Üben wir uns im Dagegendenken
Hans Egarter war kein Held, aber auch kein politischer Mensch. Der Kompromiss und die Heuchelei lagen ihm nicht. In einer Zeit in der Südtirol zerrissen war, zerrissen in der Bevölkerung aber auch in der all zu einflussreichen geistlichen Führung, durchschaute er die Lügenpropaganda der Nationalsozialisten, erkannte den Widerspruch zu seinem Glauben und handelte danach.
Ein Aufrechter!
Im Zwiespalt zwischen Heimat und überhöhtem Volkstumswahn, zwischen Konkretem und der Ideologie entschied er sich für die Heimat, für das Reale, blieb Mitten im Leben. Er übte sich im „dagegen denken“; aus dem schließlich ein „dagegen-handeln“ wurde. Dieses Handeln, der Widerstand des AHB gegen die Nazis, war nach dem Krieg die Voraussetzung dafür, dass die Allierten die Gründung der SVP zugelassen hatten.Schon bald aber gewannen die „ehemaligen“ Nazis die Oberhand; der Forderung Egarters „Gerechtigkeit den Opfern und Gericht den Kriegsverbrechern“ wurde mit dem Argument „wir müssen zusammenhalten“ entgegen getreten.
Und es dauerte nicht lange, dann wurde Egarter mit Füssen getreten.
Mit der Ausrede „wir müssen Zusammenhalten“ wurden die nationalsozialistischen Täter in Südtirol nie zur Rechenschaft gezogen, konnte sich unsere Demokratie nie richtig entfalten, konnten soziale Differenzen nicht ausgetragen werden, konnte die gesellschaftliche Fähigkeit Sachverhalte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten nicht ausgebildet werden. Und so kommt es, dass wieder die Ideologien zunehmen und dass es wieder gilt dagegen zu denken, dagegen zu reden und wenn nötig auch zu handeln. Wenn die Rattenfänger wieder anfangen mit „Ausländer raus“ und anderen zackigen Parolen, wenn Identität wieder über Ausgrenzung definiert wird, gilt es wieder und immer noch, den Faschismus in unseren Köpfen zu bekämpfen.
Hier sind wir alle gefordert: Zuhause, in der Schule, in den Kirchen und Parteien und den Vereinen. Hier kann uns Hans Egarter - ein Mensch wie wir, mit allen Fehlern und Eitelkeiten - Vorbild sein.
Üben wir uns im „dagegen“ denken!