Cronaca | Schützen

Südtirols Totengräber

Die Schützen starten ihren ersten Angriff im Zuge der DNA-Kampagne und überkleben deutsche Ortsnamen. Neben freiheitlichem Zuspruch regt sich erwartungsgemäß Widerstand.
2019-08-16_dna-aktion-der-schuetzen.jpg
Foto: Südtiroler Schützenbund

„Hier ist der deutsche Süden, hier ist die deutsche Sprachgrenze, hier ist Salurn“, unterstreicht der Landeskommandant der Schützen, Jürgen Wirth Anderlan, heute morgen in einem Video des Schützenbundes. Am Mittwoch verkündete selbiger unter dem Slogan #DNA eine neue Kampagne, die unter anderem auf eine mittlerweile 97-jährige Unrechtmäßigkeit" aufmerksam machen soll: die faschistische Toponomastik in Südtirol. Nun starteten die Schützen eine landesweite Stickeraktion. 

Wie in einer Aussendung des Schützenbundes verlautet, wurden frühmorgens an rund 600 Ortstafeln - beginnend mit Salurn - die deutschen Ortsbezeichnungen überklebt. Anstelle dieser soll nun ein Aufkleber mit der kryptischen Aufschrift „DNA- seit 97J (deutsch nicht amtlich seit 97 Jahren)“ auf „das Unrecht, das 1922 begann und bis heute anhält, aufmerksam machen“, so Anderlan. Gemeint sind die, Großteils noch heute verwendeten, einst von Ettore Tolomei erschaffenen, italienischen Ortsbezeichnungen. 

 

Das von Tolomei stammende „Prontuario dei nomi locali dell‘Alto Adige“ diente 1923 als Grundlage für die Verabschiedung eines königlichen Dekretes zur Italianisierung der deutschen Bezeichnungen für Städte, Dörfer, Straßen, Wege und Berggipfel. Das Gesetz habe bis heute Geltung; unsere deutschen Namen hätten keine Gültigkeit, schreibt der Schützenbund. „Man befindet sich auf einer Schaukel, ist zwar in Bewegung, kommt aber keinen Meter weiter“, so Anderlan. Zudem streuten Tourismusverbände und Wirtschaftstreibende Salz in die offene Wunde und führten das Werk des „Totengräbers Tolomei“ mit „weiteren pseudoitalienischen Neuerfindungen“ fort.

Der Schützenbund spricht von „übertriebener Toleranz, dem friedlichen Zusammenleben zu liebe“ fordert aber gleichzeitig, mit Verweis auf die Situation in der Schweiz, mehr Respekt. Aus DNA (deutsch nicht amtlich) müsse RM (respektvolles Miteinander) werden, so der Landeskommandant. 

Alessandro Urzí verurteilt die Aktion der Schützen indes auf das Schärfste. Er werde laut eigenen Aussagen Anzeige wegen Sabotage erstatten. Außerdem wolle er prüfen lassen, ob die Schützen als „Organisation mit paramilitärischen Strukturen, die es innerhalb weniger Stunden schafft, dutzende, wenn nicht hunderte von Menschen für eine Beschädigung öffentliche Eigentums zu mobilisieren, eine soziale Gefahr darstellt.“ Die Schützen regten sich darüber auf, dass die deutschsprachige Toponomastik gesetzlich nicht offiziell geregelt sei, würden aber ausblenden, dass sie selbst schuld daran seien. „Seit Jahrzehnten sind es gerade sie, gemeinsam mit der regierenden Politikerklasse der Provinz, die jeglichen Gesetzentwurf ablehnen, der beide Sprachen auf dieselbe Stufe heben und sowohl italienischen als auch deutschen Namen dasselbe Recht zugestehen würde“, meint der Landtagsabgeordnete von L’Alto Adige nel cuore.

 

Für die Freiheitlichen um Parteichef Andreas Leiter Reber kommt die Aktion des Schützenbundes zum richtigen Zeitpunkt: „Vielleicht mögen Herr und Frau Südtiroler übers Feiertagswochenende andere Prioritäten haben, als die Ortsnamenfrage, doch die Schützenkompanien haben mit ihrer heutigen Aktion den Finger in eine autonomiepolitisch Wunde gelegt.“ Der vermeintlichen „Vorzeigeautonomie“ Südtirol fehlten die Zuständigkeiten in ganz grundlegenden Bereichen, meint Leiter Reber. Gleichzeitig sei ihm bewusst, dass die Ortsnamendebatte innerhalb der Volksgruppen nicht emotionslos geführt werde und von Verlustängsten begleitet sei. Man dürfe sich aber einer ehrlichen und wissenschaftlich begleiteten Auseinandersetzung nicht länger entziehen. „Ein verbales Abrüsten einiger politischer Exponenten wäre bereits ein mehr als hilfreicher Schritt für eine gemeinsame und akzeptable Lösung“, so der ehemalige Schützen-Bezirksmajor.