Freitag, um 16.01 Uhr
In dem Fall hatte auch die Uhrzeit Symbolwirkung: Um 16 Uhr endete am Freitag Nachmittag die als Erfolg gefeierte Kapitelerhöhung der Südtiroler Sparkasse. Genau eine Minute später startete im komplett überfüllten Brunnenzimmer des Bozner Hotels Laurin die Präsentation jenes Buches, in dem erzählt wird, warum diese Kapitalerhöhung überhaupt notwendig geworden war: „Bankomat – die Millionenverluste der Südtiroler Sparkasse“, das neue Buch des Journalisten Christoph Franceschini, verlegt vom Raetia-Verlag. Ein Event, das eigentlich bereits acht Tage früher angesetzt war. Und bekanntlich nach Androhung von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Schritten von Seiten der Sparkasse verschoben werden musste. Auch für den Raetia-Verlag eine neue Erfahrung, wie Verlagsleiter Thomas Kager einräumte. Er sprach am Freitag Nachmittag neuerlich von einem Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit, der keineswegs nachvollziehbar sei. „Dieses Buch hat nie den Sinn oder Zweck gehabt, die Bank zu schädigen oder den Preis von Aktien zu beeinflussen“, sagte er. „Wir wollen aufklären – wie wir es als Verlag seit 24 Jahren immer wieder versuchen.“
Aufklären über die letzten 15 Jahre einer Bank, die nicht irgendeine Bank ist, wie Autor Franceschini und sein Verlag unterstrichen. Eine Bank, die zumindest über Jahrzehnte als DIE Südtiroler Bank galt, deren Spardosen in jeder Stube zu finden waren, genauso wie die Broschüre mit dem Fragespiel „Kennst du deine Heimat?“ Jahr für Jahr in jeder Schule verteilt wurde. Auch nach ihrer Aufteilung in Stiftung und Bank ist die private Aktiengesellschaft Sparkasse weiterhin im Besitz der öffentlichen Hand, unterstrich Christoph Franceschini. „Denn der Hauptaktionär der Stiftung Sparkasse ist die Südtiroler Bevölkerung“, sagt er. „Deshalb haben Herr und Frau Südtiroler auch das Recht zu wissen, wie mit Hunderten von Millionen ihres Vermögens umgegangen wird.“ Umso mehr als die Stiftung Südtiroler Sparkasse mit den Dividenden der Bank zum Wohle der gesamten Bevölkerung arbeitet, wie Kager unterstrich.
"Wir fällen kein Urteil"
475 Seiten dick ist das Buch schließlich geworden, mit dem der bekannte Autor und salto -Journalist zur Aufklärung der Sparkassen-Krise beiträgt. Und auch wenn es sich an manchen Stellen wie ein Krimi liest, ist es vor allem eine Dokumentation, meinten Kager und Franceschini. „Wir fällen kein Urteil, das muss jede Leserin und jeder Leser selbst machen.“ Die Basis dafür finden sie in der detaillierten Nachzeichnung der Geschichte der vergangenen 15 Jahre, für die Franceschini vor allem interne und externe Dokumente zusammengetragen hat, darunter auch jene der Banken- und Börsenaufsicht. Unerlässlich seien dabei auch „mehrere Dutzend Personen gewesen, ohne deren Unterstützung das Buch nie entstanden wäre“, wie der Autor dankte. Informantinnen und Informanten, die teils aus der Sparkasse selbst kommen. „Menschen, die dabei nicht der Wille zu schädigen, sondern die Sorge um den Fortbestand der Bank bewegt hat“, erklärte Thomas Kager. „Informationsträger, die ihre Kritik bereits Jahre zuvor intern vorgebracht haben, aber leider nicht auf Gehör gestoßen sind.“
Wer sich als Ergebnis den Namen eines Schuldigen am Ende des Buches erwartet, wird allerdings bitter enttäuscht werden, warnte Franceschini vor. „Denn die Entwicklung oder Missentwicklung der Sparkasse hat viele Väter, Mütter und Gründe.“ Diese rufe das Buch wieder in Erinnerung. „Gewisse Leute wissen einfach nicht mehr, was vor zehn Jahren war, und in diesem Buch kommt es heraus.“ Der Autor sprach dabei von „einer Gruppe von Personen, die am großen Rad mitgedreht haben“; Privatunternehmer, Verwaltungsräte der verschiedenen Sparkassentöchter oder der Bank selbst. „Da gibt es einen Interessenkonflikt, den auch die Bankenaufsicht scharf anprangert und fordert, dass nicht mehr so weitergehen darf. Da verwischen die Grenzen zwischen öffentlichem Auftrag in der Wirtschaft, halb-privatem Auftrag in der Sparkasse und privatem Auftrag als Anwalt, Wirtschaftsberater oder Unternehmensberater.“
Norditalien? Nein, Südtirol!
