Politica | Landtag
Das Problem Vettori
Foto: Othmar Seehauser
Irgendwann ist immer das erste Mal.
Spätestens seit Dienstag haben der Südtiroler Landtag und noch mehr die politische Mehrheit ein ernsthaftes Problem. Ein Problem, für das es bisher weder eine formale Lösung gibt noch einen Präzedenzfall. „Ich hoffe, dass am Ende der politische Hausverstand siegt“, sagt ein Mitglied der Landesregierung zu Salto.bz. Man merkt es dem SVP-Exponenten an, dass diese Hoffnung aber sehr, sehr klein ist.
Karl, der Böse
Im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung steht Carlo Vettori. Der Bozner Lega-Abgeordnete und Fraktionssprecher im Landtag hat Ende November 2019 durchaus überraschend seinen Austritt aus der Lega bekanntgegeben. Wenig später gründet Vettori im Landtag unter dem Namen „Alto Adige Autonomia“ eine eigene Einmannfraktion.
Von Anfang an erklärt der Lega-Aussteiger aber mehr als deutlich, dass er trotz des Parteiaustrittes sich auch weiterhin der politischen Mehrheit im Land zugehörig fühle und er im Landtag mit der SVP und der Lega stimmen werde.
Der SVP kommt diese Haltung mehr als nur zupass. Zum einen hat die Volkspartei mit Vettori keinerlei Probleme, und man will sich in den Lega internen Streit nicht einmischen. Zum anderen würde Vettoris Ausscheiden die Mehrheitsverhältnisse im Landtag ernsthaft in Gefahr bringen. Dann würde die Regierungskoalition im Landtag über die kleinstmögliche Mehrheit von 18 Stimmen verfügen. Fehlt auch nur ein Abgeordneter, geht man gegen die Opposition unter.
Vor diesem politischen Hintergrund hütet sich die Volkspartei, die Zugehörigkeit Vettoris im Landtag in Frage zu stellen. Es ist aber ausgerechnet die Lega, die jetzt genau das tut.
Angriff auf Vettori
Die Polemik entfacht sich um Vettoris Sitz in der Sechser- und Zwölferkommission. Es ist der Bozner Lega-Kammerabgeordnete und Hardliner Filippo Maturi, der seit Tagen verlangt, dass Carlo Vettori umgehend aus diesen beiden Autonomiekommissionen zurücktritt.
Doch Vettori selbst denkt nicht daran. „Ich trete ganz sicher nicht als Mitglied der Zwölfer- und Sechserkommission zurück“, sagt er am Dienstag in einem Salto-Interview. Er wurde vom Landtag gewählt, sei nur diesem Rechenschaft schuldig und er werde nur gehen, wenn er vom Landtag abberufen werde, argumentiert der ehemalige Lega-Politiker.
Diese Haltung stößt der Lega aber bitter auf. Das wurde wenige Stunden nach Erscheinen des Interviews im Landtag klar.
Anlass war eine Anfrage des PD-Abgeordneten Sandro Repetto. Repetto erklärte in der aktuellen Fragestunde, dass nach dem Austritt von Carlo Vettori aus der Lega immer wieder beteuert wurde, dass die Mehrheit dieselbe geblieben sei. „Aber abgesehen von rituellen Erklärungen aus den Parteizentralen gibt es keine Klarheit“, meinte der Oppositionsvertreter. Deshalb stellte er im Landtag eine klare Frage: „Wer bildet heute die Regierungsmehrheit?“
Die Antwort des Landestagspräsidenten Sepp Noggler: Dem Präsidium sei bisher kein Antrag auf Änderung der Mehrheit mitgeteilt worden, somit gehöre neben den Abgeordneten der SVP und der Lega auch Carlo Vettori der Mehrheit an.
Diese Antwort ließ aber ausgerechnet bei der Vizepräsidentin des Landtages die Sicherungen durchbrennen. Rita Mattei widersprach am Dienstagnachmittag im Landtag Noggler energisch und erklärte das Gegenteil. Vettori könne zwar mit der SVP und der Lega stimmen, er sei aber keineswegs Teil der Mehrheit, dekretierte die neue Lega-Fraktionssprecherin.
Spätestens damit ist die Malaise aber angerichtet.
Formales Neuland
Damit stolpert man nämlich in eine Situation, die es im Landtag noch nie gegeben hat. Denn in der Geschäftsordnung des Landtages gibt es keine Bestimmung, mit der man formal aus dieser Sackgasse herauskommen kann.
