Zurück in die Zukunft
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Bozen hat es geschafft! Nach 15 Jahren harten Tauziehens um das Kaufhaus ist man endlich dort angelangt, wo man 2005 vielleicht hätte sein sollen. Damit haben wir die Rückständigkeit Bozens für weitere 20 bis 30 Jahre fest einzementiert. Gratulation!
Wie das zu verstehen ist, erklärte uns Luigi Spagnolli höchstpersönlich in seiner Rede am Vorabend der Kaufhauseröffnung. Das Verfahren für das 2025 eröffnete Kaufhaus wurde 2015 aufgrund eines Workshops wieder aufgenommen - ebenfalls an einem Vorabend, den seines Rücktritts - den er 1996 besucht hatte.[1] Einen besseren Beweis für die Umsetzung eines veralteten Konzepts, auf dem die gesamte Idee beruht, könnte man kaum liefern. Es ging also nie um die Umsetzung aktuelles öffentlichen Interesses oder Mehrwerts, sondern um typische neoliberalen Ideen. Am Ende müssen wir wohl froh sein, dass er in seiner Amtszeit als Bürgermeister nicht auch die Privatisierung von Sozialwohnungen vorangetrieben hat – oder Ähnliches, was man in den 90er Jahren vielen Gemeinden empfohlen hatte.
Entwicklungen wie diese sind ziemliche selten in einer modernen Stadt
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In den Jahren seit Corona haben sich die meisten Städte intensiv mit neuen Konzepten der Stadtentwicklung beschäftigt – mit dem Ziel, den Stadtraum wieder den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben. Der „Superblock“ in Barcelona, das „Supergrätzl“ als Wiener Ableger oder die radikale Neueinteilung der Verkehrsflächen in Paris sind dabei nur die hervorstechendsten Beispiele einer Vielzahl an Entwicklungen der letzten Jahre auf allen Ebenen. All diese Projekte verfolgen dasselbe Ziel: die Straßenflächen im Stadtzentrum den Fußgängerinnen und Fußgängern zurückzugeben und das Auto in der Hierarchie der innerstädtischen Mobilität herabzustufen – zugunsten der Idee einer fußläufigen „15-Minuten-Stadt“. Da scheint die Aussage von Spagnolli, dass Entwicklungen wie auf der Bahnhofsallee „ziemliche selten in einer modernen Stadt“[2] passieren, doch äußerst überraschend. Was ziemlich selten in einer modernen Stadt passiert ist, dass dafür als Gegenmaßnahme gleich viel und noch mehr an Parkfläche verbaute werden.
Das Ziel ist nicht die Entlastung, sondern den Autoverkehr so nah und schnell wie möglich ins Zentrum zu führen.
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Dass es in Bozen also in eine andere Richtung, geht wie sonst in modernen Städten, zeigt sich schon in der Werbung für das neue Kaufhaus: Dort wird stolz mit der Nähe zur Autobahnausfahrt – nur acht Minuten! – geworben, und erst nach der Anreise mit dem Zug oder Motorrad jene mit dem Fahrrad oder zu Fuß ganz am Ende genannt. Statt sich wie viele andere Städte zeitgemäßen Konzepten zuzuwenden, klammert man sich in Bozen mit dem Walther Tunnel an Verkehrsideen der 1990er-Jahre – an eine Zeit, in der es üblich war, „die City“ mit innerstädtischen Tunnelprojekten zu untergraben. Diese wurden dann meist in den frühen 2000er-Jahren fertiggestellt: der Tunnel Tiergarten-Spreebogen in Berlin, der Kö-Bogen-Tunnel in Düsseldorf, um bekannte dieser Zeit zu nennen, oder viel näherliegend der Thermentunnel in Meran.
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Als moralisch fragwürdig kann man auch ansehen, dass das gesamte Projekt der Aufwertung eines heruntergekommenen Stadtviertels dienen sollte, das man als hässlich empfand und beseitigen wollte. Gleichzeitig wird nun das Interieur des Foodcourts, insbesondere der Aufzugsbereich, in Shabby Chic optik gestaltet, also gezielt heruntergekommen. Baustellenflair, Graffitis und ein leicht verfallenes Ambiente scheinen also doch als ästhetisch schön zu gelten.