Aufgeräumt wird in diesem Zusammenhang auch mit einer Mär, die bis heute verbreitet wird, nahm Franceschini der Lektüre vorweg: Dass der Hauptgrund für die millionenschweren Verluste in den norditalienischen Expansionsgebieten der Bank zu suchen sei. „Laut den Inspektoren der Banca d’Italia sind die größten Ausfälle in Südtirol, bei den historischen Klienten der Sparkasse, entstanden“, verriet der Autor. „Bei jenen Unternehmen, die rund um den Verwaltungsrat angesiedelt waren, der Gotha der Südtiroler Wirtschaft, vor allem aus der Bau und Immobilienbranche und dem Gastgewerbe.“
Das war bei weitem nicht der einzige Appetizer, den Christoph Franceschini bei der Präsentation seines Buches ins Publikum warf. Er erzählte vom Gängelband, an dem die Stiftung Sparkasse lange politisch gehalten wurde; von den Autonomiebestrebungen eines Stiftungspräsidenten Hans Rubner und dessen Vize Sandro Angelucci und vom Abschuss Rubners mit einer „absolut grenzwertigen Medienkampagne des Hauses Athesia“. Mit Gerhard Brandstätter sei damals ein Nachfolger gefunden worden, „mit dem Politik, Wirtschaft, Partei und Stiftung wieder zusammengeführt wurden“. Und das trotz eines negativen Gutachtens des Finanzministeriums zum Kandidaten Brandstätter, verriet der Autor. Denn das Ministerium in Rom hat laut Autonomiestatut bei der Ernennung des Stiftungspräsidenten ein Wörtchen mitzureden. Doch der damalige Landeshauptmann Luis Durnwalder ließ sich davon nicht abhalten. „Das Gutachten ist da, und im Autonomiestatut steht schließlich nicht, dass es positiv sein muss“, zitierte ihn Franceschini.
Beschädigter Ruf
Wird der Ruf Brandstätters als großer Sparkassen-Retter nun durch den neuen Raetia-Titel nachhaltig beschädigt? Eine Frage, auf die der Autor nicht direkt antwortete. „Ich glaube, der Ruf von einigen Leuten ist beschädigt, doch ich möchte das nicht an einzelnen Personen festmachen“, erklärte er. Schwarz auf weiß festgehalten sei im Bericht der Banca d’Italia, dass die Stiftung als Hauptaktionär ihre Kontrollfunktion über Jahre hinweg nicht wahrgenommen habe. „Ich persönlich denke, dass die Stiftungsspitze zumindest seit einem Jahrzehnt genauso an der operativen Führung der Bank mitgemacht hat wie der Verwaltungsrat und sicher mehr Einfluss hatte als viele, die im Verwaltungsrat gesessen sind“, erklärte Franceschini.
Mehr Licht in die Sache würde eine von der Aktionärsversammlung geforderte Haftungsklage des Sparkasse-Verwaltungsrates gegen die früheren Verwaltungsräte bringen. „Dann müssten diese reden, woher die Direktiven gekommen sind und wer was gewusst hat.“ Gerade deshalb schätzt der Aufdeckerjournalist selbst die Chancen auf solch eine Klage als nicht hoch ein. Schließlich sei auch die Bankenaufsicht zum Schluss gekommen, dass bei der Suche nach Verantwortlichkeiten inhomogen und inkonsequent vorgegangen worden sei. Die Entlassung des vormaligen Generaldirektors Peter Schedl und seines Vize Andrea Brillo sei voreilig geschehen, während andere Personen in ähnlichen Rollen immer noch in Führungspositionen der Bank sitzen, zitierte Franceschini den Banca d’Italia-Bericht.
Wer hat das Sagen?
Wie aber geht es nun weiter bei Südtirols größter Bank? So positiv die Kapitalerhöhung nun ausgefallen sein mag, sie ist nur der erste Schritt , stellte der Autor klar. „Die Situation ist weit ernster als man die Südtiroler glauben macht“, sagt er. Von der Bankenaufsicht habe die Sparkasse auf einer Notenskala von 1 bis 6 die Bewertung 5 erhalten – „bei 6 kommt automatisch der Kommissar“. Auch bei der Ausgabe der Aktien hätten die Banken- und Börsenaufsicht gröbere Verfehlungen festgestellt. Die Konsequenz? Ein Verfahren gegen 18 Personen, das voraussichtlich mit Strafen in Millionenhöhe enden werde.
