Tiroler Grüne üben sich im Spagat
Am späten Montag Nachmittag treffen sich die Tiroler Grünen im Gemeindezentrum von Götzens zu einer kurzfristig einberufenen Landesversammlung. Nach der Wahl einer Bundesrätin geht es um 19.30 Uhr im Worldcafè zur Sache: der Vorstellung der einzelnen Kapitel des Regierungsabkommens mit der Volkspartei. Sollte sich die Grüne Basis nicht querstellen, dürfte Tirol demnächst erstmals von einer schwarz-grünen Koalition regiert werden.
Seit der zweiten Maiwoche verhandelten Arbeitsgruppen beider Parteien intensiv hinter verschlossenen Türen über Kernthemen wie Kraftwerksbau, Agrargemeinschaften, Bildung oder Pflege. Angesichts teils entgegengesetzter Positionen überwogen in den ersten Verhandlungstagen auf beiden Seiten Skepsis und Zweifel. Ende der Woche scheint aber der Durchbruch gelungen zu sein. Am Samstag berichtete die Tiroler Tageszeitung, dass der schwarz-grüne Koalitionspakt bis Montag geschnürt werden soll. Am Wochenende wurde nun nicht nur über die Details des Regierungsabkommens, sondern auch über die Resssortverteilung verhandelt. Und zumindest Landeshauptmann Günther Platter scheint mit den Ergebnissen zufrieden zu sein. Er verkündete am Sonntag: „Noch im Mai soll die neue Landesregierung angelobt werden.“
Oppositionelle Töne gibt dagegen der bisherige Koalitionspartner SPÖ von sich. Tirols Parteichef Gerhard Reheis warnte die Grünen in einer Aussendung davor, sich bei den Koalitionsverhandlungen „bei ihren Kernthemen über den Tisch ziehen zu lassen". „Das, was jetzt durchsickert, ist äußerst bedenklich", teilte er in einer Aussendung mit. Er vermisse bei Streitthemen rund um einen Skigebiet-Zusammenschluss oder bei den Kraftwerksbauten die inhaltliche Positionierung der Grünen.
Ohne Zweifel wird die Regierungsverantwortung den Grünen so manchen Spagat abverlangen. Wie dies ihre Basis aufnimmt, wird sich am Montag Abend zeigen. Doch mittlerweile bekommen die österreichischen Grünen in solchen Balanceakten immer mehr Übung. Denn nach Oberösterreich und Wien regieren sie seit Ende März auch in Kärnten in einer Dreier-Koalition mit SVP und ÖVP mit. Sollte auf Tirol nun auch Salzburg folgen, wo seit dem Wochenende gar die Möglichkeit einer Grünen Landeshauptfrau besteht, würden sie in mehr als der Hälfte von Österreichs Bundesländern in der Regierung sitzen.
Grünbewegte in Nord und Süd...
Positiver Artikel. Auch wenn das nun Nordtirol behandelt so sollte man schon daran denken daß es unter Umständen auch in Südtirol für Grüne Regierungsverantwortung reichen könnte. Ein Blick in das Autonomiestatut genügt. Auch falls es im Herbst für eine SVP absolute Mehrheit reichen sollte so brauchen sie Italienische Koalitionspartner. Die werden wohl wie bisher vom PD kommen; falls es aber für den PD nicht mehr so reicht(siehe auch M5S) so könnten auch die Grünen zum Zug kommen. Ich würde das spannend finden zumal sich sowohl die SVP als auch die Grünen bewegen müßten. Gelingt den 'Unseren' dann das gleiche wie ihren Nordtiroler Kollegen? Die Südtiroler Grünen haben eine andere Geschichte als die Nordtiroler; das ist auch ethnisch(und 'Langerisch') bedingt; und sind weit oppositioneller und weniger bürgerlicher als die Nordtiroler oder Salzburger. Mal sehen ob sie den Spagat auch schaffen.
Oppositioneller und weniger bürgerlich?
LieberMartin,
bist du dir da sicher mit dieser Einschätzung?
