Kein trojanisches Pferd für Südtirol

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Während bei der Südtiroler Volkspartei (SVP) Freudenstimmung über das Verhandlungsergebnis zur Autonomiereform herrscht, fragen sich viele, welche Auswirkungen die Reform für den Alltag hierzulande hat, sollte es in dieser Fassung vom italienischen Parlament verabschiedet werden. Im Gespräch mit SALTO diskutieren der langjährige SVP-Senator Karl Zeller, der als Teil der Arbeitsgruppe den sechsseitigen Gesetzesentwurf mitverfasst hat, und der Bozner Verfassungsrechtler und Professor an der Universität Verona, Francesco Palermo, die Vor- und Nachteile der Reform.
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Weniger Bürokratie dank Autonomiereform?
Kernstück der Reform betrifft ohne Zweifel einen Passus der Verfassungsreform aus dem Jahr 2001, der dem Verfassungsgerichtshof in den letzten Jahren eine äußerst zentralistische Urteilsfassung erlaubt und damit auch die Südtiroler Gesetzgebung immer wieder zurückgepfiffen hat. „Der Grundsatz der wirtschaftlich-sozialen Reformen hat in fast allen Bereichen dazu geführt, dass wir praktisch keine Kompetenzen mehr haben“, erklärt Karl Zeller. Für den engen Berater von Landeshauptmann Arno Kompatscher ist dieser Teil des Gesetzesentwurfes deshalb „ein großer Fortschritt“ und erlaube eine Entbürokratisierung bei der Vergabe von öffentlichen Arbeiten und insgesamt mehr Autonomie bei der Verwaltung.
„Dass eine Mitte-Rechts-Regierung diese internationale Verankerung in einen Begleittext hineinschreibt, war vor zehn Jahren noch undenkbar.“
Außerdem sieht die Selbstbeschränkung des Parlaments in Rom vor, dass es Änderungen zur Autonomie nur im Einvernehmen mit dem Regionalrat und den beiden Landtagen von Trentino-Südtirol beschließen kann. Positiv überrascht habe Zeller auch, dass Südtirol nun den Kompetenzbereich der Umwelt inklusive Wildtiermanagement erhalten soll. Das erleichtere nicht nur die Jagdbestimmungen für Murmeltier, Wolf und Bär – da voraussichtlich kein Gutachten des staatlichen Istituto superiore protezione e ricerca ambientale (Ispra) nötig sein wird, sondern weise Südtirol auch neue Kompetenzbereiche zu, etwa Abfallbewirtschaftung oder Klimaschutz.
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(c) Mauro Podini/SALTO
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Der langjährige Senator begrüßt zudem, dass im Begleittext das völkerrechtlich abgesicherte Autonomiestatut von 1992 namentlich genannt wird: „Dass eine Mitte-Rechts-Regierung diese internationale Verankerung in einen Begleittext hineinschreibt, war vor zehn Jahren noch undenkbar“, sagt Zeller. Jetzt sei abzuwarten, ob dieser Entwurf im nationalen Parlament vor Ende dieser Legislaturperiode eine Mehrheit findet. Die nächsten Parlamentswahlen werden in Italien voraussichtlich im Dezember 2027 stattfinden.
„Es ist eine ad-hoc-Gesetzgebung, um die letzte Regierungsbildung mit zwei italienischen Landesräten ex post zu legitimieren.“
Auch Francesco Palermo spricht bei dem Grundsatz der wirtschaftlich-sozialen Reformen von einem „trojanischen Pferd“ des Verfassungsgerichtshofes, das mit dem vorliegenden Entwurf entschärft werden soll. Der Verfassungsrechtler ordnet das Verhandlungsergebnis in den politischen und gesellschaftlichen Kontext ein: „Die Reform ist die Südtiroler Antwort darauf, dass der Multilateralismus weltweit an Bedeutung verliert und Egoismen erstarken. Sie ermöglicht der Südtiroler Politik damit mehr Spielraum“, erklärt Palermo.
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Bei einer Verfassungsänderung sei es zudem aus ethischer Perspektive wichtig gewesen, dass der Entwurf nicht nur zwischen den zwei Parteien SVP und Fratelli d’Italia (FdI) verhandelt wird, sondern auch im Plenum des Landtags mit einem breiten Parteienspektrum. „Mir fehlt hier ein Ansatz, der weniger als Rachefeldzug gegen das Verfassungsgerichts gedacht ist, der mehr als gerechtfertigt ist. Politisch gesehen ist das nichts Neues“, sagt Palermo. SVP-Vertreter Karl Zeller weist diesen Vorwurf zurück: „Die Reform ist eine Hilfestellung für das Verfassungsgericht, um bei unseren Belangen anders zu urteilen als beispielsweise in Sizilien oder Sardinien.“
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Handel und Proporz
Während die italienische Rechte mit dem Präsident der Sechserkommission Alessandro Urzì (FdI) einige Verhandlungsziele erreichen konnte, musste die SVP im Gegenzug Punkte fallen lassen, etwa die Regelung der Öffnungszeiten im Handel an Sonn- und Feiertagen. Laut Reformentwurf soll die Ansässigkeitsdauer für das aktive Wahlrecht von vier auf zwei Jahre gesenkt werden und mehr Flexibilität beim Zusammenstellen der Landesregierung und der Gemeindeausschüsse erlauben. Letzeres dient dem Ziel, juristische Streitfragen wie bei der letzten Regierungsbildung unter Kompatscher zu vermeiden und die ausgewogene Vertretung beider Sprachgruppen zu garantieren.
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Zu diesen Punkten sind sich Zeller und Palermo weitestgehend einig: „Auch bei einem einzigen Gemeinderat der anderen Sprachgruppe wäre es möglich, diesen aus politischen oder symbolischen Gründen in den Gemeindeausschuss zu holen. Das begrüße ich“, erklärt Palermo. Die Landesregierung soll gegebenenfalls auch nach dem ethnischen Proporz gemäß Sprachgruppenzählung besetzt werden können. „Es ist eine ad-hoc-Gesetzgebung, um die letzte Regierungsbildung mit zwei italienischen Landesräten ex post zu legitimieren“, so Palermo.
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Hinweis: Das Videogespräch mit Karl Zeller und Francesco Palermo in gesamter Länge finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
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