Die strengen Vorgaben der Aufsichtsbehörden hätten nun in jedem Fall zu einem Wechsel in der Verwaltung geführt, mit neuen und weitgehend unbekannten jungen Leuten. „Die Frage ist jedoch, wer tatsächlich das Sagen in der Sparkasse hat“, so Christoph Franceschini. „Die neuen jungen Leute oder die älteren großen Namen.“ Es ist nicht die einzige Frage, die trotz 475 Seiten an Dokumentation nicht vollständig beantwortet werden kann. Doch sicher scheint, dass es damit bei der Südtiroler Sparkasse noch ein wenig schwieriger geworden ist, den Weg aus der Misere nicht mit einem wirklichen Aufräumen zu verbinden.
Sehr geehrter Herr
Sehr geehrter Herr Franceschini,
Kompliment für diesen marketingtechnischen Schachzug, mit dem sie Ihre Bucherscheinung aufgezogen haben. Die ersten Kapitel enthalten bereits fundiert recherchierte Informationen zur Sparkasse samt Umfeld. Eines ist mir jedoch gleich bei den ersten 40 Seiten und diesem Artikel hier aufgefallen. Sie richten den Focus sehr gezielt auf die Abläufe in der Bank und bedienen sich dabei der Berichte der Bankenaufsicht, Banca d`Italia. Dabei erscheinen naturgemäß Bankverwaltung und bestimmte Kreise des Südtiroler Bürgertums in einem anderen Licht, als es uns bisher bekannt war. Dafür vielen herzlichen Dank!
Mein Einwand ist genereller Natur bzw. geht über die Unzulänglichkeiten der Lokalbank hinaus! Ich vermute nämlich eine weit größere Ungereimtheit hinter diesem Bankdebakel, die leider in ihrem Buch nur zwischen den Zeilen und sehr indirekt wahrnehmbar ist.
1. Warum wird eine Bank im 100% igem Eigentum des Landes überhaupt im Laufe der Zeit in eine AG mit privater Beteiligung umgewandelt und warum wird der private Aktenanteil jetzt über das Ankaufprogramm noch ausgeweitet? Nimmt nicht der Eigentumsanteil der Südtiroler Bevölkerung sukzessive ab, während der Anteil der Privateigentümer zunimmt? Alles Zufall? Nur schlechte Bankenverwaltung, oder doch ein größerer Zusammenhang?
2. Sie beschreiben in Ihrem Buch die Bankenaufsicht so, als handle es sich dabei um eine staatliche Behörde. Man könnte leicht diesen Eindruck erhalten, oder? Kennen sie eigentlich die Eigentumsverhältnisse dieser Bankenaufsicht? Handelt es sich dabei nicht auch um ein PRIVATunternehmen mit vorwiegend PRIVATEN Eigentümern, die alle ein PRIVATinteresse verfolgen (meist als unabhängige Institution bezeichnet)? Welche Ziele verfolgen PRIVATunternehmen in der Regel, aber vor allem in der Finanzbranche? Ist die Banca d`Italia ein Privatunternehmen oder nicht? Welchen Anteil hält eigentlich der italienische Staat an dieser Bankenaufsicht? Wie demokratisch entstehen die Regeln für Banken und wer schreibt diese?
3. Wissen sie was es bedeutet, wenn diese Südtiroler Großbank über die Kapitalerhöhungsmaßnahmen noch mehr „auswertige“ Eigentümer holt und dann doch in die Insolvenz schlittern sollte? Wer wird wohl die Sicherheiten der uneinbringlichen Kreditforderungen am Ende um billiges Geld einstreichen? Wer wird sich wohl die Filetstücke zu einem möglichst niedrigen Preis herauspicken?
4. Könnte es sein, dass sie mit Ihrem Fingerzeig auf diese lokalen/regionalen Unzulänglichkeiten in der Bankverwaltung und den „Pakteleien“ den größeren Spielplatz von weit gewiefteren Akteuren erst gar nicht beleuchten? Unwissentlich sogar davon ablenken? Könnte die fast schon naiv wirkende Bankverwaltung mit ihren Aktionen am Ende sogar die großen Tiere angelockt haben? Absicht, „Tollpatschigkeit“, Zufall,…….?
Aber, es gibt ja was zu holen und das sind gewiss nicht die Millionen der Sparer!! Eine Bank hat nämlich nichts Wertvolles anzubieten, außer die SICHERHEITEN ihrer Kreditkunden!!!!!! Die Bankeinlagen der Kleinsparer interessiert niemand, denn das sind für die Bank nur Schulden!
In diesen Sinne SAPERE AUDE.
In risposta a Sehr geehrter Herr di josef.kaufmann…
Zu Punkt 4 bringt sich einer
Zu Punkt 4 bringt sich einer ja schon mal in Position:
http://trentinocorrierealpi.gelocal.it/trento/economia/2015/09/23/news/…
Hier noch eine bemerkenswerte
Hier noch eine bemerkenswerte Veranstaltung, die Licht ins Dunkelheit bringen könnte.
https://m.youtube.com/watch?feature=youtu.be&v=zYPexiv7_w0