“Verzerrte Tatsachen!”
Ob freiwillig oder unfreiwillig: Ingemar Gatterer macht Schlagzeilen. Sogar salto-Kolumnistin Alexandra Kienzl ist der Pfalzner Unternehmer einen Beitrag wert, während ihm in Rom großes Ungemach droht. Indes wehrt sich der SAD-Chef mit Zähnen und Klauen gegen eine mögliche Inhouse-Vergabe der Buskonzessionen für die Überlandlinien, die das Land nach der versemmelten Ausschreibung im vorigen Sommer nun prüfen lassen will. In einem offenen Brief hat sich Gatterer Anfang der Woche an Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider gewandt – und darin nicht nur nahegelegt, von einer Inhouse-Vergabe abzusehen, sondern auch die Südtiroler Gewerkschaften erneut heftig attackiert.
“Gute Nahverkehrspolitik steht nicht für eine indirekte politische Unterstützung der Mitgliederakquise zugunsten der Gewerkschaften mittels verantwortungslos eingesetztem Steuergeld, mit dem Ziel der Verankerung treuer Wahldiener für wiederum unterklassige Politiker, sondern sinnhafte Abwägung von Leistungen und Gegenleistung auf allen Ebenen”, schreibt Gatterer unter anderem.
“Diese Unterstellung ist ein an den Haaren herbei gezogener Blödsinn, der es gar nicht wert ist, kommentiert zu werden”, wettert nun Richard Goller. Der Sekretär der Fachgewerkschaft Transport und Verkehr (GTV) im Autonomen Südtiroler Gewerkschaftsbund (ASGB) befindet sich seit Langem auf Kriegsfuß mit Ingemar Gatterer. Jetzt holt Goller zum Gegenschlag aus und wirft dem SAD-Chef vor, in seinem offenen Brief an Alfreider “gar einige Tatsachen” zu verzerren.
Gatterer wie Langstrumpf?
Es sei, schreibt Goller in einer Aussendung, “nichts anderes als ein Wunschtraum, dass – wie von Gatterer geschrieben – die Busfahrer durch die Neuorganisation in der SAD Nahverkehrs AG mehr verdienen würden”. Fakt sei vielmehr, “dass die Chauffeure mehr Stunden für dasselbe Geld leisten müssen”. Genauso müsse, so Goller weiter, die Behauptung Gatterers widerlegt werden, dass eine Dienstspanne von 15 Stunden italienweit als Maßstab gelten würde und die Gewerkschaften dies mittragen würden. “Eine Dienstspanne von 15 Stunden ist italienweit generell nur in begründbaren Ausnahmesituationen vertretbar.”
In seiner Stellungnahme beweist Richard Goller, dass er ebenso scharfe Töne anschlagen kann wie sein Gegenspieler: “Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der CEO der SAD Nahverkehrs AG, Ingomar Gatterer, nach Vorbild Pippi Langstrumpfs das Motto pflegt: ‘Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.’ Anders sind derartige Falschbehauptungen, die auch noch an die Öffentlichkeit getragen werden, nicht nachvollziehbar. Der SAD-Chef sollte viel eher öffentlich erklären, warum seine Buschauffeure in Scharen gekündigt haben und viele essentielle Dienste im öffentlichen Nahverkehr nun von ortsfremden, der Zweisprachigkeit nicht mächtigen Fahrern erbracht werden müssen. Zeitlimits für die Montage der Schneeketten oder sich durch Übermüdung des Personals häufende Blechschäden sprechen eine andere Sprache, nämlich, dass der dem Personal auferlegte Druck in allerletzter Konsequenz auch zu Personenschäden führen könnte.”
Selbst Schuld?
Es könne gut sein, schreibt der ASGB-Gewerkschafter weiter, dass eine Inhouse-Vergabe der Liniendienste den Steuerzahler mehr kosten würde – laut Gatterer “mindestens 100 Millionen Euro” –, Tatsache in dieser Hinsicht sei aber, dass Gatterer das Aufkeimen dieser Diskussion selbst heraufbeschworen hätte: “Hätte der CEO der SAD die Dienste entsprechend seiner Vorgänger geführt, wäre eine Inhouse-Vergabe niemals diskutiert worden”, steht für Goller fest. Er findet: “Vor dem Hintergrund der Arbeitssituation des Personals, dem reihenweisen Abspringen einheimischer Fahrer, der sich verschlechternden Dienstleistungsqualität und der nicht unbegründeten Angst, es könnte unter Umständen zu Unfällen mit Personenschaden kommen, wären eventuelle Mehrkosten, ehrlich gesagt, das kleinere Übel.”
Am gestrigen Mittwoch hat SAD-Generaldirektor Mariano Vettori in einem Schreiben an Landeshauptmann Arno Kompatscher, Mobilitätslandesrat Alfreider und den Rechnungshof ein Angebot für die Übernahme der Dienste der SASA AG unterbreitet. Die Inhouse-Gesellschaft bedient die innerstädtischen Buslinien in Bozen, Meran und Leifers, auf die die SAD lange schon ein Auge geworfen hat. Dass die SAD nun in dieser Hinsicht tätig geworden ist, bestätigt Richard Goller in seiner Kritik: Die SAD sehe sich die Felle davon schwimmen und die Vorlage des Angebots sei nichts als ein “verzweifelter Versuch”, diese zu retten.
Es ist langsam echt unerhört,
Es ist langsam echt unerhört, wie offen und kompromisslos Gatterer seine Ablehnung jeder Form der Sozialpartnerschaft kundtut. Wahnsinn, wie gering man - offenbar zumindest - das eigene Personal und dessen Vertretung achten kann! Man kann den GewerkschafterInnen nur Mut wünschen, nicht einzuknicken...