Economia | Netzwerke

"L'ombrello si compra quando splende il sole"

Netzwerke können Großes ermöglichen. Doch Kirchtürme in den Köpfen vieler Südtiroler verhindern noch allzu oft den Weitblick und das Erreichen neuer Märkte. Warum nur?

Josef Schwärzer ist Schlosser in Gais. In der 11. Generation. Er ist engagiert, informiert, voller Ideen. Als LVH Bezirksobmann des Unterpustertales weiß Schwärzer was es bräuchte. Doch wie es gehen soll, das weiß er nicht. „Zertifizierungen, Arbeitssicherheit, bürokratische Hürden....das ist so belastend, dass wir Handwerker das gar nicht mehr schaffen können.“ Schwärzer bringt es auf den Punkt, am Freitag, 10. Oktober, als im Raiffeisen Forum Bruneck das Thema „Netzwerke schaffen“  aufs Tapet kommt. Geladen hat der Legacoopbund. Zusammengehen ja – aber wie?

Heindi Grandi stand wie Schwärzer am Rednerpult. Der Vorsitzende von Legacoopbund erklärt: „Wir wollten mit diesem Thema einfach aufmerksam machen, wie viel Potential im Zusammengehen steckt. Wir stehen im Genossenschaftswesen gut da in Südtirol, aber es könnte viel mehr werden.“ Mehr als 900 Genossenschaften in Südtirol zählten 2011 16.828 Beschäftigte mit betrieblichen Erträgen von zirka 2,3 Milliarden Euro. "Sie nehmen also einen wichtigen Platz in der Südtiroler Wirtschaft ein und erweisen sich als eine durchaus krisenfeste Unternehmensform, die stark mit der lokalen Gemeinschaft verbunden ist", sagt Grandi.

Das Genossenschaftswesen in Südtirol floriert, "die Sozialgenossenschaften in Südtirol sind beispielgebend für die Bayern", erklärt Susanne Elsen, Professorin für Sozialwissenschaften an der Freien Universität Bozen. Wo Südtirol hinkt ist der Bereich der Unternehmensgenossenschaften. Beispiele von altbewährten Zusammenschlüssen wie den Obstgenossenschaften oder der Raiffeissenkasse stehen neue Kooperationen entgegen, wie die der Weltläden Südtirols, die sich zusammengetan haben, um die Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam zu machen. Fair Cooking nennt sich das Projekt der Weltläden, seit drei Jahren läuft es, "fast ein Jahr haben sie gebraucht, um den Netzwerkvertrag zu unterschreiben.“ Grandi weiß: Es braucht Geduld, Dialog, Zeit bis ein Netzwerk so läuft, wie es sich alle Beteiligten vorstellen. Klar reden an einem Tisch, Interessen sortieren, Rollen verteilen. Verantwortung tragen. So weit kam Josef Schwärzer nicht.

  • Wirtschaftsnetzwerke in Bayern: RegioStar; das Tagwerk für eine ökologische Landwirtschaft. In der Schweiz zum Beispiel die genossenschaftliche Schweizer WIR-Bank.

Krise oder Innovation?
Der Handwerker aus Gais und seine Kollegen waren bald verunsichert. Netzwerk ja, aber was ist mit meiner Eigenständigkeit? „Ein Maler, ein Kolleg von mir, ist vor einem guten Jahr gekommen und hat gesagt, 'dai, tiamo epas mitnond'. Aber nach ein paar Treffen ist alles versandet, wir hätten jemand gebraucht, der das in die Hand nimmt. Unsere Zeit dafür hat vorne und hinten nicht gereicht. Und plötzlich lief auch unser Geschäft wieder gut.“ Andere Handwerker hatten Wind bekommen von Schwärzers Vorhaben "Tui la du, noa tiamo mit", hatte es geheißen. "Veranwortung abwälzen, "das geht nicht", befindet Grandi. Doch die Frage steht im Raum: Braucht es die Krise um sich zu finden?

'Dai, tiamo epas mitnond'. Aber nach ein paar Treffen ist alles versandet, wir hätten jemand gebraucht, der das in die Hand nimmt.

Heini Grandi sieht das so: „Not macht erfinderisch, das stimmt. Wenn ein Wirtschaftsbetrieb gut geht, die Auftragslage stimmt, die Arbeit da ist. Wieso sollte man etwas verändern?“ Doch der Vorsitzende von Legacoopbund möchte auch erinnern, was ein Zusammenschluss möglich macht: „Die die zusammengehen, die wollen etwas schaffen, was allein nicht geht. Zum Beispiel einen ausländischen Markt bearbeiten, einen Vertriebsmensch anstellen, eine Studie machen, eine neue Werbestrategie fahren. Das sind Kostenfaktoren, die ein Kleinstbetrieb allein, und das sind 92 Prozent der Südtiroler Betriebe, nicht stemmen kann.“ Der Wunsch nach Innovation stärkt den Wunsch nach Zusammenschluss. Doch das Kirchturmdenken in Südtirol, „das ist mein Garten, der gehört mir“, so Grandi, und zu wenig Engagement der großen Verbände „natürlich könnten sie mehr tun“, ersticken viele Initiativen im Keim.

Josef Schwärzer weiß: Der Bedarf nach kleinen Zusammenschlüsse der Handwerker ist da. „Die Kunden möchten vor allem im Handwerksbereich einen Ansprechpartner. Die würden das sehr schätzen, wenn sie ein Haus bauen, nur mit einem Handwerker zu sprechen, der alles koordiniert. Aber in die Köpfe unserer Leute geht es nicht hinein. Ich bin ja ziemlich offen für diese Sache, aber ich hab viele Kollegen, bei denen darf man ja nicht mal in die Werkstatt rein, weil sie Angst haben, man könnte ihnen etwas wegschauen.“

„Die die zusammengehen, die wollen etwas schaffen, was allein nicht geht. Zum Beispiel einen ausländischen Markt bearbeiten, einen Vertriebsmensch anstellen, eine Studie machen, eine neue Werbestrategie fahren. Das sind Kostenfaktoren, die ein Kleinstbetrieb allein, und das sind 92 Prozent der Südtiroler Betriebe, nicht stemmen kann.

Regenschirm nicht vergessen!
Ohne Vertrauen geht gar nichts - Grandi zitiert ein napolitanisches Sprichwort: L'ombrello si compra quando splende il sole.“ Tut's Euch zusammen, meint Grandi, solange es Euch gut geht. Denkt langfristig, "wir von Legacoop bieten kostenlose Beratungen an." Sich umhören und zuhören kann nicht schaden - Bereiche, die aus politischen Spargründen gekürzt werden, könnten neu auferstehen. „Ja, im Sanitätswesen wären sie gut mit Genossenschaften beraten“, befindet Grandi. Bottom up eben, Problemlösung von unten: Hebammen in Geburtshäusern, Zusammenschluss von Hausärzten um Eigene- und Kundeninteressen zu befriedigen. 

Josef Schwärzer münzt aufs Handwerk um: „In Österreich schicken die Hotels die Gäste zum Bäcker um Backkurse zu machen, Tourismus und Handwerk reichen sich die Hände. Wir müssen auch bei uns endlich neue Kooperationen andenken." Alles geht, wenn wir es nur gemeinsam wollen.

Die nächste Tagung von Meet CoopPoint findet am Donnerstag, den 16. Oktober 2014 um 17.00 Uhr im Kurhaus in Meran statt. Thema „Cooperative di comunità: Welche Möglichkeiten haben Bürger die eigenen Gemeinden aufzuwerten?“