Das liegt daran, dass der Begriff „Mehrheit“ eine politische Kategorie ist, die in der Geschäftsgebarung des Landtags nicht vorkommt. Festgelegt ist nur: Zu Beginn der Legislatur teilen die Abgeordneten bzw. die Fraktionen dem Präsidium mit, wer zur Regierungsmehrheit und wer zur politischen Minderheit gehört. Der Zweck dieser Übung ist einfach: Das Landtagspräsidium muss nach diesem Schema die Zeiten einteilen, die in den Landtagssitzungen der Mehrheit und der Opposition zustehen; mehr gibt es da nicht.
Bisher war es immer so, dass ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete, die eine Regierungspartei verlassen haben, automatisch in die Opposition gingen. Sie erklärten dabei offen, nicht mehr der politischen Mehrheit anzugehören.
Einen Fall Vettori hat es bisher aber noch nicht gegeben. Deshalb gibt es in der Geschäftsordnung des Landtages auch keine konkrete Lösung.
Die Logik würde es gebieten, dass man hier auf eine Regelung zurückgreift, wie sie auch für die Landtagsfraktionen gilt. Dort ist ein Ausstieg durch zwei Szenarien möglich. Entweder ein Fraktionsmitglied erklärt seinen Ausstieg, oder die Fraktion beschließt mehrheitlich den Ausschluss eines Abgeordneten.
Gefährliches Spiel
Diese Bestimmung könnte man jetzt auch im Fall Vettori anwenden.
Demnach müssten die 18 SVP- und Lega-Abgeordneten über einen Ausschluss Vettoris aus der politischen Mehrheit abstimmen. Ist eine Mehrheit dafür, wäre der abtrünnige Lega-Abgeordnete draußen.
Damit schiebt die Lega aber der SVP den Schwarzen Peter zu. Letztlich müsste die SVP-Fraktion entscheiden, ob man Vettori will oder nicht.
Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Denn die SVP müsste grundlos die eigene Regierungsfähigkeit schwächen.
Es ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Denn die SVP müsste grundlos die eigene Regierungsfähigkeit schwächen.
Der Ausschluss wäre ein klarer Misstrauenantrag gegen Carlo Vettori, deshalb würde dieser wohl kaum mehr im Landtag der Mehrheit die Stange halten.
Welche konkreten Auswirkungen eine solche Entscheidung im Landtag hat, wird im ersten Gesetzgebungsausschuss ersichtlich. Dort sitzen neben der Vorsitzenden Magdalena Amhof (SVP) und ihrem Stellvertreter Carlo Vettori Myriam Atz Tammerle (Südtiroler Freiheit), Jasmin Ladurner und Gerd Lanz (beide SVP) sowie Ulli Mair (Freiheitliche), Alex Ploner (Team K) und Alessandro Urzì (L'Alto Adige nel cuore - Fratelli d'Italia).
Wie in allen Gesetzgebungsausschüssen des Landtages gehören damit 4 Mitglieder der Mehrheit und vier Mitglieder der Opposition an. Weil bei Stimmengleichheit die Stimme der Vorsitzenden aber doppelt zählt und in allen vier Gesetzgebungsausschüssen die Mehrheit die Vorsitzenden stellt, hat die SVP-Lega-Koalition bei Kampfabstimmungen die Nase vorn.
Wirft man Carlo Vettori aber aus der Mehrheit, ist es damit vorbei. Nicht nur im ersten Gesetzgebungsausschuss hat man dann keine Mehrheit mehr, sondern dieselbe Situation wiederholt sich auch im 3. Gesetzgebungsausschuss, in dem Carlo Vettori als einfaches Mitglied sitzt.
Wirft man Carlo Vettori aber aus der Mehrheit, ist es damit vorbei. Nicht nur im ersten Gesetzgebungsausschuss hat man dann keine Mehrheit mehr, sondern dieselbe Situation wiederholt sich auch im 3. Gesetzgebungsausschuss, in dem Carlo Vettori als einfaches Mitglied sitzt.
Die SVP wird damit entscheiden müssen, ob man dieses politische Risiko eingeht oder nicht. Nur weil man sich in der Lega aus persönlichen Ressentiments nicht grün ist.
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Nicht dem Vettori, sondern
Nicht dem Vettori, sondern den Befehlsempfängern der Lega müßten Grenzen gesetzt werden...
So wie man die Lega und ihre
So wie man die Lega und ihre Politik all'italiana kennt, könnte es sein dass Maturi, Mattei und co. versuchen die Laage ein wenig anzuspannen um eventuell, bei einem Sieg des Capitano in Emilia Romagna, auch hier Neuwahlen zu fordern. Der gute Matteo braucht ja ab Ende Januar wieder eine Beschäftigung.