Politik | was kostet politik?

Wiedergänger Parteienfinanzierung

Die Hinweise verdichten sich, dass Südtirols Parteien über kurz oder lang öffentliche Gelder kriegen sollen. Einer läuft Sturm. Andere sagen nicht nein, aber...
Geldhahn
Foto: Pixabay

Dass die SVP “mäßiges Interesse” an der Sache hat, wie Alessandro Urzì vermutet, dürfte wohl leicht untertrieben sein. Gar manchem im Landtag ist die Umtriebigkeit einiger SVP-Abgeordneter nicht verborgen geblieben. Der triftigste Hinweis auf das Vorhaben aber findet sich im Regierungsprogramm von SVP und Lega selbst. Nicht im offiziellen, wohlgemerkt. Sondern in einem “Zusatzabkommen”, das nie öffentlich gemacht wurde.

“Wahlkampfkostenrückerstattung” heißt es darin unter Kapitel 3. Übersetzt: Es sollen öffentliche Gelder für Südtirols Parteien fließen.

Während Urzì nun Sturm dagegen läuft, zielt die Kritik einer anderen Oppositionspartei weniger auf das Vorhaben als vielmehr den Stil der Mehrheit ab.
Dabei steht die Frage im Raum: Darf Südtirol überhaupt eine eigene Parteienfinanzierung einführen?

 

Auf- und zugedreht

Es ist inzwischen 45 Jahre her. Am 2. Mai 1974 tritt das so genannte “Piccoli-Gesetz” in Kraft. Damit wird in Italien erstmals die staatliche Parteienfinanzierung eingeführt. Korruption und Einflussnahme durch große Wirtschaftskonzerne auf die Politik soll damit unterbunden werden. 19 Jahre und einen Tangentopoli-Skandal später wendet sich das Blatt wieder. 90,3 Prozent der Wähler stimmen bei einem Referendum im April 1993 dafür, die Parteienfinanzierung wieder abzuschaffen.

1999 werden mit der Einführung der Rückerstattung von Wahlkampfkosten die öffentlichen Kassen für die Parteien erneut geöffnet. Bis 2014 und der so genannten “Letta-Reform”, mit der der Geldhahn schrittweise zugedreht wird. Seit 2017 ist die staatliche Finanzierung wieder abgeschafft – was auch für Südtirols Parteien bedeutet: Kein Geld aus Rom.
Die einzige Möglichkeit, an externe finanzielle Unterstützung  zu kommen, sind seither private Beiträge, in Form von Spenden – maximal 100.000 Euro im Jahr dürfen Einzelpersonen an Parteien spenden – oder der 2 Promille auf der Steuererklärung. Derzeit hat von den Südtiroler Parteien einzig die SVP – 287.329 Euro flossen 2018 dadurch in die Edelweiß-Kassen – darauf Anspruch. Denn nur Parteien, die mindestens einen gewählten Vertreter unter dem Listenzeichen der Partei im italienischen oder europäischen Parlament stellen, dürfen die 2 Promille zuerkannt bekommen.

Geht es nach Alessandro Urzì, soll das auch so bleiben. Schon Ende 2016 fordert der Landtagsabgeordnete von Alto Adige nel Cuore im Rahmen der Haushaltsdebatte “ein klares Nein zu einer Parteienfinanzierung durch das Land”. “Ich würde das nicht eigens fordern, wenn die Möglichkeit im Landtag nicht bereits angeklungen wäre”, so Urzì damals.
Was ist passiert?

Zwei Wochen zuvor ist in Südtirol das Gesetz über die Neuregelung der Personalkosten der Landtagsfraktionen verabschiedet worden. Im Zuge der Arbeiten dazu, so Urzì, hätten einige SVP-Abgeordnete angekündigt, eine öffentliche Finanzierung der Parteien durch das Land in Angriff nehmen zu wollen. Urzì stemmt sich vehement dagegen: “Die Kosten der Parteien – wohlgemerkt nicht der Politik, sondern der Parteien – müssen von den Parteien mit deren Anhängern und Mandataren selbst getragen und nicht den Bürgern aufgebürdet werden.”

 

Kein Thema?

“Es gibt derzeit keine gesetzliche Initiative zur Parteienfinanzierung”, versichert Dieter Steger Anfang Februar 2017, als ein entsprechender Beschlussantrag Urzìs im Landtag diskutiert wird. Zugleich liefert der damalige SVP-Fraktionssprecher einen Hinweis darauf, dass sich seine Partei sehr wohl Gedanken gemacht hat. “Eine private Parteienfinanzierung gefährdet das freie Mandat – fortschrittliche Demokratien haben eine sehr hohe Parteienfinanzierung, damit Politiker nicht von irgendwelchen Geldgebern abhängig werden”, so Steger. Das Freiheitliche Urgestein Pius Leitner sieht es damals ähnlich: “Man sollte eine sachliche und transparente Diskussion über Abgeordnetengehälter und Parteienfinanzierung, dann wird man bei der Bevölkerung auch Verständnis finden.”

Knapp eineinhalb Jahre herrscht in der Sache Stille. Wohl auch, weil im Oktober 2018 Landtagswahlen anstehen, lässt man die Finger vom Reizthema Politik- bzw. Parteikosten. Bis vergangenen Juli Alessandro Urzì seinen Beschlussantrag von 2016 wieder aus dem Hut zaubert. Er wird mit großer Mehrheit – 3 Ja, 20 Nein, 3 Enthaltungen – vom Landtag abgelehnt.

