Politica | Sanität

Streit auf Rezept

Die Ärztegewerkschaft ANAAO will die Facharztausbildung nach österreichischem Modell in Südtirol zu Fall bringen – und bringt nicht nur den ASGB gegen sich auf.
Arzt
Foto: Pixabay

Zuerst war jahrelang um sie verhandelt worden, dann lag sie in trockenen Tüchern – zumindest schien es so, bis die Meldung kursierte, dass die Regierung die Facharztausbildung nach österreichischem Modell an den Südtiroler Krankenhäusern vor dem Verfassungsgericht anfechten wolle. Es folgten große Kritik und Empörung, dann stellte sich heraus, dass die Nachricht, die auch von Landeshauptmann Arno Kompatscher kommentiert und verurteilt worden war, gar nicht stimmte. Doch jetzt folgt eine wahrhaftige Attacke. Nicht Rom, sondern die Ärztegewerkschaft ANAOO will die Facharztausbildung nach österreichischem Modell in Südtirol zu Fall bringen. Wie die Tageszeitung in ihrer Online-Ausgabe am Wochenende zu berichten wusste, hat die ANAAO gemeinsam mit fünf Ärzten beim Landesgericht Bozen einen Rekurs eingereicht. Darin stellt sie die Verfassungsmäßigkeit des seit Februar wieder aufgenommenen Ausbildungsmodells in Frage und beantragt, dass die Arbeitsverträge von zwei Jungärzten annulliert werden, die nach dem beanstandeten Facharztausbildungsmodell in der Urologie-Abteilung des Krankenahuses Bozen angestellt sind.

Das Modell widerspreche den italienischen Gesetzen – es dürfe nicht sein, dass in Südtirol andere Regeln gelten als im restlichen Italien, heißt es von der ANAAO. Der Landeshauptmann verweist indes darauf, dass es durch ein Landesgesetz und einen Notenwechsel zwischen Rom und Wien hundertprozentig abgesichert sei. Gesundheitslandesrat Thomas Widmann kritisert die Gewerkschaft offen. Sie vertrete nicht die Interessen von Patienten und Ärzten.

“Es wäre mehr als peinlich, wenn der so lang ausgehandelte Kompromiss von wenigen versenkt werden könnte”, zitiert die Dolomiten den Urologie-Primar am Bozner Krankenhaus, Armin Pycha. Er sieht nun “natürlich die Politik gefordert”, die versuchen müsse, “diesem Bestreben Einhalt zu gebieten”. Auch die Südtiroler Freiheit fordert die Landesregierung auf, “mit allen Mitteln an der österreichischen Facharztausbildung in Südtirol festzuhalten und rechtlich gegen die italienische Ärztegewerkschaft ANAAO vorzugehen”.

Scharfe Kritik am Vorgehen der ANAAO kommt nun auch von einer anderen Gewerkschaft, dem ASGB. “Dieser Rekurs entbehrt jeglicher Vernunft. Eine der wichtigsten Maßnahmen, dem Ärztemangel aktiv entgegenzuwirken, zu versenken, ist rein rational nicht nachvollziehbar. Die ANAAO und ihre Unterstützer sorgen mit dieser Maßnahme dafür, dass sich die Jungärzte im Ausland umschauen werden und dass der Sanitätsstandort Südtirol weiter an Attraktivität verliert – mit Auswirkungen für die gesamte Südtiroler Gesellschaft”, geht der ASGB-Vorsitzende Tony Tschenett auf Attacke – und plädiert an die ANAAO, die Sache nicht den Gerichten zu überlassen. “Die Rekurssteller sind gefordert ihren Fehler einzusehen und zum Wohle aller ihren Rekurs zurückzuziehen.”
Eine gewerkschaftliche Forderung, die die Annullierung von Arbeitsverträgen zum Inhalt habe, sei nicht nachvollziehbar, und würde die Arbeit der Gewerkschaften, die sich tagtäglich für die Lohnabhängigen einsetzen, ins Lächerliche ziehen, so Tschenett.

Bild
Profile picture for user Heinrich Tischler
Heinrich Tischler Lun, 07/15/2019 - 22:36

http://www.quotidianosanita.it/lavoro-e-professioni/articolo.php?artico…

Um zu sehen wie gut die Facharztausbildung im restlichen Italien funktioniert, kann man diesen Artikel lesen (Brief einer Facharztanwärterin an die Frau Gesundheitsminister), der zufällig gerade heute im Quotidiano Sanitá erschienen ist.
Zudem bin ich mir sicher, dass einige der fünf Rekurs einreichenden Anaao-Ärzte ihre Facharztausbildung an Universitäten gemacht haben, während sie in Krankenhäusern in Südtirol gearbeitet haben. So kann man das halt aus den curricula online ersehen. Haben sie damals theoretisch also nicht auch "das Recht auf Gesundheit der Patienten" gefährdet, was ja der Grund für die Anzeige sein soll. Warum messen sie jetzt mit verschiedenem Maß?

Lun, 07/15/2019 - 22:36 Collegamento permanente