Società | Feminismus

Das "rote Tuch" im Netz

Als "rotes Tuch" bezeichnete der Online-Standard das Anliegen der Gleichberechtigung. Grund dafür sind Beschimpfungen "wenn Frauen im Mittelpunkt stehen".
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Es ist nicht neu, dass der Online-Bereich für Minderheiten und unterrepräsentierte Gruppen ein besonders hartes Pflaster ist. Was der Standard als "Verunglimpfung, Hetze und Beschimpfungen" bezeichnet, artete in unkontrollierten Kontexten immer öfter in Mord- und sogar Terrordrohungen aus. Beispiele dafür – auch außerhalb des Internets – sind etwa Emma Watsons couragierte Rede vor den Vertreter/innen der Vereinten Nationen im vergangenen September (die in Ansätzen zu Recht kritisiert wurde, u.a. auf dem Blog Mädchenmannschaft) oder die Terrordrohungen vor dem von Anita Sarkeesian letztendlich abgesagten Vortrag im Oktober an der Utah State University. Die Internet-Aktivistin und Kommunikationswissenschaftlerin beschäftigte sich im Rahmen ihres Videoblogs "Feminist Frequency", das sie allein mit Spendengeldern finanzierte, mit der Darstellung von Frauen in Videospielen. 

Doch mensch muss nicht in den englischsprachigen Raum gehen, um zu bemerken, dass feministische Positionen, die auf der Forderung nach Gleichberechtigung aufbauen, ein rotes Tuch sind: Der österreichische Standard ging 1995 als erste deutschsprachige Zeitung online. Seit dem 8. März 2000 bespielt die Online-Redaktion zusätzlich das Portal diestandard.at, das sich mit Geschlechterforschung, Frauenpolitik und Feminismus beschäftigt. Neben dem 2010 eingerichteten dastandard.at – dem Portal für Migrant/innen – ist diestandard ein Alleinstehungsmerkmal der in wissenschaftlichen Kreisen als linksliberal wahrgenommenen Tageszeitung. 

diestandard - ein ausdrücklich feministisches Portal und seine Schwierigkeiten

2008 führte die Redaktion von diestandard.at den sogenannten forumfreien Tag (Dienstag) ein. Grund dafür: "Die Wortmeldungen einer äußerst übersichtlichen User(innen)schar [...], deren einziges Anliegen zu sein scheint, auf einem explizit feministischen, frauenorientieren Medium ihren Frust abzulassen, verbauen mittlerweile zu oft themenbezogene Auseinandersetzung mit den in Beiträgen angesprochenen Themen." Zwei Jahre später, 2010, wurde die damalige Ressortleiterin, Ina Freudenschuß, mit dem Journalistinnenpreis „Die spitze Feder“ ausgezeichnet, 2014 schien das Portal dann vor dem Aus: Einsparungsmaßnahmen hieß das Zauberwort, die Branchenkrise zwinge das Unternehmen zu Personaleinsparungen – das Übliche in Zeiten der Krise. Andere Medien schlugen Alarm, etwa das feministische Magazin an.schläge oder auch die Wiener Bloggerin mariah, die sich vor allem mit ihrem Engagement im Verein Genderraum und als Prozessberichterstatterin u.a. im vor kurzem abgeschlossenen Fluchthilfeprozess in Wiener Neustadt einen Namen machte. 
Per se blieb diestandard.at letztendlich zwar bestehen, jedoch nicht ohne entsprechende qualitative und quantitative Einbußen – als Feigenblatt, meinen manche Kritiker/innen der Einsparungspolitik. 

Nun, wenige Monate nach dem großen Trubel um die Einsparungen, wird der forumfreie Dienstag wieder abgeschafft. "Wir scheuen keine Kritik, doch wir verabscheuen Verunglimpfung, Beschimpfung und Hetze", stellt die Redaktion klar und führt im Anschluss an, welche Kommentare aus welchen Gründen nicht veröffentlicht werden: Klischees, Pauschalisierungen, Abwertungen, auf das Aussehen reduzierende Kommentare, Lügen, Propaganda, Vorwürfe in Bezug auf Opferrollen, die Relativierung von Gewalt an Frauen, die In-Bezug-Stellung von Homo- und Transsexualität mit Pädophilie, Vorwürfe im Kontext der Abtreibungsdebatte... die Liste ist lang und zeugt davon, welche Erfahrungen die Redaktion bereits gemacht hat. 

Nein, das Internet ist kein rechtsfreier Raum, scheinbare Anonymität schützt nicht davor, dass strafrechtlich relevante Aussagen nicht als solche eingeklagt werden können. Ein erwachsener, respektvoller Umgang ist notwendig, Sensibilisierung in diese Richtung noch viel dringender. Denn, so die Community-Manager/innen: "Ein Mindestmaß an Respekt ist für die Qualität der Diskussion als auch für unsere Arbeit als Community-ManagerInnen zielführender." Das gilt für den Standard, das gilt für salto.bz, das gilt für alle partizipativen Initiativen, die es sich zum Auftrag gemacht haben, unterrepräsentierten Gruppen und Minderheiten das Wort zu geben.