Politica | Polemik

„Genozid in Gaza“?

SALTO verbreite Fake-News und heize den Antisemitismus an? Der Vorwurf einer prominenten Gruppe von Israel-Unterstützern zur Berichterstattung über den Nahost-Krieg.
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Foto: pixabay
  • Möglichst viele Stimmen sollte man sich anhören, verpflichtete sich SALTO im jüngsten Krieg zwischen Israel und der Hamas im autonomen Gaza zu einer journalistischen Rundumschau. Klingt gut und grenzt SALTO von Mainstream-Medien ab, denen so manche blinde Israel-Ergebenheit unterstellen. Am 7. Oktober ist es zu dieser bewaffneten Auseinandersetzung gekommen. Auf SALTO ist aber zu diesem 7. Oktober wenig bis gar nichts zu finden. Dürre Zeilen über die Ermordung von mehr als 1.400 Israelis, kaum Worte über vergewaltigte Mädchen und Frauen, gefolterte junge Männer, genauso wenig über die mehr als 200 verschleppten Menschen. SALTO lebt auch vom Eindruck, hinter vorgeschobene Kulissen zu schauen, angebliche Tatsachen und Fakten zu hinterfragen. Deshalb weiß SALTO angeblich auch, wie es zu diesem Massaker kam, ohne aber jemals den Begriff „Massaker“ zu verwenden. Laut SALTO gibt es eine Vorgeschichte, die dieses Massaker sozusagen schicksalhaft erzwungen habe.

    In zwei weiteren Artikeln „Accademici contro il genocidio“ und “A Gaza viviamo l’incubo del 1948” wird auf SALTO die Genozid-Erzählung fortgesetzt. Den Israelis wird kollektiv vorgeworfen, in den Palästinenser-Gebieten eine Politik des Genozids zu betreiben. Ein Vorwurf, der von Antisemiten verschiedener Coleurs befeuert wird: von der Hamas und der Hisbollah, finanziert von der Türkei, vom Iran und von Katar. Ihr Ziel, so steht es in der Hamas-Charta, ist es, Israel zu vernichten: „From the river to the sea“. Diese palästinensischen Terror-Organisationen pflegen auch beste Kontakte zu Russland und China, und auch der sogenannte „globale Süden“ solidarisiert sich mit den Terroristen.

    In vielen westlichen Staaten machen sich große Teile der Linken mit der Hamas und der Hisbollah gemein.

    In vielen westlichen Staaten machen sich große Teile der Linken mit der Hamas und der Hisbollah gemein. Die radikale Rechte verfolgt mit unverhohlener Schadenfreude den weltweit wabernden Antisemitismus und mit der Beschuldigung des Genozids verbreitet auch SALTO Fake News, heizt damit den Antisemitismus an. Israel aber verfolgt weder eine Absicht noch eine staatliche Politik der teilweisen oder vollständigen Auslöschung der Palästinenser. Darauf weist auch der deutsch-britische Völkerrechtler Stefan Talmon hin, der die UN-Völkermord-Konvention zitiert. Dabei ist zu sehen, dass die israelische Politik im West-Jordanland, in der Region der Palästinenserbehörde, auch im Zugang zu den Palästinenser-Gebieten nationalistisch und minderheitenfeindlich, ja auch menschenfeindlich ist. Aber Genozid?

  • Foto: Eye on Palestine

    Wenn israelische Zivilisten ermordet werden, wie am 7. Oktober durch die Hamas, von Babys bis zu älteren Menschen, was mittlerweile von unabhängigen Medien bestätigt ist, dann liegt es nahe, hier ein Genozid-Verbrechen zu sehen, schlüsselt Talmon auf. Dem stimmt auch der Völkerrechtsexperte Wolff Heintschel von Heinegg zu. Man könne der israelischen Regierung in vielerlei Hinsicht kritisch gegenüberstehen, der Genozid-Vorwurf gegenüber Israel gehe aber weit über das hinaus, was dort passiert, warnt von Heinegg. 

    Sicher war Netanjahus Unterstützung der Siedlerbewegung in keiner Weise friedensfördernd, ja geradezu kontraproduktiv. Und mit den Bombenangriffen auf Gaza trifft die israelische Armee auch Kinder und Frauen, die vorher allerdings wiederholt aufgefordert wurden, den gefährdeten Bereich zu verlassen. Das ist unentschuldbar und letztendlich zum Schaden Israels, der einzigen Demokratie im Nahen Osten, denn so produziert die israelische Armee Hamas-Nachwuchs, der dann weiterhin Zivilisten als Schutzschilder missbrauchen kann, eine altbekannte Strategie der Hamas. 

  • Die unreflektierte Anschuldigung Israels, einen Genozid an den Palästinensern zu verüben, wie sie die Hamas-Propaganda verbreitet, ist ebenfalls keine Neuigkeit. Es ist ein altbewährtes Instrument des Antisemitismus, Juden als Kindermörder darzustellen, die jetzt auch noch angeblich wie Nazis unschuldige Menschen ermorden. Die neuen und alten Antisemiten zweifeln ja sogar an der Wahrhaftigkeit der Massaker der Hamas, wie der singende Antisemit Roger Waters.

    Redaktionelle Medien müssen auch und vor allem in der Kriegsberichterstattung, in der Berichterstattung zu bewaffneten Auseinandersetzungen, eine stärkere Verantwortung wahrnehmen, historisch verfälschende, ja verhetzende Beiträge zurückweisen und entsprechende Online-Kommentare entfernen.

    Unterzeichnet von: Wolfgang Mayr, Martha Stocker, Sabine Mayr, Ingrid Runggaldier, Joachim Innerhofer, Christine Vescoli und Annegret Vescoli

    Im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung veröffentlichen wir gerne diesen Meinungsbeitrag. Den Vorwurf wir würden Fake-News verbreiten oder gar den Antisemitismus anheizen, weisen wir aber aufs Schärfste zurück. 
    Die Redaktion