Die Tiroler Grünen sind doch im Landtag u.a. mit 2 Feministinnen, 1 erklärtem Homosexuellen und 1 Migrant vertreten. Wir Grünen Südtirols, deiner Aussage nach oppositionell und wenig bürgerlich, haben 2 doch sehr würdige Herren im Landtag und sind in Bozen, Leifers und Brixen an der Regierung.
So ganz stimmt deine Theorie nicht. Oder?
In risposta a Oppositioneller und weniger bürgerlich? di Brigitte Foppa
Die Grünen...
Liebe Brigitte; es geht nicht 'nur' um Personen sondern wie sich die ganze Partei bewegt. Die Südtiroler Grünen haben eine ganz andere Geschichte. Politisch bin ich in den 80ern aufgewachsen, als die Grünen unter Langer entstanden. Sie entstanden als Fundamentalopposition nicht nur gegenüber einer alles beherrschenden Partei sondern auch als Kontrapunkt zu einem System. Auch wenn die Grünen auf Gemeindeebene mitregieren(wo es in erster Linie um Sachfragen und nicht um fundamentale 'Systemfragen' geht) so sind sie teilweise auch heute noch mA viel fundamentalere Opposition als bsw. die Nordtiroler Grünen verglichen mit der Tiroler ÖVP; Nordtirol fehlen auch die fundamentalen Autonomiefragen und die Buntheit mit ihren Reibereien. Die SVP bewegt sich langsam und mA werden die Grünen das über kurz oder lang auch tun. SVP-Grüne würde ich in Hinsicht einer Weiterentwicklung der Autonomie spannend finden. Die Nordtiroler und besonders die Salzburger Grünen haben für die Südtiroler Grünen die Latte ziemlich hoch gelegt; besonders gegenübe den Salzburgern fehlt den Südtiroler Grünen noch ein Kick an Breite.
In dieser Hinsicht wünsch' ich Dir viel Glück.
In risposta a Oppositioneller und weniger bürgerlich? di Brigitte Foppa
Ob ich alter Verschwörungstheoretiker da durchblicke?
Ich musste sie einen Tag lang auf mich wirken lassen, bis ich diese kurze, skurrile Wortmeldung von Brigitte Foppa einordnen konnte. Oder kann ich es immer noch nicht? War hier seit „Joschka trägt keine Turnschuhe mehr“ ein erneutes, grünes Ringen nach Bürgerlichkeit bzw. bürgerlicher Anerkennung? War hier eine „Feminst/inn/en, Homos und Migrant/inn/en sind keine richtigen Bürger und deswegen sind wir bürgerlicher“-Botschaft? War hier ein befreiendes Abschütteln vom Langerischen „was gut war“? Oder war es ein subtil ausgesprochener, „die würdigen Herren mögen Platz machen für die Jungen“-Wunsch? Hörte ich ein „so wie Kronbichler dränge ich jetzt auch zur Regierungsverantwortung“? War es der „wir haben mit den Nord/Osttiroler Grünen mehr gemeinsam als ihr glaubt“ Aufsager, den ich mir gewünscht hätte, da Natur sich bekanntlich nicht an politische Grenzen hält? Oder war es genau das Gegenteil, vermittelt durch dort „Tiroler Grüne“ hier Südtiroler Grüne und Südtirol ungleich Tirol? Ich weiß es nicht. Ich weiß weder, wie viel man hier zwischen den Zeilen lesen darf, noch ob hier bewusste oder unbewusste Botschaften gesendet werden. Ich lasse es am besten noch weiter auf mich wirken.
Jedenfalls, wenn ich auch die Gabe hätte, in einen so kurzen Text so viele Andeutungen und so wenig Festlegungen hineinzupacken, ich würde glatt schon den Wahlkampf eröffnen. Respekt!
In risposta a Ob ich alter Verschwörungstheoretiker da durchblicke? di Benno Kusstatscher
Alles viel einfacher als du denkst!
Normalerweise hält man mir ja vor, dass ich ZU deutlich sei...
