Società | Tierschutz

Wann, wenn nicht jetzt?

Die Diskussion um die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung entzweit die SVP. Kommende Woche organisieren zwei Südtiroler Aktivisten eine Onlineveranstaltung.
Hahn im Korb
Foto: upi
In den Stall schauen, lässt sich der Bauern nicht gerne.
So könnte man die Reaktion der mächtigen Südtiroler Bauernlobby auf eine aktuelle politische Diskussion beschreiben.
Nicht nur in Italien gibt es seit längerem eine öffentliche Kontroverse über die verfassungsrechtliche Verankerung des Schutzes der Umwelt, der Biodiversität und der Tiere. Ende April hat die Verfassungskommission des Senates mit großer Mehrheit einen entsprechenden Gesetzesentwurf angenommen. In einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos befürworten 91 Prozent der italienischen Bevölkerung diese Verfassungsänderung.
Innerhalb der SVP gehen die Ansichten in dieser Frage diametral auseinander.
 

Die Nebelgranate

 
Julia Unterberger ist eine absolute Befürworterin der Initiative. „Unser Umgang mit Tieren muss sich grundsätzlich ändern. Sie sind keine beweglichen Sachen, als die sie im italienischen Zivilgesetzbuch definiert werden, sondern fühlende Wesen wie im Europäischen Vertrag von Lissabon festgehalten“, sagt die Meraner SVP-Senatorin.
Völlig anderer Meinung ist Meinhard Durnwalder. Der Pusterer SVP-Senator, politischer Vertreter des Südtiroler Bauernbundes, reiht auch diese Initiative in die „derzeit eisige Stimmung in Rom“ ein (Südtiroler Landwirt vom 29. April). Weil sich Gianclaudio Bressa in der Verfassungskommission für die Verankerung aussprach, echauffierte sich der Durnwalder, das sei gegen die Auffassung der SVP.
 
 
Der Pusterer Senator ließ das Thema auf die Tagesordnung der SVP-Parteileitung setzen. Dort marschierte die SVP-Landwirtschaft geschlossen auf. Eines der Hauptargumente: Der nächste Schritt sei ein Verbot der Jagd. Doch die Bauernfraktion schaffte es am Ende nicht einen Parteileitungsbeschluss gegen diese geplante Verfassungsänderung durchzusetzen.
Deshalb änderte man kurzerhand die politische Taktik. „Es geht hier nicht um die Frage, ob man für oder gegen den Schutz von Tieren ist - ich bin ohne Zweifel ein großer Unterstützer des Tierschutzes“, sagt Meinhard Durnwalder gegenüber RAI Südtirol, „Wohl aber bin ich dagegen, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Tierschutzes beim Staat liegen soll.
Die Aussage ist eine Nebelgranate. Denn der Jurist weiß nur zu gut, dass die Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung im Kapitel „Grundlegende Rechtssätze“ erfolgt und drei Artikel abgeändert werden sollen, die nicht das Geringste mit der Kompetenzverteilung zwischen Staat und Provinzen zu tun haben.
 

Die Onlineveranstaltung

 
Die Sterzinger Tier- und Umweltaktivistin Magdalena Gschnitzer und der Moraltheologe Martin M. Lintner sind zwei, die sich ohne Wenn und Aber für den Tierschutz und dessen Verankerung in die Verfassung einsetzen.
Besonders im Bereich der Nutztierhaltung müssen wir unsere Beziehung zu den Tieren überdenken. Die systematische Gewalt gegen Tiere, die beispielsweise bei Tiertransporten immer wieder öffentlich sichtbar wird, ist nicht zu verantworten“, sagt der Professor an der Philosophisch-Theologische Hochschule Brixen.
 
