Mutiger Zwischenruf
Es ist eine Konstante in diesem Land: Je höher jemand in der Hierarchie steigt, desto weniger Mut zeigt er, desto weniger Kritik erlaubt sie sich und desto vorsichtiger werden er und sie mit klaren Aussagen. Denn dann besteht die Gefahr anzuecken. Bei den Politikern, den Vorgesetzten oder den selbsternannten Sittenwächtern. Dazu gibt es dann einen Standardsatz zur Entschuldigung: „Natürliche denke ich so, aber Sie verstehen, in meiner Position kann ich das nicht öffentlich sagen“.
Zum Glück gibt es aber auch Ausnahmen. Menschen, die ihre Überzeugungen nicht auf dem Altar der Karriere opfern. Ein überzeugendes Beispiel dafür liefert der Bozner Psychologe Peter Koler in der aktuellen Ausgabe der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.
Koler (50), Leiter des Forums Prävention, hat für die prestigeträchtige Zeit einen Artikel mit dem Titel „Mein Rausch gehört mir“ zur Drogenpolitik und –repression verfasst. Es ist ein mutiger, gescheiter und vor allem wichtiger Artikel, in dem Koler nicht nur über den Wahnsinn des gescheiterten „Krieges gegen Drogen“ sinniert, sondern durchaus auch selbstkritisch von seiner Arbeit und langjährigen Erfahrung mit jungen Menschen spricht.
Dabei ist der Untertitel bereits Programm: „Nicht Hasch schadet, sondern Kriminalisierung“.
(Copyright bei Die Zeit, Hamburg)
Drogen weltweit verbieten zu wollen ist eine historisch recht junge Idee – und wie wir mittlerweile wissen: keine gute. Vor etwas mehr als hundert Jahren waren Opiumtinkturen, Kokainweine und Hanfkraut frei erhältliche Konsumgüter. Wirtschaftliche, später ideologische und mo- moralische Gründe führten allmählich zum Verbot oder zur Repression. Dieser Krieg gegen die Drogen ist gescheitert. Er ist sozial schädlich, unökonomisch und teuer. Trotz aller Anstrengungen sind die illegalisierten Drogen auch heute leicht erhältlich, auf weithin bekannten Schwarzmärkten. In den vergangenen zwanzig Jahren ist das Angebot immer größer, billiger und offener geworden.
Es ist Zeit für einen Wandel: Der Konsum von Drogen sollte humaner, pragmatischer und straffrei ablaufen. Beginnen sollte er mit einem regulierten Cannabisverkauf auf dem legalen Markt.
Der Konsum von Drogen sollte humaner, pragmatischer und straffrei ablaufen. Beginnen sollte er mit einem regulierten Cannabisverkauf auf dem legalen Markt.
Wir wissen, dass es ein menschliches Bedürfnis nach Entgrenzung und Berauschung gibt. Manche erfahren diese Zustände über Sport, andere über Sex, über Spiel oder über den Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Alkohol oder Cannabis. Egal, wofür sich jemand entscheidet, alle diese Berauschungen sind mit gewissen Risiken verbunden. Wer in die Berge geht, setzt sich genauso Gefahren aus wie jemand, der einen Joint raucht. Aber beide Risiken sind begrenzbar und hängen von der eigenen Verantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit ab. Fehleinschätzungen der eigenen Belastbarkeit können bis zu Selbstschädigungen führen. Aber genau das darf nicht strafbar sein.
Wer in die Berge geht, setzt sich genauso Gefahren aus wie jemand, der einen Joint raucht.
Denn Entgrenzungshandlungen sind wichtig, um in einem aus Struktur und Regeln bestehenden Alltag bestehen zu können. Wir brauchen Ventile für den Druckausgleich. Eine moderne Gesellschaft kann mit dieser Lust nach Bewusstseinsveränderung umgehen. Sie hält das aus.
Wer heute Haschisch oder Marihuana kaufen möchte, setzt sich allein durch den Erwerb einer Reihe von Risiken aus. Er weiß nie genau, was er kauft, etwa ob die Wirkstoffkonzentration viel zu hoch ist oder gefährliche Inhaltsstoffe untergemischt wurden. Es fehlt jegliche Qualitäts- und Preiskontrolle. Um ihren Profit zu maximieren, manipulieren die Lieferanten das Cannabis genetisch oder mischen es mit Medikamenten, die das Suchtpotenzial vergrößern. Die Ware wird mit Glas, Blei, Sand und Reifengummi gestreckt. Ist es sinnvoll, junge Menschen all diesen Gefahren auszusetzen, inklusive Verfolgung durch die Polizei, nur weil sie statt Bier oder Schnaps einen Joint konsumieren?
