Politica | Grenzen

Derweil am Brenner

Die Lega Nord bekundet am Brenner ihre Solidarität mit der österreichischen Regierung. Florian Kronbichler: "Wenig Realität, viel Gerede. Und eine Mauer von Gerüchten."

Die Vorbereitungsarbeiten am Brenner sind abgeschlossen. In den kommenden Wochen werden die Arbeiter der österreichischen Autobahngesellschaft Asfinag damit beginnen, einen Kontrollpunkt für LKW einzurichten. 1,1 Millionen Euro lässt sich Österreich das “Grenzmanagement” an der Brennergrenze kosten. Derzeit ist die Lage allerdings ruhig. Nach wie vor versuchen Flüchtlinge, im Zug die italienisch-österreichische Grenze zu überqueren. Der befürchtete Massenandrang infolge der Schließung der Balkanroute bleibt aber (noch) aus. Auch von systematischen und groß angelegten Rücküberweisungen von Tirol nach Italien ist nichts bekannt. Die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm? Oder ein Beweis dafür, dass Österreich tatsächlich überreagiert hat, wie es zum Beispiel die österreichische Tageszeitung Die Presse kritisiert? “Der überstürzte, laut angekündigte Festungsbau auf dem Brenner mit Zäunen und Soldaten zeugt nur davon, dass bei den Verantwortlichen die Sicherungen zum Schutz vor allzu plumpem Aktionismus durchgebrannt sind”, schreibt Wolfgang Böhm in der Print-Ausgabe vom 14. April.


Die Lega am Brenner. Foto: Facebook/Maurizio Fugatti

Ebenfalls am gestrigen 14. April waren Vertreter zweier politischer Lager am Brenner anwesend. Sel und Lega Nord wollten sich selbst ein Bild der Lage machen – und ihre Meinungen zur neu aufgezogenen physischen Grenze kundtun. Diese könnten widersprüchlicher kaum sein. “Solidarietà nei confronti del governo austriaco” lautet die Botschaft der Leghisti, die kein Verständnis für die Kritik an der Flüchtlingspolitik Österreichs zeigen. Ganz anders die Töne bei Sel. “Ponti non muri” stand auf einem der Plakate zu lesen, das die Vertreter der Sel mit an den Brenner gebracht hatten. Darunter auch Florian Kronbichler. Am Vormittag war er in Bozen zu einem “guten Gespräch” mit Landeshauptmann Arno Kompatscher zusammen gekommen. “Humanität vor Ökonomie, Flüchtlingshilfe im Land so viel wie notwendig und nicht so wenig wie möglich, offene Innengrenzen in Europa auch bei Schwierigkeiten, kein Einschwenken auf Österreichs Position.” So die Botschaft, die Kompatscher Kronbichler mit auf seine Reise an den Brenner gab.


Die Sel-Delegation im Zentrum des medialen Interesse. Foto: Armin Mutschlechner

Dort angekommen, “bestätigte sich meine Einschätzung”, berichtet Kronbichler. “Der Brenner, so wie er seit Wochen europaweit in Szene gesetzt wird, ist: ein Gerücht.” Auf Facebook erzählt der Südtiroler Parlamentarier das, was er gesehen hat: “Wenig Realität, viel Gerede. Flüchtlinge gar keine, weder auf der Straße noch in den Zügen, und auch das für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellte Haus ist leer. Nur der iranische Hausmeister ist da. Die fünf, die übernachtet hätten, seien in der Früh Richtung Österreich weitergefahren. Unkontrolliert? Weiß niemand. Dafür sind reichlich Medien da. Manche unseretwegen, manch andere, weil sie seit Anfang des österreichischen ‘Grenz-Managements’ hier dauerbiwakieren. Offenbar warten sie auf den großen, von den österreichischen Ministerien und Polizeikomandanturen angedrohten Tusch warten.”

Eine “Mauer aus Gerüchten” habe man am Brenner errichtet, schlussfolgert Kronbichler. Und das bekämen auch die Leute vor Ort zu spüren. “Die Tankstellenwartin zum Beispiel: ’Seit die in Wien da so ein Geschrei machen, ist hier tote Hose. Schauen sie auf die Straße! Was sehen Sie? Niemand. Nichts. Wer fährt denn noch über den Brenner, wenn es überall heißt, der Brenner schließt?’”, habe sie zu ihm gesagt, so Kronbichler. Auch die Ereignisse vom 3. April hätten dazu beigetragen, dass die Situation am Brenner zur Zeit angespannt wie selten zuvor ist. Inzwischen hat die Quästur in Bozen bekannt gegeben, keine weiteren Demonstrationen oder Veranstaltungen, die den Verkehr behindern würden, am Brenner zu erlauben. Auch die österreichischen Behörden haben angekündigt, Demonstranten aus Italien nicht mehr über die Grenze zu lassen.