Gerne also Klärung:
Die Tiroler Grünen sind meine absoluten Vorbilder. Grün mit Freude und "convinzione", fortschrittlich und gemischt (s. Gebi Mair) und selbstbewusst und mutig (Feministinnen, MigrantInnen...) und bahnbrechend. So sollten wir sein, so wünsche ich mir die Südtiroler Grünen. Ohne Rumgefackle, ob man denn wirklich grün ist oder nicht.
Weiters:
Ja, regieren sollen wir! Ich sage es seit Jahren und bei jeder Gelegenheit. Wir regieren in Bozen, Italiens Stadt mit den meisten RadfahrerInnen. Warum sollten wir in Opposition verharren, wenn wir die Welt aktiv mitgestalten könnten? Mir, die ich in Bozen Teil der Mehrheit bin, völlig unverständlich.
Schließlich zu Martins Aussage von den "unbürgerlichen" Grünen Südtirols der Hinweis auf unsre, sehr gut arbeitenden, "würdigen" Landtagsabgeordneten. Sie strafen einfach seine Aussagen Lügen und somit ist seine Theorie, in meinen Augen, nicht gültig.
Ergo stimmt am ehesten deine Vermutung: wir sind den Tiroler Grünen näher als man meint - und bitte erkennt das auch an, liebe salto-gemeinschaft!
In risposta a Alles viel einfacher als du denkst! di Brigitte Foppa
Konkretisierung...
Danke für die Antwort. Ich bewerte die Arbeit der grünen Landtagsabgeordneten als sehr gut; hervorheben möchte ich die Arbeit in Sachen Sel und den Erfolg vor Gericht die Einsichtnahme in die SelVerträge errungen zu haben. Daß ihr Euch den Tiroler Grünen annähert ist wahr; bleibe aber dabei daß es noch ein Stück Weg ist da ja die Südtiroler Grünen allein schon aufgrund der Andersartigkeit des Landes eine andere (mA systemoppositionellere)Geschichte haben. Wünsche den Grünen daß sie regieren; wie auch die Tiroler Grünen werden sie dann aber auch manch Kröte schlucken müssen. Die Welt besteht nicht nur aus Gemeinwohlökonomie und ab und an wird man manch Kompromiss eingehen müssen; dann wenn das und jenes eben gemacht werden soll oder nicht oder wenn bei Windrädern(um nur ein Beispiel zu nennen) für und wider aufeinanderstoßen und es andere Sichtweisen gibt. Daß die Grünen in Gemeinden regieren ist ein guter Start; aber Land ist was anderes; und es ist nicht nur eitel Sonnenschein:
http://www.tageszeitung.it/2013/05/11/ich-kandidiere-nicht/
Die Grünen Südtirols sprechen (noch) nicht diese breitere Basis an wie sie bsw. die Salzburger kennzeichnet; deswegen haben die 'oben' auch respektive 12 und 20%. Da ist noch viel Holz und Luft nach oben.
In risposta a Alles viel einfacher als du denkst! di Brigitte Foppa
Jetza! :-)
Das nenne ich klare Worte, die auch ich verstehe. Vielen Dank dafür! ZU deutlich ist man als Politiker/in sicher manchmal, aber den potenziellen Wählern kann Deutlichkeit nur recht sein!
Wenn ihr mit den Innsbrucker und Salzburger Grünen gut könnt, dann setzt doch ein paar sichtbare, gemeinsame Zeichen und lasst euch von dort im Wahlkampf solidarisch unterstützen. Eine stark kooperierende, alpenländische Grünfraktion würde Rom und SVP vielmehr in Schrecken versetzen als lokale Freistaat-Rufe und würde obendrein föderale Bedürfnisse und post-nationale Visionen besser und konstruktiver bedienen, ohne mit "Los von..." Plakaten dramatisch Geister beschwören zu müssen.
Nur, bevor ich da aber etwas vorab anerkennen kann, freue ich mich über entsprechende Neuigkeiten - vielleicht ja gar hier auf salto! Wird es die denn geben?