Economia | Bauernproteste

Der Verbündete aus dem Öko-Lager

Dass Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler die Traktoren auf den Autobahnen Deutschlands unterstützt, liegt nahe. Auch eine Südtiroler Umweltorganisation zeigt Verständnis.
Bauernprotest in Deutschland
Foto: Hessischer Bauernverband e.V./Facebook
  • In Deutschland gehen diese Woche die Bauern auf die Straße. Seit Montag kommt es in zahlreichen Städten und an Autobahnen zu Blockaden und erheblichen Verkehrsbehinderungen. Überraschenderweise finden sowohl der Südtiroler Bauernbund als auch der Heimatpflegeverband Südtirol die Proteste zumindest zum Teil berechtigt. Es müsse gemeinsam ein Weg gefunden werden, um die Nutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser profitabel und nachhaltig zu machen – in Deutschland und auch in Südtirol. 

    „Es braucht Fördermittel, weil wir als Bauern mit dem internationalen Markt konkurrieren müssen.“

    Mit Hunderten Traktoren blockierten Landwirte etwa in Mecklenburg-Vorpommern landesweit die Auffahrten von Autobahnen. Dabei erhielten sie von Speditionsunternehmen Unterstützung, die sich gegen die Erhöhung der Lkw-Maut wehren. Auch Handwerker und Hoteliers beteiligen sich an den Demonstrationen. Alleine in München versammelten sich am Montag rund 5.500 Traktoren in der Innenstadt. Einige Autofahrer versuchten die Blockaden zu durchbrechen, mehrere Demonstranten wurden verletzt. 

  • Bauernprotest in Berlin: Bereits im Dezember protestierten etwa 5.000 Teilnehmer aus ganz Deutschland vor dem Brandenburger Tor gegen die Pläne der Bundesregierung. Foto: Hessischer Bauernverband e.V./Facebook
  • Grund für die Proteste sind die Kürzungspläne der deutschen Ampel-Regierung, um das Haushaltsloch zu stopfen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat deshalb gemeinsam mit den Landesbauernverbänden zu der Aktionswoche aufgerufen, um gegen die Streichung von Subventionen für die Branche zu demonstrieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Steuervergünstigung von Agrardiesel, die schrittweise bis 2026 auslaufen soll. Die geplante Aufhebung der Kfz-Steuerbefreiung hat die Regierung bereits zurückgenommen.

  • Leo Tiefenthaler: „Wenn es wirklich pressiert, dann sind auch unsere Bauern bereit zu demonstrieren.“

    Der Südtiroler Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler unterstützt die Proteste in Deutschland: „Es war nicht richtig von der Regierung, kurzfristig die Regelungen zu ändern, so konnten sich die Bauern nicht einmal darauf einstellen. Abgesehen davon gibt es weiterhin die Notwendigkeit, Fördermittel auszuzahlen, weil wir als Bauern mit dem internationalen Markt konkurrieren müssen.“

    Derzeit könne kein direkter Zusammenhang der Bauernproteste mit Südtirol hergestellt werden. „Aber man muss sagen, wenn wir größere Probleme haben, dann gehen wir auch auf die Straße“, sagt Tiefenthaler. Er verweist auf die vom Bauernbund mitorganisierte Demonstration gegen Großraubwild in Sterzing im Jahr 2019, an der rund 1.500 Menschen teilnahmen. „Wenn es wirklich pressiert, dann sind auch unsere Bauern bereit zu demonstrieren.“

  • In Deutschland wurde mit der Streichung des Agrardiesels eine Subvention für fossile Energieträger abgeschafft, schließlich will die Ampel-Regierung mit den Grünen in der Koalition Fortschritte beim Klimaschutz erreichen. Diese Gangart kommt bei vielen Bauern nicht gut an. „Es geht auch um die Perspektivlosigkeit unseres Berufs. Egal in welchem Bereich, nirgendwo wird unser Wissen und unsere Bereitschaft, Qualität bei Nachhaltigkeit und Biodiversität umzusetzen, unterstützt. Wir müssen betteln, um überhaupt noch Nahrungsmittel für diese Gesellschaft erzeugen zu dürfen“, erklärt ein aufgebrachter deutscher Landwirt auf Facebook

    „Die zentrale Frage ist die Art der Subventionierung, sie sollte stark auf Landschaftspflege und Biodiversität ausgerichtet werden.“

    Auch der Südtiroler Bauernbund-Obmann betont: „Wir Bauern in Südtirol setzen bereits viele Maßnahmen für eine nachhaltigere Landwirtschaft um, etwa die Umstellung auf Tropfberegnung, die Errichtung von Speicherbecken für Wasser, die Einsparung von Pflanzenschutzmitteln sowie die Einsaat von blühenden Kräutern für Insekten im Weinbau.“ Dass gerade neu geplante Speicherbecken in den Wäldern von Kaltern für Aufregung bei Umweltschutzorganisationen sorgen, beeindruckt ihn wenig. 

    „Wir müssen gemeinsam Wege finden, Wasser zu speichern und zu sparen. Die Landwirtschaft hat dafür bereits sehr viel getan, aber natürlich ist die ganze Bevölkerung dazu aufgerufen, diesbezüglich zu agieren. Wenn wir Speicherbecken bauen müssen, dann muss auch irgendwo ein Wald gerodet oder ein Tal aufgefüllt werden. Für die Stauseen in Ulten, im Vinschgau oder im Eisacktal mussten bereits viele landwirtschaftliche Flächen oder Wald weichen“, so Tiefenthaler. 

