Kunst ist eine Ordensregel
Im Rahmen des 30jährigen Jubiläums von Kunst in der Kartause hat die Kuratorin Sabine Gamper sieben Südtiroler Künstler und Künstlerinnen eingeladen, um sich mit dem ehemaligen Kartäuserkloster auseinanderzusetzen. Die entstandenen Arbeiten lassen die Kraft von Geschichte in unserer heutigen Zeit wieder spürbar werden.
Als thematischer Ausgangspunkt dieser künstlerischen Recherche diente ein Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein, welches dieser 1949 in sein Notizheft schrieb:
Kultur ist eine Ordensregel. Oder setzt doch eine Ordensregel voraus.
In der aktuellen Kulturwissenschaft wird dieser Satz gerne zitiert, um über Kunst und Kultur in der heutigen Zeit nachzudenken. Welcher Lebensform und Geisteshaltung entspricht Kultur? Haben Kultur und Kunst heute noch mit Techniken der Askese zu tun? Wo übernehmen sie Haltungen des mönchischen Lebens? Und kann die heutige Kunst nach den Prinzipien von Ordnung und Übung gedeutet werden?
Siggi Hofer realisierte eine Fassadenarbeit und eine Textarbeit am ehemaligen Hotel „Weißes Kreuz“ am Hauptplatz des Dorfes, er möchte mit seiner Intervention „nichts Neues erfinden, sondern etwas akzentuieren, was immer schon da war.“
Michael Fliri positionierte eine Reihe Masken im Kreuzgang, mit denen er die Aufmerksamkeit nicht einzig auf die Vorderseiten der Masken lenkt, sondern genauso auf das verborgene oder „unbewusste“ Gesicht der Masken, indem er die Innenseiten als Positivform nach außen stülpt.
Mit seiner Videoarbeit Du bei mir, zu sehen in einer ehemaligen Mönchszelle, übersetzt Christian Niccoli das religiöse Ritual der Niederwerfung (Prostration) in einen zeitgenössischen Kontext, und stellt somit die Frage nach der "heutigen Bereitschaft zu bedingungsloser Demut und Hingabe."
Claudia Barcheri zeigt im Kreuzgang eine Serie von Zeichnungen mit roter Tusche, welche Linien- und Rastersysteme aufweisen, sowie Koordinatensysteme, Netze und Schablonen, welche das Festhalten, Begreifen und Verorten von „Welt“ symbolisieren.
Erich Kofler Fuchsberg realisierte ein „Mutterhaus“. Es ist eine 6 Meter lange hölzerne Struktur in Form eines Schiffes, eine symbolische Darstellung des Stammhauses kirchlicher Ordensgemeinschaften, womit er die vielfachen kulturellen Bedeutungsebenen klösterlicher Gemeinschaften thematisiert.
Mit ihrer für die Kartause entstandenen installativen Arbeit „A Room of One’s Own“ im unteren Kreuzgang beschäftigt sich Maria Walcher mit der Frage nach den Parallelen zwischen dem Mönchstum und dem KünstlerInnen-Dasein. Wieviel an Rückzug in die Einsamkeit und Stille des Klosters oder des Ateliers, und wieviel an Öffnung hin zur Welt werden benötigt, um schöpferisch tätig zu sein?
Und Ingrid Hora stellt die Frage nach der Zerbrechlichkeit eines Kollektivs, sobald feste Normen überschritten werden. Anhand einer Serie von Leiter-Objekten und einer Eröffnungsperformance an der großen Außenmauer, werden die Dynamiken des Kollektivs zwischen Abgrenzung und Verlangen symbolisch festgemacht.