„Aus dem Innersten“
Isabel Folie lebt, arbeitet und schreibt in Wien. Nach Völs am Schlern, wo sie aufgewachsen ist, kommt sie eigentlich nur, um Erinnerungen aufzufrischen: an die Volksschule, oder an ihre Mutter, die ihr das Lesen und Schreiben beibrachte.
Folie hat Publizistik studiert und nach dem Abschluss in verschiedenen Redaktionen gearbeitet, bis ihr plötzlich dämmerte, dass sie eigentlich in erster Linie schreiben möchte, und zwar über Dinge, die ihr am Herzen liegen. Sie kündigte und wurde Schriftstellerin. Mittlerweile arbeitet sie selbstständig – zwar immer noch als Texterin im Brotberuf –, aber immerhin hat sie nun viel mehr Zeit für die Literatur. „Ich bin froh, dass ich als freiberufliche Texterin einen Brotberuf habe“, erzählt sie und merkt an, „denn so realistisch bin ich schon, dass ich weiß, wie schwer es ist, von der Schriftstellerei zu leben.“
Wie wenig muss ich sagen, um viel zu sagen?
Gemeinsam mit dem Schriftsteller Kurt Lanthaler hat Isabel Folie an ihrem ersten Buch In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind gearbeitet – es entstand im Rahmen der SAAV-Reihe Zoom-Ed bei Edition Raetia und es sieht jeweils ein Mentoring für die jungen Autor*innen vor. Im konkreten Fall suchte sich Isabel Folie aus einer vorgegebenen Liste einen Mentor aus und landete bei Kurt Lanthaler.
„Die einzige Form der Intervention war, das Fragenstellen“ beschrieb Lanthaler bei der Pressekonferenz vor wenigen Wochen seine Zuarbeit für dieses mittlerweile zweite SAAV-Zoom-Ed-Projekt. „Interessant war auch, dass das Fragenstellen sich über die mittlerweile veraltete Kommunikationsform Email abwickelte“, so Lanthaler „also eigentlich eine Technologie des letzten Jahrhunderts.“ – „Vor allem durch diese Vorgangsweise, konnten die Texte wachsen“, ergänzt Isabel Folie im Nachhinein.
ich schaue auf
das Fenster
die Wiese
den Fluss
den Wald
ein VOGEL
es kratzt in meinem Hals
„Momentan fühle ich mich in der Lyrik sehr wohl“, verrät die Autorin. Ihre lyrische Kurzprosa kommt „aus dem Innersten“, sagt sie, „da arbeitet etwas in mir und ich versuche das zu verbildlichen. Das ist wie eine Reinigung.“ Früher schrieb sie Kurzgeschichten, die dann immer kürzer wurden. Vor einem Jahr (16. Oktober 2020) gewann sie mit einer Kurzgeschichte den Hauptpreis beim Hildesheimer Literaturwettbewerb. Aus über 1.100 eingereichten Beiträgen überzeugte sie die Jury mit ihrem Textbeitrag Verfall.
Da war er wieder: Der Weckton, der sie aus ihren Träumen rüttelte und mit rhythmischen Hieben in die Küche trieb.
Da waren sie wieder: Die immer gleichen Handgriffe, die Kaffeemaschine einschalten, das Besteck aus dem Schrank nehmen, die Butter auf den Tisch stellen.
[Auszug aus: Verfall]
Mit dem Schauspieler und Regisseur Luca Pümpel hat Isabel Folie vor wenigen Jahren das Kunstkollektiv Grauer Greif gegründet – um einzugreifen: in die eigene Kunst und in die Kunst des/der anderen. „Es ist sehr hilfreich, wenn man die Texte anderen zeigen kann. Für Kritik und den Blick von außen.“ Pümpel ist es auch, der Folies Texte am häufigsten vorträgt, bzw. performt. Und er ist es auch, der sich immer wieder mit Folie zu neuen Ufern aufmacht, wenn es um Zusammenarbeiten mit anderen Künstler*innen geht, oder wenn beide eine neue Ausgabe der Zeitung Greif zusammenzustellen und in Umlauf zu bringen.
Vorbilder? „Ich habe früher sehr viel Jandl und Erich Fried gelesen“, erinnert sich Folie, „jetzt gerade lese ich gerne den iranisch-deutschen Schriftsteller SAID. Ich lasse mich aber eher von Künstlern wie Christo oder Heinz Mack inspirieren, die ihre Kunstwerke im öffentlichen Raum errichten.“
Es sind Sprachbilder (ohne Vorbilder), mit denen Isabel Folie ihr Innerstes bildgewaltig in lyrische Sprache kleidet und an die Öffentlichkeit trägt.
beißen, immerzu beißen auf
ich irre durch Gänge
Lachen
jagt mir hinterherSpiegelblick
SCHAM verhüllt mein Gesicht