Politica | Falschmeldung?

Geheimes Wunschdenken?

Landeshauptmann Arno Kompatscher negiert die Existenz eines “Geheimprotokolls” zwischen SVP und Lega – und unterstellt salto.bz indirekt, Fake News zu verbreiten.
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Foto: Pixabay

Haben SVP und Lega ein Zusatzabkommen vereinbart, das der Öffentlichkeit vorenthalten worden ist bzw. wird? Eigentlich wäre die Frage ganz einfach mit Ja oder Nein zu beantworten gewesen. Doch die Blöße wollte sich Arno Kompatscher wohl nicht geben. Viel eher windet er sich um eine klare Antwort – und nennt dabei die Berichterstattung von salto.bz in einem Atemzug mit Fake News und Falschmeldungen im Internet.

 

Roher Dezember

Die Regierungsverhandlungen zwischen SVP und Lega sind am Laufen, da schreibt salto.bz Mitte Dezember über einen ersten Entwurf des Koalitionsabkommens der künftigen Landesregierung, die “Rohfassung Regierungsvereinbarung”, so der Name der Textdatei. Im 55-seitigen Dokument, das im Dezember zwischen SVP und Lega hin- und hergereicht wird, findet sich unter Kapitel 3 (“Für ein stabiles und starkes Südtirol”) der gelb hervorgehobene Untertitel “Zusatzabkommen”.

Unter anderem ist dort eine Änderung des Wahlgesetzes mit einer Sperrklausel von 4 Prozent festgeschrieben. Ebenso wie eine “Reform der Bezüge und des Pensionssystems der Mandatare und Gemeindeverwalter”. Und eine nicht näher ausgeführte “Wahlkampfkostenrückerstattung”, über die salto.bz Anfang März berichtet. Dazu wird als Beleg einen Screenshot der entsprechenden Passage auf Seite 15 veröffentlicht.

Im offiziellen Regierungsabkommen, das Anfang Jänner publik gemacht wird, fehlt von den drei Punkten jede Spur.

Nun hat der Grüne Riccardo Dello Sbarba die Aktuelle Fragestunde im Landtag genutzt, um beim Landeshauptmann höchstpersönlich nachzufragen. Haben SVP und Lega ein Zusatzabkommen vereinbart? Falls ja, wer hat es unterzeichnet und welche Maßnahmen sind darin vorgesehen? Haben die Landtagsabgeordneten der Mehrheit das Dokument erhalten? Und ist die Landesregierung bereit – im Sinne der Transparenz – auch den restlichen Landtagsabgeordneten dieses Papier auszuhändigen?

 

Geheime Wünsche

Mit diesen vier Fragen wendet sich Dello Sbarba am Dienstag Nachmittag an Arno Kompatscher. Dieser antwortet mit einem Lächeln auf den Lippen: “Nein, es gibt keinen Geheimbrief, auch nicht mit Geheimtinte unterschrieben – das gibt es nicht. Nebenbei: Wenn es geheim wäre, wäre es ja geheim, dann könnte ich es ja auch nicht sagen. Aber ich kann Ihnen ganz offen sagen: So etwas gibt es nicht. Es gibt keine Geheimprotokolle.

Nach der Existenz eines Geheimbriefs oder Geheimprotokolls hat Dello Sbarba allerdings nicht gefragt. Entsprechend unzufrieden hakt der Grüne nach. Er verweist auf den von salto.bz veröffentlichten Screenshot und meint, zu Kompastcher gewandt: “Aber können Sie mir erklären, um welchen Text es sich dabei handelt? Erkennen Sie ihn wieder? Schließlich wurde er nie dementiert. Sind das Punkte, die die Mehrheit tatsächlich in dieser Legislatur behandeln will?”

Er wisse “jetzt nicht, um welches Papier es sich handelt”, weicht Kompatscher aus. Es sei möglich, dass es sich um irgendeine der vielen “Wunschlisten” handle, die im Zuge der Regierungsverhandlungen aufgetaucht seien. “Es gab damals auch x Versionen von der Vereinbarung selbst. Und ich weiß nicht, was da in einer Zeitung abgedruckt worden ist.”

Falls das stimmt, muss sich Kompatscher die Frage gefallen lassen, weshalb er sich als Landeshauptmann und Verhandlungsführer zwischen SVP und Lega nicht erinnert, was in einem 55 Seiten starken, als “Rohfassung Regierungsvereinbarung” – und nicht etwa “Wunschlistensammlung” – gekennzeichnetem Dokument, das immerhin die Basis des späteren Regierungsabkommens bildet, steht – und warum ihm so gewichtige “Wünsche” wie eine Wahlgesetzänderung entgangen sein sollten.

 

Falsche Transparenz

Doch zu seiner Verteidigung auf seine Gedächtnislücken zu verweisen, reicht Arno Kompatscher nicht – er geht zum Angriff über. Dello Sbarbas Nebensatz, dass die Nachricht von der Existenz eines Zusatzabkommens von niemandem dementiert worden sei, nutzt der Landeshauptmann für eine Medienschelte. Nur weil die Nachricht nicht dementiert worden sei, sei sie noch lange nicht wahr, so die Message. Aber man könne nicht “alles, was an Fake News und Falschmeldungen herumläuft” dementieren – “dann wären wir ständig dabei”. Mehr oder weniger direkt deutet der Landeshauptmann damit an, salto.bz habe Falschmeldungen verbreitet. Und kündigt an, dass den Journalisten künftig auf die Finger geschaut werden soll: Um auf “dieser Fake-News-Ebene” dagegenhalten zu können, auch dazu brauche es die neuen Pressesprecher der Landesregierung, meint Kompatscher. Denn: “Die Leute glauben das dann auch noch, was da geschrieben wird, im Internet und so weiter.”

Für Riccardo Dello Sbarba steht jedenfalls fest: “Zu sagen, dass es sich bei der Nachricht von der Existenz eines Zusatzabkommens um eine Fake News handelt, ist zu einfach. Das Dokument muss es geben – schließlich hat salto ein Foto davon veröffentlicht. Die Tatsache, dass Kompatscher nicht erklären konnte oder wollte, um welches Dokument es sich handelt, ist besorgniserregend was die mangelnde Transparenz des Paktes von SVP-Lega angeht.”