Dolomythischer Vampirdreh
salto.bz: Roman Polanski hat erst Ende der 1990er Jahre in der Sendung Wetten, dass..? einem größeren Publikum verraten, dass er 1966 Aufnahmen zum Film "Tanz der Vampire" in den Dolomiten gemacht hat. Sie wussten das bereits vorher. Warum?
Matthias Höglinger: Polanski und die ganze Filmtruppe wohnte in einigen Hotels und Pensionen verstreut in St.Ulrich während der ca. 6-wöchigen Dreharbeiten. Er selbst logierte im Hotel Adler, anfänglich auch Sharon Tate. Wegen des Medienrummels und der Schaulustigen bevorzugte sie das etwas ruhigere Hotel Regina, welches damals von meinen Großeltern geführt wurde und in dem ich aufgewachsen bin, gleich nebenan, wo noch einige weitere Schauspieler wohnten wie Jack McGowran – Professor Abronsius – und der Boxer und Schauspieler Terry Downes – Kukol, der bucklige Gehilfe des Vampir-Grafen von Krolock –, sowie die restliche Filmcrew, also Schneider, Schminke, Friseure. Deshalb war die Geschichte dieser etwas sonderbaren Filmtruppe in unserer Familie bekannt. Außerdem schreibt Polanski ausführlich darüber in seiner 1984 veröffentlichten Biografie "Roman Polanski von Roman Polanski".
Sharon Tate hat im Hotel Ihrer Vorfahren gewohnt. Es war auch der Ort, an welchem sich Roman Polanski und die junge Schauspielerin näherkamen. Hätte sich Sharon Tate einen Grödner Verehrer ausgesucht wäre sie vielleicht noch am Leben...
Ihr Leben hätte natürlich einen anderen Lauf genommen. Aber sie hatte ja trotz ihres jungen Alters bereits einige Produktionen hinter sich und dieser Film war für sie natürlich ein Karrieresprung. Sie und Polanski haben dann Anfang 1968 in London geheiratet und zogen später nach Hollywood. Dort wurde sie im August 1969, hochschwanger, von Anhängern des Sektenführers Charles Manson brutal ermordet. Sie hatte das Pech, im falschen Moment am falschen Ort gewesen zu sein...
Dass am Abend in der Hotelbar meistens ausgiebig gefeiert wurde war allgemein bekannt und passt zu einem Urlaubsort.
Es gibt einige Vermutungen und Gerüchte. Sharon Tate brachte angeblich auch die Minirock-Mode ins Tal. Eine Pionierleistung? Oder eine über die Jahre liebgewonnene Fake News?
Sharon Tate war in den 1960ern eine Stilikone, sie war als Fotomodell sehr bekannt, wurde auch von Polanski selbst für den Playboy abgelichtet. Die Tatsache, dass sie mitten im Winter mit Minirock in Gröden auftauchte, war natürlich Thema Nr. 1. Offenbar war sie sehr freizügig, denn sie war in ihrem Zimmer morgens, als man ihr einen Orangensaft bringen sollte bzw. in den Umkleideräumen des Filmsets meistens fast nackt nur mit Slip anzutreffen. All das hat natürlich zahlreiche Verehrer angelockt. Trotzdem hat sie Regisseur Polanski bevorzugt.
Sie haben im Rahmen Ihrer Ausbildung an der Filmschule ZeLIG mit Grödner Zeitzeugen gesprochen, die die damaligen Dreharbeiten miterlebt haben. Was hat sie bei den Befragungen zum Polanski-Dreh am meisten überrascht?
Dass am Abend in der Hotelbar meistens ausgiebig gefeiert wurde war allgemein bekannt und passt zu einem Urlaubsort. Was aber damals hier nicht bekannt war, war der hohe Drogenkonsum, hauptsächlich LSD, zur jener Zeit die Droge in der Musik- und Filmszene schlechthin. Man kann sich denken, was sich da für Szenen abgespielt haben. Mitunter war das ausgiebige Feiern auch ein Grund dafür, dass sich die Dreharbeiten in die Länge gezogen haben.
Nun ist Backstage-Material zum legendären Filmdreh aufgetaucht, sie zeigen eine Interview-Situation mit Sharon Tate und die Vorbereitungen der bekannten Sarg-Szene. Was weiß man zu diesem Dreh auf der Seiser Alm?
Es gab mehrere Drehorte, einer davon befindet sich direkt unterhalb der Bergstation der Seilbahn von St. Ulrich. Es war für die Crew und die Akteure praktisch, da sie einen Stützpunkt dort im Restaurant hatten und gleich nebenan drehen konnten. Dort wurde die Szene gedreht, in der der bucklige Diener die flüchtenden Vampirjäger verfolgen soll. Dabei benützt er einen offenen Sarg mit dem er den Abhang hinunterfährt und zuletzt in eine Schlucht stürzt. Dazu saßen sich einige Stuntmans in den Holzsarg und rutschten langsam auf dem harten Schnee hinunter.
Die Aufnahmen wurden im Zeitraffer gedreht und dann deutlich beschleunigt. Für die Sturzszene wurde eine Strohpuppe in den Sarg gesetzt und über eine Art Trampolin in den Abgrund geschleudert. Insgesamt wurden aber nur rund 8 Minuten des Films auf der Seiser Alm gedreht. Aber es wurden später in London Studiokulissen mit der Langkofelgruppe und der verschneiten Landschaft der Alm nachgebaut.
Für den Film wurden sogar Teile der Burg Taufers im Studio nachgebaut. Was weiß man dazu?
Es wurde scheinbar in Erwägung gezogen auch dort zu drehen, aber das wäre zu aufwändig gewesen. Deshalb wurde der Innenhof der Burg Taufers im Studio nachgebaut.
Was ist vom Hotel übriggeblieben? Sie haben es vor dem Abbruch noch für Ihren Film in Szene gesetzt…
Das Hotel wurde 2008 abgerissen und anstelle das Adler Balance gebaut. Wir haben einige Szenen aus den Erzählungen auf den originalen Schauplätzen mit Freunden nachgestellt und auf Super8-Film gedreht. Dadurch wirken sie wie alte Aufnahmen. Viele Zuschauer meinten, das Material sei aus jener Zeit...
Wie lässt sich „Tanz der Vampire“ filmhistorisch einordnen?
Es ist eine Vampir-Komödie, ich würde sagen es ist eine Parodie des Horrorgenres selbst. Sicherlich stellt der Film in der Filmgeschichte aber auch in Polanski's Karriere einen Meilenstein dar. Auf dessen Handlung hat er ja auch das Musical gestaltet, das ebenfalls sehr bekannt ist.
Ihre Filmdokumentation „Vampire in Gröden“ ist nun auch online zu sehen. Wie geht es Ihnen selbst dabei?
Ich freue mich immer wenn mich jemand darauf anspricht, der den Film sehen möchte oder ihn gesehen hat. Er gefällt den meisten Leuten gut, sie finden ihn lustig und amüsant. Es war meine Absicht eine etwas andere als die meisten klassischen Dokumentationen zu erstellen, da ja auch Tanz der Vampire und Polanski selbst und seine weiteren Produktionen sehr originell sind. Heute würde ich vieles anders machen aber das ist beim Filmemachen im Nachhinein meistens so: ein Film ist eigentlich nie fertig.