 
Auch Magdalena Gschnitzer ist überzeugt, dass es Veränderung braucht. „Tiere sind fühlende Wesen, wir können ihnen in die Augen blicken, sie nehmen uns wahr.“ Wegen ihres Einsatzes zum Schutz von Delphinen und Walen wurde sie auf den Färöer-Inseln vor Jahren schon einmal inhaftiert. „Um Veränderung zu gestalten, braucht es Austausch und Diskussion“, sagt sie.
Gschnitzer und Lintner organisieren jetzt eine Zoomkonferenz, um mit Menschen aus verschiedenen Bereichen ins Gespräch zu kommen und das Thema Tierschutz in der Verfassung von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten. „Bedenken gegen die Verfassungsänderung, dass Viehhaltung in der Landwirtschaft oder die Jagd gefährdet seien, sehen wir als unbegründet. Hier brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog, um die Anliegen von Umwelt- und Tierschutz, zu dem sich auch die Landwirtschaft und die Jagd bekennen, stark zu machen“, so Gschnitzer und Lintner.
Die Zoomkonferenz mit dem Titel "Tierschutz in der Verfassung. Wann, wenn nicht jetzt?"  findet am Dienstag, 18. Mai, um 20.00 Uhr statt. Die Teilnahme ist ohne Anmeldung und kostenfrei möglich: https://zoom.us/j/98484101987.
Mit dabei sind auch die SVP-Senatorin Julia Unterberger, der Agrarrechtsexperte José Martinez von der Uni Göttingen, der Olanger Fleischsommelier Thomas Mair und der Malser Biobauer Günther Wallnöfer.
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Salto User
Silke Raffeiner Mer, 05/12/2021 - 23:17

Schön zu lesen, dass 91% der Italienerinnen und Italiener die Verfassungsänderung befürworten! Das gibt Hoffnung, dass der Schutz von Tieren, Umwelt, Ökosystemen und Biodiversität letztendlich doch in der Verfassung festgeschrieben wird - trotz des Widerstandes von Vertretern der SVP, die offenbar unfähig sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Mer, 05/12/2021 - 23:17 Collegamento permanente
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Hans Pfeiffer Gio, 05/13/2021 - 07:14

Als Tierarzt im Nutztierbereich kann ich aus fachlicher Perspektive anmerken, dass Südtirol hinsichtlich rechtlichen Grundlagen bei Tierschutz und Tierhaltung im Urschlamm herumdümpelt. Ich kann diese Selbstbeweihräucherung in diesem Land zu diesem Thema einfach nicht verstehen.

Die konkrete Ausformulierung der rechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Tierschutz/Tierhaltung ist in der EU den Mitgliedsstaaten überlassen.
Die italienische Gesetzgebung ist genauso mager bei Nutztieren wie die beiden Südtiroler Rechtsgrundlagen: Landesgesetz Nr. 9/2000 und das Dekret des Landeshauptmanns Nr. 19/2013.

Vor allem das fehlen konkreter Messgrößen und Werte, macht die aktuelle Rechtsgrundlage in der Praxis überflüssig. Als Beispiel:
"Rindern, die ständig angebunden gehalten werden, muss ab und zu eine Bewegungsmöglichkeit außerhalb des Stalls gegeben werden, sofern es die Lage des Hofes und die Witterungsverhältnisse zulassen...."

Zum Vergleich kann sich ein Jeder den dieses Thema interessiert, die rechtlichen Grundlagen aus unseren deutschsprachigen Nachbarländern ansehen. Anstatt sich darüber zu echauffieren ob in der Verfassung verankert oder nicht, wäre die Überarbeitung der Rechtsgrundlage notwendiger.....

Gio, 05/13/2021 - 07:14 Collegamento permanente
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Peter Gasser Gio, 05/13/2021 - 08:20

In risposta a di Hans Pfeiffer

In Wissenschaft und Philosophie ist der Begriff des bloßen Tier“schutzes“ schon seit geraumer Zeit um das Thema „Tierwohl“ erweitert worden.
Hier anzusetzen sollte den Verantwortungsträgern, aber auch der Gesellschaft, den Konsumenten nun wirklich Gebot der Stunde sein...

Gio, 05/13/2021 - 08:20 Collegamento permanente