In der Debatte stellt sich heraus: Nicht nur die SVP, sondern auch weite Teile der Opposition stehen einer öffentlichen Parteienfinanzierung durchaus wohlwollend gegenüber. “Jede Partei hat das Recht auf Unterstützung – und dann liegt es an den Bürgern, ob sie ihre Ideen mittragen”, meint die SVP-Abgeordnete Maria Hochgruber Kuenzer. “Eine Partei, die vom Volk gewählt wurde, hat eine politische Legitimation und muss auch arbeiten können”, findet Sven Knoll (STF). Und Brigitte Foppa (Grüne) spricht sich für “eine transparente öffentliche Finanzierung” aus, “die die Parteien auch zwingt, Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen”. Auch der damalige Landtagspräsident Roberto Bizzo (PD) sieht in einer transparenten Finanzierung der Politik “eine Notwendigkeit – die Alternative wären dunkle Finanzierungskanäle”.

 

Was darf Südtirol?

Der Herbst zieht ins Land, die Wahlen sind geschlagen. Da taucht in der Vorweihnachtszeit 2018 ein erster Entwurf des Regierungsprogramms von SVP-Lega auf. In einem geheimen “Zusatzabkommen” schreiben die Parteien einige Maßnahmen fest, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, in den kommenden Jahren aber angegangen werden sollen. Etwa eine Änderung des Wahlgesetzes mit der Einführung einer 4-Prozent-Sperrklausel. Und eine “Wahlkampfkostenrückerstattung”. Damit würden den Parteien erneut öffentliche Gelder bereit gestellt werden – vom Land anstatt vom Staat. Nur: Nach außen dringt das alles nicht.

Alessandro Urzì scheint die Lunte gerochen zu haben. Ende vergangener Woche macht er erneut mobil. Er werde seinen Beschlussantrag ein weiteres Mal in den Landtag bringen, kündigt der italienische Rechtspolitiker an – und ruft alle politischen Kräfte auf, sich gegen eine eventuelle Gesetzesinitiative auszusprechen und “die Parteienfinanzierung nicht heimlich wieder einzuführen”. “Auf nationaler Ebene abgeschafft, darf und kann die öffentliche Finanzierung nicht unter falschem Namen in Südtirol wieder eingeführt werden, um die Schulden, die die großen Parteien angehäuft haben, zu begleichen”, schimpft Urzì.

Ist dem aber so? Darf bzw. kann Südtirol tatsächlich keine Parteienfinanzierung einführen, die Rom abgeschafft hat?

 

Weil grundsätzlich möglich...

Diese Grundsatzfrage wird bereits ausgiebig diskutiert, als es im Frühjahr vor zwei Jahren im Landtag darum geht, ob Südtirol sich bei den Gehältern der Landesregierung an die Obergrenzen des Monti-Dekretes halten muss oder nicht. In zwei gegensätzlichen Gutachten kommen Giuseppe Caia und Giandomenico Falcon zu grundverschiedenen Schlüssen. Laut Caia müssen sich auch die Autonomen Provinzen an die staatlich festgeschriebenen Vorgaben halten. Falcon hingegen resümiert, dass Südtirol in Finanzfragen sehr wohl eigenmächtig gesetzgeberisch tätig werden kann.

Der Landtag folgt Falcons Ausführungen und beschließt per Landesgesetz die “Neuregelung der Bezüge der Organe des Landtages und der Landesregierung” – in Abweichung vom Monti-Dekret. Im Oktober 2017 fragt der Trentiner 5-Sterne-Abgeordnete Riccardo Fraccaro deshalb bei Unterstaatssekretär Gianclaudio Bressa nach. In seiner Antwort verweist Bressa auf mehrere Urteile, mit denen der Verfassungsgerichtshof festgestellt habe, dass Südtirol aufgrund der Finanzautonomie des Landes sehr wohl eigene Gesetze erlassen kann – solange diese nicht Ausgaben mit sich bringen, die den Staatshaushalt betreffen (“spese non gravanti sul bilancio dello Stato non sono soggette a norme di coordinamento finanziario (dello Stato)”.
Dieser Grundsatz dürfte nun auch in der Frage einer möglichen öffentlichen Parteienfinanzierung nur für Südtirol herangezogen werden. Mit anderen Worten: Eine Parteienfinanzierung, die mit Mitteln aus dem Südtiroler Haushalt gestemmt wird, ist wohl zulässig.

Nicht (nur) deshalb wird sich Alessandro Urzì vermutlich sehr einsam fühlen, sollte der Landtag tatsächlich über die Einführung einer Parteienfinanzierung diskutieren. Dabei hat nicht nur er die Signale aus der Mehrheit vernommen.

 

...wird sie wohl kommen – nur wie?

In seiner Rede zur Wahl der Landesregierung am 25. Jänner bringt Paul Köllensperger das Thema zur Sprache: Auch wenn davon kein Wort im Programm der Regierung stehe, wette er darauf, “dass ihr über eine Rückkehr der Parteienfinanzierung nachdenkt”, sagt der Fraktionssprecher von Team Köllensperger, zur SVP gewandt. Über die (Wieder-)Einführung einer öffentlicher Finanzierung könne und sollte man diskutieren – das Team Köllensperger sei “durchaus bereit zu reden”, sagt der Parteichef. Was ihn vielmehr störe, sei, dass die SVP ihre Absichten nicht offen erkläre. “Wenn man vorhat, etwas zu tun, dann gehört das in ein Regierungsabkommen, dann sollte man es auch sagen. Wir werden Sie hier im Landtag daran erinnern, wenn es soweit ist.”

À propos erinnern: Als 5-Sterne-Abgeordneter hatte sich Köllensperger bei der Debatte um die “Letta-Reform” Ende 2013 noch gegen jedwede öffentliche Parteienfinanzierung stark gemacht – mit einem ähnlichen Argument wie Alessandro Urzì: “Die WählerInnen sollen auf freiwilliger Basis jene Parteien unterstützten, die ihr Vertrauen genießen.”