Doch all diese Projekte sind keine Umfahrungstunnel, die den Verkehr um die Stadt herumleiten sollen. Im Gegenteil – sie dienen dazu, den Autoverkehr so nah und schnell wie möglich ins Zentrum zu bringen. Quasi nach dem Prinzip: Entlastung an der Oberfläche durch Überlastung im Untergrund. Doch nicht einmal das hat man in Bozen richtig zu kopieren vermocht. Während in den genannten Städten die Tunnelbauten oft mit Projekten des öffentlichen Verkehrs kombiniert oder, wie in auch Meran, ihre Decken begrünt Fußgängerzonen wurden bzw. man zumindest in irgendeiner Form einem öffentlichen Interesse nachgekommen ist, hat man sich in der Landeshauptstadt für eine zweistöckige Lösung entschieden, die lediglich den Investoren Vorteile bringt: unten die Straße – und oben auf dem Tunnel noch eine Straße.
Ob das Kaufhaus selbst zeitgemäß ist, müssen die Besucherinnen und Besucher entscheiden. Natürlich wird es anfangs einen großen Andrang geben, doch vom bloßen Schauen und Staunen allein wird sich das Kaufhaus langfristig kaum halten können. In Innsbruck, dem Geburtsort der Signa-Kaufhäuser und Vorbild Bozens, scheinen alle Kaufhäuser mit Leerstand zu kämpfen, egal ob innerstädtisch oder im Gewerbegebiet. Auch verschiedene Preisklassen scheinen dem Online-Handel nichts entgegenzustellen[3]. Der große Boom der Einkaufszentren in Europa in den 2000er Jahren ist längst vorbei. So war auch das Kaufinteresse beim Kaufhaus Lamarr in Wien – ebenfalls ein Projekt der Signa-Gruppe – nahezu gleich null. Dort wird das vorbelastete Grundstück derzeit durch einen Totalabriss wieder kaufhausfrei gemacht, um Platz für Wohnungen zu schaffen. Wohnungen, die in Bozen auf dem Kaufhaus selbst offenbar nicht so gefragt sind. Vermutlich, weil die kaufkräftige internationale Kundschaft, die solche Immobilien erwerben sollte, schon längst mit dem Konzept „Kaufhaus“ abgeschlossen hat und neuen Trends hinterherjagt. Rentabel waren die meisten Kaufhäuser Benkos ohnehin nur, weil er mit seiner eigenen Kette, der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, zugleich Mieter war – und als solcher bereit war, auf Kosten mehrerer Liquiditätskrisen und Insolvenzen überhöhte Mieten an sich selbst zu bezahlen, um den Marktwert der Immobilie zu boosten. So ließ sich zumindest der altbewährte neoliberale Mechanismus fortsetzen: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Dass all diese Dinge durchaus legal sind, stellte auch der ehemalige Bürgermeister von Bozen immer wieder klar. So auch zuletzt beim Eröffnungsinterview, wo er in keinster Weise die Vorteile des Projekts thematisierte, sondern wie auf der Anklagebank, lediglich dessen Legalität immer wieder verteidigte. Dabei genügte das allein noch nie, um aus einem Projekt ein Gutes zu machen. Hoffen wir nun, dass in Bozen wirklich alles legal war, was sich bald auch gerichtlich klären wird. Mit der Tatsache, dass die Baustelle überhaupt fertiggestellt werden konnte, hatten wir ja bereits einmal Glück im Unglück.
Immerhin werden in Bozen nun endlich wieder Kapazitäten frei – sowohl politische als auch administrative –, die in den letzten zehn Jahren stark von diesem Projekt beschlagnahmt waren. Man kann also nur hoffen, dass man diese im neuen Jahr endlich anderweitig einsetzt und spürbar werden.
In diesem Sinne wünschen wir allen ein frohes neues Jahr 2026 – beziehungsweise, auf Bozen bezogen, ein schönes Jahr 2006.
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