Kinozauber im Wandel der Zeit

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Die erste Staffel der Serie Light and Magic erschien 2022 auf dem Streaming-Dienst Disney+ und ist wärmstens zu empfehlen. Im Grunde geht es um das Studio Industrial Light and Magic, kurz ILM, das seit nun schon vielen Jahrzehnten bahnbrechende visuelle Effekte für große Filme herstellt. Anfangs waren es vor allem Erfolge wie Star Wars, die dem Studio einen guten Ruf, den von Pionieren einbrachte. Doch während es in der ersten Staffel der Serie um die Anfänge ging, als ein kleines Team von Träumern in einer Lagerhalle anfing, Raumschiffe und praktische Effekte zu basteln, erzählt Staffel 2, die jüngst erschienen ist, vom Anbruch des digitalen Zeitalters. Ein Streifen wie Jurassic Park brachte einen großen Durchbruch. Die Dinosaurier sahen nach damaligen Maßstäben beinahe lebensecht aus. Und dann kehrte George Lucas, sozusagen der Pate von ILM, mit einer neuen Trilogie seiner Star-Wars-Saga zurück. Anders als bei der klassischen Trilogie, die 1977 ihren Anfang nahm, setzte man 1999 plötzlich vornehmlich auf visuelle Effekte aus dem Computer. Die Branche befand sich im Wandel. Während früher hauptsächlich auf Modelle, Matte Paintings und Stop-Motion-Animation setzte, wurde der Prozess zunehmend digitalisiert. Das gilt auch für die Kameras und den Schnitt, die plötzlich digital funktionierten. Was das mit den kreativen Köpfen bei ILM machte, zeigen die drei neuen Folgen gut. Während sich manche Abteilungen gefördert fühlen, werden andere, wie etwa die Modell-Bauer stark vernachlässigt. Sie müssen feststellen, dass ihre Fähigkeiten bald nicht mehr gebraucht werden können – dass der Computer ihr Talent ersetzen wird. Es ist eine interessante Parallele zur heutigen Zeit, wo viel von KI und ihrem Einsatz gesprochen wird.
Die Mitarbeitenden erzählen von damals, manchmal stolz, manchmal melancholisch.
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Hinter ILM standen immer Menschen. Sie sahen sich als Pioniere und Grenzgänger und probierten das Unmögliche aus. Dazu zählte, zu Zeiten von Star Wars: Episode 1, die erste, voll digitale Figur, die mit echten Schauspielern interagieren und eine Hauptrolle einnehmen sollte. Die Rede ist von Jar Jar Binks, der zum Erscheinen des Films kontrovers diskutiert wurde. Während die Kritiker ihn seelenlos, aber technisch herausragend nannten, störten sich viele Fans am Klamauk des Charakters, der an die Manierismen von Buster Keaton angelehnt war. Abneigung führte zu Hass, und der Schauspieler Ahmed Best, der Jar Jar Binks Stimme und Körper lieh, wurde derart attackiert, dass er mit Suizidgedanken kämpfte. Es ist eine tragische Geschichte, die zum Glück gut ausging. Und während Jar Jar damals noch umstritten war, gilt er heute als Wegbereiter für eine ganze Reihe darauffolgender, digitaler Figuren.
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Die Doku ist wie schon die erste Staffel stark von Nostalgie geprägt. Die Mitarbeitenden erzählen von damals, manchmal stolz, manchmal melancholisch. Manche von ihnen arbeiten längst nicht mehr bei ILM, etwa, weil ihre Abteilung geschlossen wurde. Mit der Zeit, und spätestens in den 2000ern, begann ein Wettrüsten in der Branche der visuellen Effekte. ILM war nicht mehr der das einzige Studio, das in dem Bereich hervorragende Arbeit leistete. Ein großer Konkurrent war etwa WETA, die für die Effekte bei Herr der Ringe zuständig waren. Deshalb musste auch ILM effizienter werden, wirtschaftlicher denken, alles über Bord werfen, was nicht mehr benötigt wurde. Und wenn der Computer alles nur Erdenkliche in Bilder fassen kann, erübrigen sich Modelle und Puppen. Gleichzeitig verschwand auch der Zauber, sagt ein Mitarbeiter an einer Stelle. Das Publikum gewöhnte sich langsam, aber sicher an die teils fotorealistischen Effekte. Die Frage, wie das denn gemacht wurde, stellte sich nicht mehr. Heute, nochmal zwanzig Jahre später, sind wirklich gute visuelle Effekte keine Selbstverständlichkeit mehr. Im Gegenteil: Ja, wir haben uns an sie gewöhnt, das Kino, und insbesondere das Mainstream-Kino kommt nicht mehr ohne sie aus. Und doch sorgen knappe Deadlines dafür, dass die Studios auf Fertigstellung drängen und somit Ergebnisse erzielen, die teils schlechter sind als jene von vor 15 Jahren. Ein Film braucht eben Zeit, das gilt für die Effekte wie für alle anderen Abteilungen auch.
Im Laufe der Jahre ist ILM durch Höhen und Tiefen gegangen. Die neuen Folgen der Serie sind ein schönes Porträt dieser Zeit, und gleichzeitig ein Lehrstück in Sachen Filmemachen.
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