  • Florian Trojer: „Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, was wir wollen und anerkennen, dass ein Bauer wirtschaftlich arbeiten will und muss.“ Foto: Heimatpflegeverband

    Zurück zu den Bauernprotesten in Deutschland. Florian Trojer, Geschäftsführer vom Heimatpflegeverband (HPV), beurteilt die Demonstrationen so: „Ich finde es wichtig, dass jeder das Recht hat, für die eigenen Interessen auf die Straße zu gehen, ob als Bauer oder Klimaaktivistin. Vordergründig geht es bei den Bauernprotesten in Deutschland um die Kfz-Steuer und den Agrardiesel, dahinter steckt aber eine grundlegende Unzufriedenheit der Bauern, das spürt man auch bei uns in Südtirol. Zum Teil finde ich diese Unzufriedenheit berechtigt.“ Etwa seien die Agarsubventionen auf EU-Ebene vor allem auf Großbetriebe ausgerichtet, wovon die kleinstrukturierte Berglandwirtschaft hierzulande wenig profitieren kann. 

    „Gerade in Südtirol ist es schwierig, ein Bergbauer zu sein, ich spreche hier nicht von Betrieben in Tallagen und im Obst- und Weinbau. Die zentrale Frage ist die Art der Subventionierung, sie sollte stark auf Landschaftspflege und Biodiversität ausgerichtet werden. Außerdem müssen wir als Konsumenten uns selbst an die Nase fassen und bereit sein, für lokal produzierte hochqualitative Landwirtschaftsprodukte einen angemessenen Preis zu bezahlen. Die Proteste in Deutschland haben ihren Ursprung nicht zuletzt in der mangelnden Wertschätzung der Konsumenten den Bauern gegenüber“, sagt Trojer. 

  • Deshalb sei eine ehrliche Debatte notwendig: „Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, was wir wollen und anerkennen, dass ein Bauer wirtschaftlich arbeiten will und muss“, erklärt der Geschäftsführer vom HPV. Da die Landwirtschaft bei Fragen zu Biodiversität, Klimaschutz und Landschaftsbild eine wesentliche Rolle spiele, brauche es eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. „Vor allem in der Diversifizierung der Landwirtschaft liegt ein großes Potential, da so regionale Kreisläufe, die Artenvielfalt und auch das Berufsbild des Bauern gestärkt werden können“, sagt Trojer. 

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Johannes Engl Ven, 01/12/2024 - 21:53

Das mit dem Speicherbecken sollte Herr Tiefenthaler nochmals vertiefen: sinngemäß sagt er: WIR bauen die Speicherbecken ...
Zum Fall von Kaltern bzw Altenburg (es ist der schönste Laubwald, den ich kenne): wie ich informiert bin gehört der Wald der Gemeinde, bauen soll das Speicherbecken auch die Gemeinde oder das Land. WER baut hier also auf wessen Kosten ein Speicherbecken? Es soll wohl eher zugunsten der Obstbauern mit öffentlichem Geld ein Speicherbecken in einem der schönsten Wälder Südtirols gebaut werden.

Ven, 01/12/2024 - 21:53 Collegamento permanente
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Johannes Engl Ven, 01/12/2024 - 22:07

Herr Trojer sagt viel Wahres: alle dürfen für Ihre Forderungen auf die Straße gehen. Es kommt in meinen Augen allerdings etwas brachial rüber, wenn Bauern, deren Forderungen bereits von sehr starken Verbänden durchgesetzt werden, dann auch noch mit den Traktoren auffahren und Straßen blockieren.
Ich frage mich wieviele Traktoren mit Reifenkrallen und Fahrer in Handschellen abgeführt worden sind - analog zu den Klebstoff-AktivistInnen. Besteht da vielleicht doch ein Ungleichgewicht bzw. eine eklatante Ungleichbehandlung?

Ven, 01/12/2024 - 22:07 Collegamento permanente
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Herta Abram Ven, 01/12/2024 - 23:06

Herr Tiefenthaler bleiben Sie beim Thema und hören Sie bitte endlich damit auf, den "Wolf"vorzuschieben oder alleiniges Verfügungsrecht zum Allgemeingut Wasser
einzufordern.
Reden Sie über das wirkliche Problem: Die Bauern sind ganz grundsätzlich über die völlig verfehlte Agrarpolitik verzweifelt!

Der freie Weltmarkt, auf dem sie bestehen müssen, ist schlicht unfair. Ohne Subventionen überlebt kein Bergbauern - oder Kleinbetrieb. Die Arbeitskosten, die Art der Tierhaltung: in Ost- und Westeuropa ist die Situation einfach völlig anders. Dazu kommen die Billigimporte, die immer schärferen Vorgaben der Politik , die fehlende Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie, die Massenbetriebe im Norden Europas...
(Nicht die Abschaffung des Dieselprivilegs für Agrardiesel ist das Problem in D, es hat aber das Fass zum überlaufen gebracht.)

Herr Tiefenthaler reden Sie davon, was Sie tun können:
-Wesentliche Entbürokratisierung bei Direktvermarktung
-Klare, nachvollziehbare Lebensmittelherkunft- Kennzeichnung
- Kleine Familienbetriebe fördern
- Keine Handelsabkommen, die die heimische Produktion gefährden
- Verbot der Lebendtiertransporte, kein IT Stempel auf ausländische Tiere
- Subventions- und Steuerpolitik ändern
- Konsumenten mitnehmen und sensibilisieren

"Vor allem in der Diversifizierung der Landwirtschaft liegt ein großes Potential, da so regionale Kreisläufe, die Artenvielfalt und auch das Berufsbild des Bauern gestärkt werden können“, sagt Trojer."

Ven, 01/12/2024 - 23:06 Collegamento permanente