In meiner langen beruflichen Erfahrung hat das Einschreiten von Polizei und Justiz wegen Drogendelikten den Konsumenten meist mehr geschadet als der Konsum selbst.
In meiner langen beruflichen Erfahrung hat das Einschreiten von Polizei und Justiz wegen Drogendelikten den Konsumenten meist mehr geschadet als der Konsum selbst. Wenn ich mich daran zurückerinnere, wie viel Leid, Verzweiflung, Inhaftierungen, Ausgrenzung und letztlich auch Todesfälle durch die Kriminalisierung und Illegalisierung seit den 1970er Jahren geschahen, schäme ich mich dafür. Denn auch wir, die Fachleute des Gesundheitssektors, haben fast immer nur zugesehen und mitgespielt. Obwohl wir alle wussten, dass wirklich Abhängige psychosoziale und medizinische Hilfe brauchten statt polizeilicher und juristischer Verfolgung. Auf die Heilung von Verzweiflung und das Ende von Drogenmissbrauch zu hoffen, indem man die Substanz schwer erhältlich macht, ist ein Irrglaube.
Auf die Heilung von Verzweiflung und das Ende von Drogenmissbrauch zu hoffen, indem man die Substanz schwer erhältlich macht, ist ein Irrglaube.
Wenn ich junge Konsumenten in Beratung habe, setzen sie sich oft kritisch und reflektiert mit ihrem Konsum auseinander. Dafür braucht es Respekt, Wertschätzung und Achtsamkeit. Mit der Keule geht gar nichts. Oft bedanken sich junge Leute bei mir, weil sie jemanden getroffen haben, der zuhört, nicht verurteilt, einfach mal da ist.
Es geht dann nicht unbedingt um Abstinenz, aber um safer use, um eine Reduktion des Gebrauchs und eine Erhöhung der Risikokompetenz.
Die schwereren Fälle haben ganz andere Probleme als den Konsum: familiäre Desaster, Traumatisierungen, emotionale Verwahrlosung, Beziehungsmangel, Gewalterfahrungen. Bei ihnen wird der Konsum zur Selbstmedikation, ein Versuch zur Selbstheilung oder der zeitweiligen Erleichterung. So kommt es meist auch zu einem Konsum unterschiedlichster Substanzen. Aber daraus zu schließen, dass alle, die mit dem Kiffen beginnen, bei anderen Drogen und harten Konsummustern landen, ist schlichtweg falsch. Nicht die Droge liefert den Einstieg in den Missbrauch, sondern der Mensch mit seiner Geschichte, seinen Brüchen, seinen (fehlenden) Ressourcen und Kompetenzen.
Zeit-Artikel:" Im besten Falle leeren sich irgendwann die Gefängnisse."
Erfolgreiche Erfahrungen mit einem regulierten Verkauf von Cannabis gibt es bereits: in Spanien, in den Niederlanden, in 16 amerikanischen Bundesstaaten, in Uruguay. Das Bedürfnis nach Konsum ist dort in ein Regelwerk eingebettet. Dazu gehören Jugendschutz, Qualitätskontrolle, Werbeverbote, Regelung der Abgabemenge, der Abgabeorte, des Preises und des THC-Wirkanteils. Aber auch Präventionsinitiativen und Beratungsangebote für Nutzer mit einem problematischen Konsumverhalten werden angeboten.
Ich bin überzeugt, dass ein solches Modell eher Konsumenten erreicht und weniger Begleitprobleme schafft als das bisherige.
Nebenbei zeigen sich erfreuliche volkswirtschaftliche Effekte: Ein Schwarzmarkt wird ausgetrocknet, und neue Steuereinnahmen entstehen. Mit ihnen ließen sich Beratung und Prävention noch verstärken. Im besten Falle leeren sich irgendwann die Gefängnisse um all jene, die wegen Drogenvergehen heute dort einsitzen.
Ich bin überzeugt, dass ein solches Modell erstens weitaus eher Konsumenten mit einem Beratungsbedarf erreicht und zweitens weniger Begleitprobleme schafft als das bisherige.
Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele die Hamburger Zeit lesen. Vor allem in den Kreisen, in denen die Entscheidungsträger dieses Landes sitzen.
toller Artikel!
toller Artikel!
ganz einfach: die Fuzzis sind
ganz einfach: die Fuzzis sind mit dem falschen Stoff zugedröhnt und glauben noch immer an die alten moralisierenden Geschichten, oder sie haben einfach nur Schiss, neue Wege zu gehen, d.h. jemanden das Geschäft zu vermasseln und die Gesellschaft in Richtung Mündigkeit zu begleiten.
In risposta a ganz einfach: die Fuzzis sind di Andrea Terrigno
jemandem, sorry; zu fest
jemandem, sorry; zu fest inhaliert...