politischen Mehrheit schaden.“  Eine deutliche Erinnerung daran, dass die Einführung des Mattarellums für beide Kammern ein wichtiger Punkt des Abkommens zwischen SVP und PD im Jahr 2013 war. Die Rute ist ins Fenster gestellt - und zumindest vorerst bleibt ohnehin alles beim Alten.